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Montag, 26. August 2019
Kill em with Kindness
frau klugscheisser, 21:37h
Man könnte meinen, Kanada sei den Vereinigten Staaten ziemlich ähnlich, was Mensch und Kultur angeht. Wenn ich in Kanada bin, dauert es etwa eine Viertelstunde, bis ich mich wieder an den Unterschied gewöhnt habe. Während nämlich in USA die Menschen nur freundlich sind, wenn sie was verkaufen wollen, sind es die Kanadier von Natur aus. Auf der Straße weicht man sich aus, lächelt sich gelegentlich an und Türen werden ganz selbstverständlich aufgehalten, selbst wenn Nachfolgende noch zehn Schritte entfernt sind. Manchmal sprechen die Leute auch mit Fremden auf der Straße. Das ganze geschieht mit einem Selbstverständnis, dass mir immer ganz warm um's Herz wird. Dann schäme ich mich ein bisschen, weil ich mir ungehobelt vorkomme. Nur die Touristen, die in Scharen auftreten, die lassen erahnen, wie es für gewöhnlich im Rest der Welt zugeht. Das erstaunliche ist, dass man sich sehr schnell an Freundlichkeit gewöhnen kann, vorausgesetzt, man ist offen für Veränderung. Zurück im Münchner Nahverkehr bleibt leider der Kulturschock nicht aus. Und ich seufze still in mich hinein. Oh wie schön ist Kanada.
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Dienstag, 20. August 2019
Feelings
frau klugscheisser, 23:44h

Fragen Sie mal jemanden, was er fühlt, wenn das Gefühlspendel nicht in die ein oder andere Richtung ausschlägt. Die Person wird's nicht auf Anhieb wissen und nach ein wenig Bedenkzeit den Zustand als ruhig oder ausgeglichen beschreiben. Wenn die Gefühlsskala aber auf Maximum steht kann sie's sofort benennen. Im Grunde sind Gefühle also meist gesteigerte Erregungszustände. Angst, Wut, Trauer, Hass aber auch positive Gefühle wie Verliebtheit, Glück, Fröhlichkeit, alles zählt da drunter. Selbst Langeweile und Unzufriedenheit sind nichts anderes als Erregungszustände. Und die wollen wir gerne vermeiden, weil Erregungszustände anstrengend und auf Dauer sogar schädlich sein können. Das Vermeiden haben wir seit unserer Kindheit gelernt. Wir sind Meister in Vermeidungstaktiken wie die Ablenkungsindustrie und vor allem die Häufigkeit von Suchtverhalten zeigen. Wer sich davon ablenkt, hat aber die Gefühle deswegen nicht ausgeschalten, er hat sie nur in eine dunkle Ecke gedrückt. Da warten sie, bis sie uns in einem unaufmerksamen Moment hinterrücks überfallen. Manchmal erscheinen sie nicht als die ursprünglichen, sondern in abgewandelter Form. Wut ist so ein Beispiel. Meistens entsteht Wut aus Unterdrückung und war ursprünglich Verletztheit oder Angst.
Es gibt sehr viele wütende Menschen da draussen. Die projezieren diese Wut fast immer auf andere. Dabei sind sie im Grunde auf sich selbst wütend. Sie fragen sich sicher, wo dieser Beitrag hinführen soll. Wutbürger? Ausländerhass? Nein, dazu bin ich viel zu unpolitisch. Ich beobachte nur - fast immer erst mal mich selbst. Viele meiner Vermeidungsstrategien - rauchen, essen und noch paar andere, selbstzerstörerische - entstanden aus unterdrückter Traurigkeit oder Langeweile. Ich brauche ein Überdruckventil, wenn ich keinen Schaden nehmen will. Oder ich mache das, was eigentlich die ursprünglichste Strategie ist. Ich fühle. Gefühle haben nämlich nur einen Sinn: sie sind zum Fühlen da. Und noch viel erstaunlicher ist die Tatsache, dass sie relativ schnell vergehen, vorausgesetzt ich lade sie gedanklich nicht mit Bedeutung auf.
Klingt ein bisschen kompliziert, doch mit etwas Übung gelingt mir das ganz gut. Dann warte ich die paar Minuten ab anstatt zu essen, Nagelhaut zu kauen oder mich sonstwie abzulenken. Ein bisschen disziplinieren muss ich mich aber schon, weil mein Kopf natürlich immer was draus machen will. Ich kann aber bewußt entscheiden, die Frage nach dem Ursprung meiner Gefühle sein zu lassen. Viele Erregungszustände entstehen nämlich nur aus sehr trivialen Gründen: Schlafmangel, hormonelles Ungleichgewicht oder einfach ein kurzer Anstieg des Adrenalinspiegels. Da muss ich nicht drüber grübeln, das ist einfach so. Ich kann dem also Bedeutung beimessen oder es einfach wahrnehmen. Also meine Gefühle fühlen. Denn zu fühlen heisst gleichzeitig auch, lebendig zu sein.
