Donnerstag, 22. November 2012
Rosi, was hat die Zeit aus Dir gemacht?
Es gibt ein neues Video von einer neuen Gruppe über einen alten urmünchnerischen Schlager:



Rein zufällig kenne ich die junge Dame, die da im Video tanzt. In Wirklichkeit ist sie fast noch schöner. Und dann musste ich ganz intuitiv wieder ans Älterwerden denken und an Bette Davis' Ausspruch, dass alt werden nichts für Feiglinge ist.

Ich habe so meine ganz persönlichen Schwierigkeiten mit dem Älterwerden und natürlich auch meine ganz persönlichen Gedanken dazu. Als Kind konnte ich es kaum erwarten älter zu werden. Dabei bemerkte ich zwar meine eigene Veränderung, nicht aber die meiner Umwelt. Junge Menschen waren jung und Alte eben alt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Eltern oder gar Grosseltern ebenfalls einmal Kind gewesen sein sollen. Fotos aus ihrer Jugend waren Schwarzweiss und so stellte ich mir halt auch die Welt vor, in der sie groß geworden sind. Weil die Welt aber in Wirklichkeit bunt war, konnten die Abgebildeten auch nicht echt sein. So meine Vermutung.

Dann wurde ich älter und konnte mir nicht vorstellen, anders zu sein als bisher. Es war und ist immer noch ein wenig als verliefe mein Leben auf einem Achsendiagramm. Die Zeit auf der vertikalen Ebene, ich bewege mich aber mehr so auf der horizontalen. Keine Sprünge, mehr kontinuierliche Veränderung nach oben oder unten. Wenn man die nicht genau verfolgt, kommen dann diese Hopplamomente. Hoppla, da ist die Haut aber faltig/dellig/welk. Hoppla jetzt bin ich aber müde. Hoppla so unaufgeregt war ich ja noch nie. Die Hopplas sind sowas wie ein natürlicher Weckruf. Wer den verpennt, dem geht's womöglich wie Rosi im Video.

Das Rezept heisst dann wohl Hinschauen wo's weh tut. Und dann das beste draus machen. Das zumindest rät die angewandte Psychologie. Paul Baltes empfiehlt das SOK Modell. Selektieren, optimieren und kompensieren. Rubinstein hat beispielsweise im hohen Alter sein Repertoire stark eingegrenzt und schnelle Läufe einfach ein wenig langsamer begonnen. Wer mehr wissen will, kann sich dieses Filmchen ansehen. Man könnte auch behaupten, wer alt wird hat Glück. Könnte nämlich alles schlimmer sein.

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Ich habe so meine ganz persönlichen Schwierigkeiten mit dem Älterwerden und natürlich auch meine ganz persönlichen Gedanken dazu.

Danke fürs Teilen Ihrer persönlichen Gedanken. Ich gehe mit diesem Thema auch seit einiger Zeit schwanger, komme aber irgendwie nicht so recht nieder damit.

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"Mit dem Ältergehen schwanger gehen". Merk ich mir.

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Mark, da sind wir zum Glück nicht alleine. Passiert so gut wie jedem. Und die's nicht zugeben, belügen sich selber. Da stellt uns das Gehirn sozusagen ein Bein, denn die kleinen Veränderungen bemerken wir nicht und dann BAM sind da plötzlich diese grossen Einschnitte. Die Problematik liegt nicht in der Veränderung an sich, sondern in ihrer Unmerklichkeit, die uns in ihrer Stetigkeit eine gewisse Sicherheit vorgaukelt. Was wir Menschen ja ganz schwer aushalten, wenn man uns die vermeindliche Sicherheit unter den Füssen wegzieht. Und dagegen wehren wir uns ganz vehement, obwohl's im Grunde so viel bringt wie kurz vor den Niagarafällen gegen den Strom zu schwimmen.

Das Älterwerden macht uns alle gleich. Ist doch auch irgendwie beruhigend.

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Ich finde das Älterwerden prinzipiell ok, ich habe aber auch keine Jugend geführt, in der es extrem körperbetont oder -fixiert zugegangen wäre. Ich schätze mal, für Menschen, die immer viel Sport betrieben haben, werden die Grenzen schneller deutlich und frustrierend. Ich kann jetzt zu anderen sagen "Junger Mann, Sie da, könnten Sie mal..." das ist vergnüglich. Auf einem andern Blatt stehen allerdings ernstere Krankheiten, die mit dem Alter eher mal kommen und die das Thema "Grenzen" relativ abrupt und wenig diskutierbar ins Spiel bringen. Das ist in der Tat ein Skandal.

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Wirklich am Hadern bin ja auch nicht, sondern eher froh, von gravierenderen Beeinträchtigungen bislang verschont geblieben zu sein. Wahrscheinlich bin ich sogar fitter als vor zehn Jahren, wo ich noch geraucht und mich gar nicht bewegt habe. Und dennoch...

