Mittwoch, 24. Februar 2021
You Can't Hurry Love
Was bisher geschah (wo ich doch so lange nichts geschrieben habe)

Über ein Jahr ist die OP her. Das Gelenk schmerzte lange, viel zu lange. Die Orthopäden arbeiteten im Ausschlussverfahren - was man halt in 10 Minuten Behandlungszeit so ausschließen kann. Der Operateur hat erst Mal seine Schuld an allem ausgeschlossen. Im Grunde hatte er aber über die Ursache meiner anhaltenden Schmerzen genauso wenig Ahnung wie der Anfang des Jahres noch behandelnde Physio. Ich solle halt weniger belasten. Also ging ich's mit der Nachrehagymnastik langsam an, nutzte aber die genehmigten Stunden innerhalb des Gültigkeitszeitraumes. Da war schon Corona und alles andere zu. Ich freute mich über die Abwechslung im Rehastudio und beim Physio. Die Tabletten waren auch nicht ohne.

Im Sommer radelte ich mit einem Bekannten regelmäßig zur Morgengymnastik in den Park. Bestimmte Übungen - vor allem die mit Beine Anheben im Liegen, die Bauchmuskeln machen sollen - gingen nicht. Ich war einfallsreich und absolvierte was eben ging. Liegestütz, Bankstütz, Seelenstütz und mehr. Die Bewegung tat seelisch so gut wie die Begegnung. Irgendwas musste ich in der Zeit ja tun, in der ich nicht arbeitete und auch sonst niemanden traf. Wir waren nicht die Einzigen, die es zum Sport nach draußen zog. Einmal probierte ich sogar eine kurze Joggingeinheit. Im Nachhinein betrachtet keine so gute Idee.

Wo es weh tat, konnte ich genauso gut lokalisieren, wie beschreiben, was den Schmerz auslöste. Ich hatte über die Wochen recherchiert, zahllose Videos im Netz gesehen und viel über Anatomie gelesen. Nur mit den lateinischen Bezeichnungen haperte es zwischendurch. Mit möglichen Diagnosen war ich zögerlich, denn ich wollte der Fachkraft nicht vorgreifen. Der Operateur zuckte nur mit den Schultern. Das sei alles untypisch. Tabletten waren das Resultat meiner Frage nach Lösungswegen. Ich nahm seinen Zweifel an meinen Schilderungen und Vermutungen wahr. Dabei verbringe ich doch meine gesamte Zeit in diesem Körper, wer könnte mich besser spüren als ich selbst? Spätestens da war mir klar, dass ich auf mich allein gestellt war. Vielleicht doch noch ein Medizinstudium?

Im beginnenden Herbst immer noch Schmerzen. Ich konnte das Bein nicht mal zum Sockenanziehen heben, geschweige denn mich zum Schuhe zubinden mit gestreckten Knien hinunterbeugen - letzteres in der Durchschnittsbevölkerung nicht unüblich, für mich hingegen ein Beweis für meine starke körperliche Einschränkung. Nach reiflicher Überlegung und tiefer Traurigkeit über diesen Zustand fasste ich den Entschluss: jetzt aber mal ausgiebig schonen. Sollte das nicht helfen, war zumindest Selbstheilung ausgeschlossen. Ausschlussverfahren kann ich auch. Die Pandemie kam mir entgegen.

Die Erkenntnis, dass Rumliegen allein nicht weiterhelfen würde, weder beim körperlichen noch beim seelischen Heilungsprozess war im Dezember nicht Überraschend. Insgeheim ahnte ich es schon im Frühjahr. Selbst in Ruhe schmerzte das Körperareal. Muskeln konnten inzwischen keine mehr verhärtet sein, denn die waren praktischerweise alle abgebaut. Dafür hatte ich an Körperfülle zugelegt. Wenigstens konnte ich nun Überanstrengung ausschließen. Herr Ortho hat das im Januar auch gleich eingesehen als er meinte, man könne da nach einem Jahr nicht mehr behaupten, das ginge von alleine weg. Meine Frage nach bildgebender Diagnostik unterbrach er mit einer abweisenden Handbewegung. Röntgen zeige nicht das entzündete Gewebe, Ultraschall käme nicht so tief und MRT ginge wegen des Metalls jetzt auch nicht mehr. Was er denn verschreiben solle, fragte er, das Übliche - sprich Physio und Tabletten - bringe ja keine Besserung. Als ich mich ohne Alternative zu gehen weigerte, verschrieb er mir dann doch genau das. Ausserdem bekam ich die Bewilligung für ein Magnetbild.