Na schön, das war jetzt ein bisschen abgehoben. Ich fahre allerdings damit ganz gut. Und heute stieß ich auf das obige Motto. Das ist aus einer Sammlung von Kärtchen für jeden Tag, die spiritual AF heißt und die nicht so spirituell sind, wie der Name prophezeit. Gefunden in einem Scherzartikelladen in Vancouver auf der Suche nach einem Abschiedsgeschenk für eine Kollegin. Fand ich nach kurzer Überlegung dann doch nicht so passend. Also bekam sie eine Tasse mit Vancouver-Motiv, über die sie sich sehr gefreut hat. Und ich freue mich jetzt an den Kärtchen.
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Mittwoch, 14. August 2019
Sitting
frau klugscheisser, 12:19h
Es ist ein wenig befremdlich für mich, weil ich mich selbst ein bisschen besser kenne als die anderen mich, und gelegentlich bin ich erstaunt über meine autoritäre Ausstrahlung. So auch letztens, als ich mal wieder mit einem schlecht erzogenen Passagier zu tun hatte. Es gibt diese Menschen, die glauben, mit einem Flugticket nicht nur eine Sitzgelegenheit auf der Beförderung, sondern gleichzeitig das ganze Interieur mitsamt Personal gekauft zu haben. Die beschmutzen dann ungeniert diverse Flächen, legen die Füße auf alle möglichen Erhöhungen oder übergeben sich - nicht nur in Toiletten, sondern gerne mal inmitten des Ganges - und entfernen sich anschließend ohne ein Wort, in der Hoffnung, nicht dafür verantwortlich gemacht zu werden.
Gestern also wieder solch ein Exemplar in feinem Zwirn. Hatte die Füße oben auf die Rückenlehne des Vordersitzes bequem abgelegt. Nun gibt es Kollegen, die sich lange passende Sätze zurechtlegen, um Missbilligung auszudrücken und zur Verhaltenskorrektur zu bewegen. Man muss wissen, dass wir zur Freundlichkeit angehalten sind, sobald wir in Uniform auftreten. Nicht nur in unserem Arbeitsberech, sondern auch in der restlichen Öffentlichkeit. Bei mir funktioniert das nur begrenzt. Denn wenn ich sowas sehe, reagiere ich unvermittelt. Beim Vorbeigehen also ein kritischer Blick, gehobene Augenbrauen und die Beine mit einem hörbaren "m-mmm" kurz angetippt. Die flanellbekleideten Beine waren sowas von schnell unten, das hätte auch eine unbewusste Schutzreaktion sein können. Geht natürlich nicht immer so schnell und wortlos aber es erstaunt mich immer wieder, wenn es funktioniert. Ich vermute, die Personen wissen ihr schlechtes Benehmen genau einzuschätzen und warten nur, ob Mutti das auch toleriert.
Ganz anders in der anschließenden Heimfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Weil die S-Bahn durch Ausfälle sehr voll war, fand ich keinen Sitzplatz. Dabei hatten viele Fahrgäste ihre Koffer statt auf den Gepäckablagen oben der Einfachheit halber zwischen den Beinen oder vor freie Sitze geschoben. Ich finde das sehr rücksichtslos, zumal ich gerne nach 12 Stunden auf den Beinen die 50 Minuten Fahrtzeit sitzend verbracht hätte. Hier fiel mir wieder die Geschichte einer Kollegin ein, die von einem Vielflieger durch Zeigen seiner Clubkarte aufgefordert wurde, ihren Platz für ihn freizumachen. Ich weiß nicht mehr wie es ausging, jedoch bin ich sicher, er hat sie damit sehr in einen inneren Konflikt gebracht. Und ich wusste nicht, dass eine Vielflieger Clubkarte gleichzeitig auch Behindertenstatus impliziert, obwohl ich manches Mal am geistigen Allgemeinzustand solcher Personen zweifelte.
