Montag, 24. Februar 2020
Tageblog 24.2.2020
Heut zum Fasching etwas Polt:
"Mei Herr Häubl wie immer: Stimmungslied, Standardwitz und a paar Grußworte."

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Die Wiederaufnahme meiner Erwerbstätigkeit steht an, gestaltet sich aber schwierig. Vorwegschicken möchte ich die Besonderheiten in meinem Job, der sich von einer Büro- oder Hotlinetätigkeit gravierend unterscheidet. Ja, ich bin nicht nur bis zu 14 Stunden toujours auf den Beinen, ich kann auch nie abschätzen, was an Unwägbarkeiten und Extrabelastung auf mich zukommt. Es fallen Kollegen aus, Passagiere werden krank oder sterben oder möchten ihren Unmut in Form von körperlicher Aggression zum Ausdruck bringen, Flugzeuge müssen im Fall der Fälle evakuiert werden oder Feuer gelöscht. Das sind eine ganze Menge potentieller Situationen, die mehr als den gewohnten Bewegungsrahmen erfordern. Zudem kann mich ein kleiner Schnupfen in der bösen Druckveränderung Hörprobleme bis hin zur Unfähigkeit des Druckausgleichs haben lassen.
Der Fliegerarzt muss zunächst meine Flugtauglichkeit feststellen. Das tut er, in dem er das betroffene Bein ruckartigen Bewegungstests unterzieht, die Narbe inspiziert und sonstige Auffäligkeiten ausschließt. Alles andere wie etwa Blut und Urin wird sowieso im Rahmen einer Lizenz jedes zweite Jahr getestet. Ich hab' ein bisschen Sorge ob der Untersuchung, denn die Fliegerärzte sind gemeinhin keine sensiblen Zeitgenossen. Als nächsten Schritt werden meine Lizenzen für diverse Flugzeugmuster, Erste-Hilfe und Teamfähigkeit erneuert. Die sind zwar noch vom letzten Jahr gültig, ruhten aber mehr als drei Monate, weshalb sie nun aufgefrischt werden müssen. Zuletzt muss über mein Einstiegsmodell entschieden werden. Ich werde zur Sicherheit nicht sofort voll einsteigen, kann aber mit Hilfe meiner Chefin den Rahmen meines Wiedereinstiegs festlegen. Ehrlich gesagt hätte ich jetzt gern noch eine Woche Urlaub von all den Krankheitsstrapazen.

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München wird überregional mit Schwabing gleichgesetzt und Schwabing ist die Leopoldstraße. Dachte ich zumindest, als ich noch nicht in Schwabing-West wohnte. Ein bisschen München in den Sechzigern.
via Hauptschulblues

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Der Nachbar im angrenzenden Haus übt wieder Klavier. Wie mich das nervt! Er übt nämlich nicht, er SPIELT und bleibt automatisch immer an den selben Stellen hängen, die etwas mehr Fürsorge bräuchten. Dann beginnt er wieder von vorne, reduziert das Tempo kurz vor besagter Stelle und nimmt danach wieder Fahrt auf. Schlimm vor allem, weil sich sein Repertoire auf die bekannten Kassenschlager beschränkt. Jetzt also Mondscheinsonate mit Mondfinsternis im Mittelteil.

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Keine Rittersternbilder mehr. Ich bin mir auch nicht sicher, ob der meine Pflege bis nächstes Jahr überstehen würde. Unsere Wege werden sich also trennen. Dafür Pflegeleichtes aus Holland:



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Nachtrag: Bilder eines heutigen Feuerwehreinsatzes für ganz besonders große Feuerwehrfans



Ist nix Großes passiert, war wohl Fehlalarm

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Sonntag, 23. Februar 2020
Tageblog 23.2.2020 Gedanken
Zum Aufwärmen ein paar wunderbare und intelligente Cartoons von Will McPhail, der für den New Yorker zeichnet. Ich mag besonders, wie er mit Sichtweisen spielt.

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Mit den Sichtweisen ist das so eine vertrackte Sache. Wir gehen ja gemeinhin von der eigenen aus und lassen nur ungern davon ab. Oft kippen Diskussionen darüber in eine Rechthabehaltung, bei der jeder sein Gegenüber von seiner Sichtweise zu überzeugen versucht. Wären wir offen für viele Möglichkeiten der Wahrnehmung und - was noch wichtiger ist - wahrten wir stets genügend Abstand zu uns selbst (Metaebene my ass), gäbe es zu den meisten Äusserung nicht viel mehr als ein loriot'sches Ach zu erwidern. Das mag zunächst langweilig erscheinen, ist es aber nur bedingt. Wir hätten nämlich auf diese Weise viel mehr Ressourcen frei, die eigene Innenwelt aufgeräumt zu halten anstatt immer neue Argumente und Antworten zu generieren. Man kann vieles loslassen, Gedankenschleifen, Argumentationen, Annahmen, Überzeugungen. Ich habe früh gelernt, meinem Kopf zu misstrauen und zu hinterfragen. Andere tun das erst später. Deswegen ist es so müßig, mit Menschen zu diskutieren, die sich auf zwei unterschiedlichen Entwicklungsebenen befinden. Deswegen ziehe ich schnell den Rückzug an. Deswegen frage ich mich aber auch, wieso mein inneres Kind danach immer noch in den Boden stampft und Das ist nicht fair! brüllt, wo ich es ihm doch schon so oft erklärt habe.