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Ich habe das Problem, dass mich oft innerlich noch als junger Mann fühle und es gar nicht glauben kann, das die Menschen um mich herum mich als alternden Erwachsenen sehen. Da muss ich mich immer wieder am Spiegel mit den anderen zurechtgrooven und auf dem Boden der Lebenszeit einschlagen.
Körperlich habe ich dann genau eine andere Einstellung: bei jedem Zwicken und Zwacken, bei jeder kleinen Verletzung dauert es heute fast unerträglich lange, bis es wieder weg ist. Offene Wunden brauchen doppelt so lange zum Verheilen wie früher und bei den Knochenknirschern frag ich mich immer: geht das wohl wieder weg oder tut das Knie jetzt immer weh, wenn ich länger als eine Stunde gewandert bin?
Vollkommene Disharmonie zwischen Körper und Seele.

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Das grösste Problem stellt für mich tatsächlich die abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit dar, obwohl ich - ähnlich wie Mark - heute fitter als noch vor 10 Jahren bin (damals Zigaretten und kein Ausdauersport). Dennoch spüre ich meine Kraft merklich schwinden. Das zweitgrösste Problem ist das der schwindenden oberflächlichen Attraktivität. Sagen wir mal so: früher ärgerte ich mich über pfeifende Strassenarbeiter, heute genieße ich es nach dem Motto, wer weiß, wie lange das noch kommt (hängt vielleicht auch mit zunehmendem Seltenheitswert zusammen).

Vielleicht sind Männer auf dem selbstbeobachtenden Auge auch ein wenig blinder als Frauen. Heßt ja immer, die werden nicht älter, sondern interessanter. Ich finde aber Bierbäuche, Tränensäcke und Hängeohren bei alternden Männern nicht wirklich interessant. Zumindest nicht interessanter als bei Frauen.

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Einen seltsamen und witzigen Moment hatte ich mit Ende 30 in London. Eine ältere Frau steigt in einen Bus, in dem außer mir jede Menge junger Leute sitzen, Schüler und Studenten. Ich sage zu meiner Frau: "Zum ersten mal im Leben habe ich das Gefühl, dass auf gar keinen Fall ich es bin, der jetzt seinen Platz frei machen muss".

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Solch einen Moment hatte ich auf Capri. Drei junge Burschen sitzen im Bus. Wir steigen ein. Ich sage zum Kollegen: "Wenn jetzt einer der Jungs für mich aufsteht, weiß ich nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll."

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Vielleicht sind Männer auf dem selbstbeobachtenden Auge auch ein wenig blinder als Frauen.

Für andere kann ich da nicht sprechen, und es hilft auch nichts, dass manche Bäckereifachverkäuferin immer noch "junger Mann" zu mir sagt. Meine körperlichen Veränderungen sehe ich weniger als Interessanz-Zugewinn, sondern schon eher als Attraktivitätsverlust.

Aber den eigentlichen Auslöser, verstärkt über das Thema Altern zu reflektieren, entschuldigen Sie bitte, wenn ich das so explizit breittrete in der Anwesenheit von Damen, gab neulich die plötzlich auftretende und sehr irritierende Wahrnehmung auf der Toilette, als mich beim Stullern der Gedanke durchzuckte, nanu, jetzt riecht mein Urin irgendwie nach Altmännerpipi...

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Interessante Beobachtung. Muss ich unbedingt meiner inoffiziellen Liste beifügen. Woran könnte das liegen? Ich kenne die Tatsache, dass Ausdünstungen älterer Menschen durch Medikamenteneinfluss verändert sind. Hat das dann vielleicht auch Einfluss auf die Ausscheidung?

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Medikamente kann ich in meinem Fall weiträumig ausschließen. Vermute mehr so in Richtung Stoffwechselveränderungen, vielleicht auch hormonelle Veränderungen, keine Ahnung. Es hat sich auch nicht unbedingt als Dauereindruck festgesetzt, aber in dem Moment, als mich dieser Gedanke durchzuckte, empfand ich das schon intensiv - es war also ein Hopplamoment, um in Ihrer Diktion zu bleiben.

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Ich tippe mal auf die wohl auch bei Männern allmählich einsetzenden hormonellen Veränderungen.

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@ b-reeze: Der Pianist Menahem Pressler, Gründer des Beaux Arts Trios, sagte ein halbes Jahr vor seinem 75. Geburtstag einmal zu mir: "Man vergisst leicht das eigene Alter, wenn man nicht in den Spiegel sieht. Denn das Herz ist ziemlich jung."

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...wobei der Geruch des Urin auch sehr stark von Tageszeit, Häufgkeit des Wasserlassens und Nahrungsinhalten abhängt....

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Kurz mal "off-topic" ...
"Nachbarn" nach Zeichenlänge sortiert und zwar abnehmend ... Nicht schlecht.

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Sehr berührendes Filmchen.
Ob vielleicht die am meisten unterm Altern leiden, die von jugendlicher Schönheit besonders profitiert haben?