Auf dem Bild war, wie vorhergesehen, an der schmerzenden Stelle ein Fleck, der sich Signalauslöschung nennt. Seitlich davon entzündete Schleimbeutel, auf denen Herr Ortho ungläubig herumdrückte. Nein, das tat - im Vergleich zum eigentlichen Problemfeld - wirklich nicht weh, selbst wenn es laut Bildgebung so sein müsste. Auf dem Rücken liegend bewegte er das Gelenk ein bisschen hin und her, dann war wieder Schluss. Ohne Ergebnis, dafür mit der Adresse für eine neue Physiopraxis in der Hand verließ ich das Behandlungszimmer.

Der neue Physio bewegte das Gelenk gründlich für zwanzig Minuten in alle Richtungen mit der Erkenntnis, dass das so nicht normal sei. In mir breitete sich gleichzeitig Erleichterung und Verzweiflung aus. Einerseits die erste Bestätigung meines untrüglichen Körpergefühls, andererseits die drohende Möglichkeit einer erneuten Operation. Die ganze Anstrengung, Einschränkung, Entbehrung, alles umsonst. Die Ursache der Tränen mischte sich mit allgemeiner Verzweiflung über die Gesamtsituation. Dann spürte ich meine Wut aufsteigen. Diese blöden Ratschläge, der Ruf nach Geduld. Natürlich hätte ich gerne an ein Wunder geglaubt, doch vermutlich nicht fest genug.

Eine einfache orthopädische Untersuchung sei das gewesen, meinte er, wieso das nicht vom Arzt gemacht worden sei. Ich hatte für Herrn Physio keine plausible Antwort. Gleichzeitig schätzt er Herrn Ortho als sehr guten Fachmann ein. Am Telefon übermittelte er ihm wohl die gewonnenen Erkenntnisse. Möglicherweise muss ich nun doch nicht Medizin studieren. Wie es aber weitergeht, erfahre ich erst nächste Woche. Dazwischen liegen ein paar Tage Arbeit und Tränen. Meine Reserven sind aufgebraucht, mein Wille schwach und ich habe Angst. Schalten Sie also nächste Woche wieder ein, wenn es heißt: wir wissen auch nicht woran es liegt aber beehren sie uns recht bald wieder.

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Ach herrje. Das tut mir sehr leid. Ich erinnere meine eigene Angst und Wut und Ohnmacht, wenn man genau spürt, daß etwas ernsthaft nicht in Ordnung ist, Ärzte einem aber nicht glauben wollen. Drücke Ihnen die Daumen, daß es eine zügige Lösung gibt.

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Das tut mir sehr leid für Sie. Wie viel Leid und Qualen hätte es Ihnen erspart, wenn die Ärzte Sie gleich ernst genommen hätten. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass es nun bald wirkliche Hilfe gibt und auch heilt.

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Liebe A.!
Wir haben uns oft gefragt, warum nichts zu hören bzw. zu lesen war. Das ist ein Mist mit der Medizin! Deswegen gehen wir beide auch nicht zu den Orthopäden, sondern Freundin Hausärztin verschreibt Behandlungen bei zwei Anfasserinnen.
Hoffentlich geht es gut aus. Wenn Unterstützung möglich ist, bitte melden.

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Hach so ein Mist : (

Drücke fest die Daumen auf baldige gute Lösung!

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Oh nein und zefix! Das ist wirklich nicht fair.
(1. ORTHOPÄDEN! 2. Wie sehr ich die Einschätzung hasse, eine Beschwerde "kann gar nicht sein". Mediziner-Gaslighting.)

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Was für eine Tortur!
Das tut mir so leid, nach all der Vorgeschichte.
Ich sehe Dich immer noch tanzen in dem wunderschönen Kleid und den Handschuhen. Möge das bald wieder so sein.

(Warum kein MRT? Es geht nicht mit starkem Magnetfeld, das weiß ich. Ich habe ein Stück Metall im Arm und da konnte man in der Röhre schon was sehen bei nem schwächeren Feld)

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