Werte Leserschaft, wenn Sie eine uniformierte Person im öffentlichen Nahverkehr sehen, dann starren Sie bitte nicht und sprechen sie schon gleich gar nicht an. Meistens wollen wir nämlich nur unsere Ruhe. Wir signalisieren dies auch sehr deutlich durch Kopfhörer o.ä. und Sonnenbrillen. Selbst wenn wir Uniform tragen, möchten wir nicht in ein Gespräch über unseren Berufsalltag verwickelt werden oder gar Auskunft über Bahnverbindungen geben müssen. Wir möchten nach diversen Stunden der öffentlichen Dienstleistung einfach nicht lächeln müssen oder freundliche Worte finden, können dies aber durch unseren Status nicht so deutlich zu verstehen geben. Und wir würden gerne sitzen, weil uns die Beine, die Füße und der Rücken weh tun. Bitte bieten Sie uns Plätze an, die möglicherweise durch Ihre Taschen oder Koffer unbenutzbar sind. Sie müssen ja nicht gleich aufstehen, es wäre aber hilfreich, wenn Sie wenigstens Ihre Beine ein wenig zur Seite nähmen, sollten diese besonders lang sein. Dann geben wir auch bei Ihrem nächsten Flug gerne wieder Auskunft und machen das Unmögliche möglich. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Gestern also wieder solch ein Exemplar in feinem Zwirn. Hatte die Füße oben auf die Rückenlehne des Vordersitzes bequem abgelegt. Nun gibt es Kollegen, die sich lange passende Sätze zurechtlegen, um Missbilligung auszudrücken und zur Verhaltenskorrektur zu bewegen. Man muss wissen, dass wir zur Freundlichkeit angehalten sind, sobald wir in Uniform auftreten. Nicht nur in unserem Arbeitsberech, sondern auch in der restlichen Öffentlichkeit. Bei mir funktioniert das nur begrenzt. Denn wenn ich sowas sehe, reagiere ich unvermittelt. Beim Vorbeigehen also ein kritischer Blick, gehobene Augenbrauen und die Beine mit einem hörbaren "m-mmm" kurz angetippt. Die flanellbekleideten Beine waren sowas von schnell unten, das hätte auch eine unbewusste Schutzreaktion sein können. Geht natürlich nicht immer so schnell und wortlos aber es erstaunt mich immer wieder, wenn es funktioniert. Ich vermute, die Personen wissen ihr schlechtes Benehmen genau einzuschätzen und warten nur, ob Mutti das auch toleriert.
Ganz anders in der anschließenden Heimfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Weil die S-Bahn durch Ausfälle sehr voll war, fand ich keinen Sitzplatz. Dabei hatten viele Fahrgäste ihre Koffer statt auf den Gepäckablagen oben der Einfachheit halber zwischen den Beinen oder vor freie Sitze geschoben. Ich finde das sehr rücksichtslos, zumal ich gerne nach 12 Stunden auf den Beinen die 50 Minuten Fahrtzeit sitzend verbracht hätte. Hier fiel mir wieder die Geschichte einer Kollegin ein, die von einem Vielflieger durch Zeigen seiner Clubkarte aufgefordert wurde, ihren Platz für ihn freizumachen. Ich weiß nicht mehr wie es ausging, jedoch bin ich sicher, er hat sie damit sehr in einen inneren Konflikt gebracht. Und ich wusste nicht, dass eine Vielflieger Clubkarte gleichzeitig auch Behindertenstatus impliziert, obwohl ich manches Mal am geistigen Allgemeinzustand solcher Personen zweifelte.
Werte Leserschaft, wenn Sie eine uniformierte Person im öffentlichen Nahverkehr sehen, dann starren Sie bitte nicht und sprechen sie schon gleich gar nicht an. Meistens wollen wir nämlich nur unsere Ruhe. Wir signalisieren dies auch sehr deutlich durch Kopfhörer o.ä. und Sonnenbrillen. Selbst wenn wir Uniform tragen, möchten wir nicht in ein Gespräch über unseren Berufsalltag verwickelt werden oder gar Auskunft über Bahnverbindungen geben müssen. Wir möchten nach diversen Stunden der öffentlichen Dienstleistung einfach nicht lächeln müssen oder freundliche Worte finden, können dies aber durch unseren Status nicht so deutlich zu verstehen geben. Und wir würden gerne sitzen, weil uns die Beine, die Füße und der Rücken weh tun. Bitte bieten Sie uns Plätze an, die möglicherweise durch Ihre Taschen oder Koffer unbenutzbar sind. Sie müssen ja nicht gleich aufstehen, es wäre aber hilfreich, wenn Sie wenigstens Ihre Beine ein wenig zur Seite nähmen, sollten diese besonders lang sein. Dann geben wir auch bei Ihrem nächsten Flug gerne wieder Auskunft und machen das Unmögliche möglich. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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