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Interessant auch, dass ausgerechnet der ebenfalls sichtlich gealterte Ur-"Rosi"-SpiderMurphy-Sänger fragt, "Rosi, was hat die Zeit aus dir gemacht?"

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Kaltmamsell, hat das nicht kürzlich Frau von Kürthy ähnlich im SZ Magazin formuliert?

Kid genau das dachte ich ebenfalls.

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Ging mir auch so. Was hat die Zeit aus Spider Murphy gemacht? Ich habe ihn kaum wiedererkannt.
Mangelnde Attraktivität? Vermutlich habe mich nie nur über Äußerlichkeiten wahrgenommen. So wichtig ist mir das immer noch nicht.
Und dass die Zeit den Hobel ansetzt, so wie das Schicksal auch, jo mei....
Die Tänzerin ist übrigens eine bildschöne Frau.

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Es geht beim Altern ja nicht nur um die eigenen Veränderungen – das wäre schon schwer genug – sondern darum, dass die Welt, in der man lebt, immer fremder wird. Manches mag ja durchaus eine Verbesserung darstellen, aber eben nur manches. Die geballte Ladung an virtueller Kommunikation lässt mich manchmal als Neandertalerin fühlen.

Und Alter heißt auch immer Verlust ertragen müssen. Von Menschen, die einem wichtig sind, aber auch von Dingen, die man liebgewonnen hat. Ich steh’ nun mal mehr auf Tante-Emma-Läden (übrigens schon als Teenie) als auf musikberieselte Supermärkte. Ich war zwar zu jung für die 68er, aber dennoch hat mir vieles an der bewegten Zeit gefallen. War irgendwie besser als Casting- und Kochshows.

Ach ja und Sperrgebiet-Rosi. Die kriegt in dem Video voll ihr Fett ab. Dass Frauen ihre Falten und grauen Haare feixend um die Ohren gehauen werden, ist zeitlos. Zumindest etwas, das sich nie ändern wird und auf das man sich felsenfest verlassen kann.

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Das Video finde ich zwar auf eine gewisse Weise krass, jedoch nicht im Hinblick auf Stichworte wie Falten und Alter und feixend. Ich verstehe das mehr so, dass Rosi ihr Lebenswandel und Umstände fertig gemacht haben - ziemlich nachvollziehbar also. Das würde einem Mann doch genauso gehen (denken Sie nur an J.ürgen D.rews und ähnliche Lachfiguren).

Natürlich ist der Verlust der Gewohnheit ein Aspekt von Altern. Kein Aspekt sollte jedoch der Verlust an Offenheit und Neugier sein, denn nur dann ist man wirklich alt. Ich sehe nach der Globalisierung der letzten Jahre durchaus einen Trend zum kleinen Laden an der Ecke. Und Casting- bzw. Kochshows sind halt auch eine Phase. Ich hätte beispielsweise die schulterbepolsterten Denverclandamen heute keine Sekunde mehr ertragen. Selbst Sendungen, die ich damals gut fand, haben heute einen merkwürdigen Beigeschmack. Es ist nicht alles gut, was früher war.

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ich find´s alles nicht schlimm...wenn da nicht die schlechten augen wären...die lesebrille...die kontaktlinsen ;-)
für den rest denke ich :" der geist macht die materie"...

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Das nervt mich genauso. Im Bus die Tageszeitung zu lesen - früher nie ein Problem. Jetzt jedesmal im Gedränge nach der Lesebrille fingern. Das Leben wird umständlicher. Der Geist macht zwar die Materie, das stimmt, aber wenn er in einem Körper steckt, der anfängt zu zicken, dann zickt irgendwann auch der Geist.

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aber was mich wirklich schmerzt und mir immer wieder negativ aufällt: früher habe ich mich bei Louis de Funes, Jerry Lewis und Dieter Hallervorden schlapp gelacht - ich fand das urkomisch. Heute zucke ich nur mit den Schultern...na und? finde es albern und kann nicht mehr lachen. Auch über heutige Komödianten kann ich nicht mehr lachen....was ist mit meinem Humor passiert?

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Dass der Humor sich ändert, ist mir auch schon aufgefallen.
Die Kinder und Jugendlichen, die ich täglich um mich habe, lachen über Sachen, die ich nur mit viel Wohlwollen witzig finde. Früher hätte ich mich mitgekringelt.
Ich rege mich auch kaum noch auf, früher war ich immer bereit für einen kleinen Aufstand oder zumindest für etwas Empörung.
Heute denke ich, ich hab schon alles so oder ähnlich erlebt. Aufregung bringt nichts. Ich erkenne die Muster in solchen Hypes.
Ich genieße es aber auch, nicht mehr überall dabei zu sein, mich auch mal unauffällig verdrücken zu können ohne dass es einem auffällt. Ich brauche es auch nicht mehr, überall die Tollste und Schönste sein zu wollen.
Die Gelassenheit, das ist meine Beute des Alters.

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