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Vorbei



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Ein wichtiges Buch von der Anwältin Christina Clemm zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt. Bitte drücken Sie das Bild:



via twitter @ReisingerWagner und @fraeulein_tessa

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Samstag, 22. Februar 2020
Tageblog 22.2.2020
Irgendwie war der gestrige Tag kürzer als andere, obwohl ich nicht viel mehr gemacht habe. Das Phänomen heißt keine Zeit haben und zieht sich durch alle Bevölkerungs- und Altersschichten. Beschäftigt zu sein ist sozial anerkannt und verhindert gleichzeitig, sich Gedanken machen zu müssen - Gedanken, die sich einem aufdrängen über Sachen, die im Bauch rumoren oder die eigentlich überhaupt keinen Sinn ergeben. Mein derzeitiger Job ist Gesund werden. An diesem Projekt arbeite ich jetzt schon eine ganze Weile. Es beinhaltet viel schlafen, regelmäßig essen, ein bisschen Yoga und Physiotherapie. Zudem betreibe ich Sozialtherapie, also Befreundete treffen, auf Parties gehen und mit Unbekannten reden, soziale Kontakte herstellen, sowas in der Art.

Gestern machte ich auf dem Heimweg vom Physiomann noch einen kleinen Abstecher in ein Kaufhaus. Ich brauchte dringend eine kleine Tasche für den Club. Sie wissen schon, für wenn die Kleidung mal wieder keine hat und man aber vor allem Taschentücher und Geld irgendwo unterkriegen muss. Auf meinem Weg durch diverse Stockwerke blieb mein Blick in der Damenwäscheabteilung an einem Tisch mit einer verzierten Augenmaske und einem Halsschmuck hängen, der sehr einem Halsband mit Leine ähnelte. "Ich mach Ihnen das gerne auf." Eine ältliche* Verkäuferin näherte sich mir von der Seite. Nein, das Halsband wollte ich nicht sehen, drückte aber meine Verwunderung darüber aus, dass dieses Accessoire in einem biederen Kaufhaus auf dem Wäschetisch angeboten wird, wo es doch eigentlich für Unterwerfung und in ganz anderem Kontext steht. Sie schaute mich eine Weile wortlos an, meinte dann aber, dieser Artikel würde sehr viel gekauft und die meisten Leute wüssten sicher nicht, was es zu bedeuten hätte. Ja, da waren sie wieder, die 50 Schatten von grau, die popularisierte Form von BDSM, die zur Schonkost verarbeitete Variante für den empfindlichen Durchschnittsbevölkerungsdarm.
Ich erklärte der Verkäuferin kurz, dass mich nicht der Artikel, sondern vielmehr die Tatsache irritiere, dass sowas in diesem Laden zu erwerben sei, denn - seien wir mal ehrlich - die Auskenner kaufen nicht bei Karstadt, die gehen in spezielle Boutiquen oder bedienen sich des einschlägigen Internetangebots. Dann wurde mir schlagartig bewusst, dass ich die Dame aufgrund von Äusserlichkeiten einschätzte, jedoch nichts über sie weiß. Wie kann ich wissen, welche Vorlieben sie hat und in welchen Kreisen sie sich bewegt? Sie reagierte erstaunlich gefasst und professionell, wir lachten noch kurz miteinander, dann verabschiedete ich mich und fuhr nachdenklich die Rolltreppe zum Ausgang hinunter.

Die geneigte Leserschaft mag sich jetzt wundern, welche Quelle mein Wissen hat. Besagten Film - die Romanvorlage eingeschlossen - habe ich nicht konsumiert, doch als eine damalige Mitseglerin auf unserer Ozeanüberfahrt von der Lektüre berichtete, machten die anderen sich über die beschriebenen Praktiken einerseits lustig, andererseits war ein gewisser Ekel herauszuhören. Ich blieb stumm, denn damals war das alles für mich bestenfalls fremd, ich konnte mir aber zu diesem Gebiet noch keine Meinung bilden. Im Grunde finde ich - gegenseitiges Einvernehmen vorausgesetzt - soll jede/r das tun, was ihn oder sie glücklich macht. Ich würde auch Fußballbegeisterung nicht abwerten, nur weil ich nichts von Fußball verstehe. Und alles was ich nicht verstehe, macht mich grundsätzlich neugierig. Als ich mich beispielsweise im Studium mit Zwölftonmusik auseinandersetzen musste, lernte ich sie nicht nur zu verstehen, sondern auch mit anderen Ohren zu hören und zu respektieren. Das bedeutet aber nicht, dass ich sie mag. Die Begeisterung von Menschen ist es, die mich fasziniert. Wenn ein Mensch für eine Sache brennt und davon berichtet, ist mir völlig egal, ob es sich dabei um Musik oder Makramee handelt. Ich lasse mich auf Gedankengänge ein, wie ich auch in Filmen oder Büchern die Gedankenwelt der Protagonisten interessiert verfolge. Auf diese Weise hat jeder Mensch eine Geschichte zu erzählen.

Meine Neugier war nun geweckt und ich stürzte mich letztes Jahr in die Szene der BDSM und Swingerclubs. Dabei entdeckte ich viele eigene sowie fremde Vorurteile, die sich auf Beobachtungen von Einzelfällen oder reinen Annahmen stützten. Ein wunderbares Lehrstück war für mich die stille Annahme, dass BDSM immer mit Schmerzen verbunden sei und Unterwerfung mit Verachtung oder gar Mangel an Respekt. Nur soviel vorweg: dem ist nicht so. Ich weiß heute auch, dass die Menschen in dieser Szene weitaus entspannter und toleranter sind, als die, die sich gemeinhin über derartige Praktiken echauffieren. Und ich weiß, dass meine Neugier Grenzen hat, denn ich muss nicht alles ausprobieren, um mit Sicherheit zu behaupten, dass es mir nicht gefällt. Davon aber ein andermal.

*ältlich = für mich altersmäßig nicht einzuschätzen, da aufgrund des konservativen Kleidungsstils und Habitus älter als ihr biologisches Alter wirkend.

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Von der Vergänglichkeit

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