Mittwoch, 24. Juli 2019
Retreat
by Trella




Manches Mal tut so ein Rückzug von der Welt ganz gut, manchmal ist er auch nötig. Es gibt immer erste Anzeichen dafür. Eine gesteigerte Nervosität, eine Habachtstellung, als ob sich hinter dem nächsten Satz ein Schwert verbärge. Falsche Worte durchsieben meine dünne Haut wie Schrotkugeln. Und ich muss dann wieder die Fetzen mühsam zusammenflicken. Ich erlaube mir Empfindlichkeit.

Meine großen Sehnen sind seit einiger Zeit entzündet, weil sie die Anspannung zum Schutz der verletzten Gelenke nicht mehr halten können. Vermutlich habe ich sie überspannt, so wie ich vieles zu überspannen gewohnt bin.
Komm' reiß Dich zusammen, das muss noch gehen.
Ich bin es gewohnt, meine Leistungsfähigkeit durch Disziplin zu strapazieren. Jedoch bin ich immer wieder erstaunt, wenn ich meine Grenze erreicht habe. Manchmal nehme ich die Grenze auch erst wahr, wenn die Konsequenzen bereits irreversible Schäden angerichet haben. Gesundheitliche Schäden, emotionale Schäden. Ja, ich bin leidensfähig. Sehr sogar. Leider. Dabei kann ich immer alles rechtfertigen, schön reden und entschuldigen, vor allem bei anderen, die mir so manches abverlangt haben, abverlangen. Verlange ich ja selbst von mir so vieles, da macht das von außen auch keinen Unterschied mehr. Ob die anderen das spüren?
Da ist eine, die geht bis zur Selbstaufgabe über sich hinweg, von der können wir noch was fordern. Die behandelt sich selber schlecht, die will das so.
Ob sich die Frage nach dem Huhn oder dem Ei irgendwann mal klären lässt?

Die Sehnen, das Sehnen. Was ist denn mein großes Sehnen? Ich glaube, ich sehne mich nach menschlicher Wärme. Aber bitte nicht zu viel davon und verzehrbar portioniert. Ich hätte gerne kleine Häppchen ohne Überraschungen, also nicht zu scharf und nicht zu bitter oder salzig. Ohne Sodbrennen und Aufstoßen, ohne andere Irritationen. Das bedeutet im Klartext, ich bewege mich auf der Oberfläche, denn sobald es an die Essenz geht, wird viel heruminterpretiert, erwartet und unterstellt. Da nehme ich mich überhaupt nicht aus.

Ich glaube ja, dass das Geheimnis des Lebens darin besteht, das zu geben, was ich für mich selbst wünsche. Hier schließt sich der Kreis mit der Frage, was denn passiert, wenn ich das mal nicht selber gebe. Wo bekomme ich neuen Sprit? In kleinen Portionen bietet er sich an. Die Sonne am Tag, die Ruhe in der Nacht, ein netter Anruf, das Lächeln eines anderen, eine kleine Aufmerksamkeit oder jemand, der mir einfach nur einen schönen Tag wünscht. Ohne Hintergedanken. Das alles kann ich in mich aufsaugen, wenn ich empfindsam bin. Solange ich noch empfindlich bin, brauche ich ein wenig mehr Schutz als nur meine mentale Burg. Dann brauche ich ein paar echte Wände, die mich abschirmen und eine Decke, die nicht herunterfällt und unter die ich kriechen kann.

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das ist eine sehr existentielle Frage, wie man seine Energien befeuert, wenn man mehr oder weniger alleine lebt. Sehr. Durch die Physiotherapie ist mir klar geworden, wie besonders es für mich ist, berührt zu werden (auf eine behutsame Weise), ohne dass es Streicheleinheiten sind, aber jemand befasst sich aufmerksam mit diesem Wesen aus Fleisch und Blut, fragt nach dem Befinden. Schon vor zwanzig Jahren hat mir eine Physiotherapeutin, die mich wegen meines Trümmerbruchs im Handgelenk behandelte erzählt, dass viele einsame, überwiegend ältere Menschen, immer wieder gerne zur Physiotherapie kommen und die Möglichkeit nutzen, mit jemandem zu sprechen, auch wenn es keinen dringenden medizinischen Befund mehr gibt. Zuwendung. Aber tatsächlich gibt es Heere alleinstehender Menschen in allen Altersgruppen.

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Berührung
Ich bin da schon ein bisschen eigen, von wem ich mich berühren lasse. Körperlich geht das nur, wenn man mich zuvor auch menschlich berührt hat - es sei denn, es handelt sich eine von mir gewünschte Dienstleistung wie Haareschneiden oder Massage. Es gibt so Leute, die sind sehr haptisch und fassen einen ohne Vorwarnung an. Dabei stellen sich mir schon die Nackenhaare auf, wenn jemand in einer Warteschlange zu nah hinter mir steht. Ja, das spüre ich sehr deutlich. Da gibt es so einen siebten Sinn in mir drin, der mit Abstand zu tun hat. Wie bei einer Katze die Baarthaare, so habe ich unsichtbare Antennen, die über meine Körperhülle hinausragen.
Und dann gibt es die Menschen, die ich nicht anfassen will, weil mich etwas davon abhält. Das hat nix mit Körperhygiene zu tun, denn ich bin auch schon mit Obdachlosen in San Francisco beieinandergesessen,, sondern eher mit Seelenhygiene.

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Jetzt wo ich so drüber nachdenke, fällt mir auch wieder diese metoo Debatte ein, wo die Frauen schildern, wie sie in diversen Situationen manipuliert wurden. Und mir fällt meine eigene Situation ein, in der mich ein 25 Jahre älterer Mann geschickt manipuliert hat. Deshalb mag ich wohl etwas empfindlich sein was körperliche Berührung und scheinbare Vertrautheit angeht.

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Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.

https://www.youtube.com/watch?v=43yvS6bPZDs

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<3

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