Dienstag, 30. November 2021
No Matter if You're Black or White
Am Wochenende habe ich mal wieder was erlebt. Fast wie so eine typische Arbeitnehmerin. Ich bin nämlich spät abends mit den öffentlichen Verkehrsmitteln heimgefahren. Das allein ist derzeit schon ein Abenteuer, soll aber hier nicht zentrales Thema des Eintrages werden.

Ich stehe also am Hauptbahnhof auf meine U-Bahn wartend. Vor mir eine Dreiergruppe asiatisch aussehende Männer mit großen Koffern. Kommt ein Mann mittleren Alters, Typ unter Drogeneinfluss leicht enthemmt, kleidungsmäßig eher sportlich jedoch keiner bestimmten Gesinnung zuzuordnen, und spricht die Gruppe an. Ich höre ihn Sachen sagen wie "hey Sushi" und "where you come from Schlitzauge". Die Gruppe reagiert nicht und wendet sich sichtlich verunsichert ab. Der Typ lässt nicht locker, beginnt einen ein wenig mit den Worten "Why you not react?" auf den Arm zu boxen. Da stelle ich mich vor den Provozierenden und die Gruppe, um zu deeskalieren und sage ganz ruhig wiederholend "just go away". Das wiederhole ich mehrmals. Der Typ entfernt sich ein wenig, kommt dann aber wieder zurück. Inzwischen hoffe ich, dass die U-Bahn bald eintrifft, denn so ganz sicher fühle ich mich auch nicht mehr in meiner Haut. Das überspiele ich mit einer Handbewegung und den Worten "just go over there or there". Einer der Männer aus der Gruppe bedankt sich leise und ich erwiedere: "I'm sorry for this". Schließlich trifft die U-Bahn ein, der Typ entfernt sich und einer aus der Gruppe erklärt in bestem Deutsch: "Das passiert überall, nicht nur hier in Deutschland." Und ich bin ein bisschen peinlich berührt, weil ich die ganze Zeit wie selbstverständlich auf englisch reagierte.

Würde die Geschichte hier enden, wäre sie nur ein kleiner Lobgesang auf mein scheinbar mutiges Intervenieren. Solche Handlungen geschehen bei mir ja sehr spontan und vor allem unüberlegt. Als ich an meiner Haltestelle aussteige, bemerke ich, dass der Typ nach mir Ausschau hält und die Bahn ebenfalls verlässt. Offenbar folgt er mir. Zum Glück ist mein Heimweg nicht weit, gut beleuchtet und ich, dunkel gekleidet, plötzlich sehr schnell. Noch nie habe ich die Haustüre schneller hinter mir zugezogen, um danach erst einmal durchzuatmen. An dieser Stelle wird mir nicht nur die Konsequenz meines Handelns bewusst, sondern auch die Macht, die ein Mensch durch scheinbar harmlose Handlungen auf andere ausüben kann. Wenn Sie mich fragen, würde ich allerdings genau so wieder handeln.

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Puh. Also, Respekt, und vielen Dank, und tut mir leid.

(Ich habe es lange nicht mehr mitgekriegt, aber S- oder U-Bahn am Wochende abends ist nicht schön.)

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Hui, ja, Respekt. Ich finde es richtig toll, dass Sie diesen Mut hatten. Ich weiß nicht ob ich mich getraut hätte in derselben Situation. Es ermutigt mich vielleicht ähnlich mutig zu sein bei einem nächsten mal.

Das mit dem Englischsprechen ist mir auch schon passiert und fühlte mich im Anschluss leicht ertappt mit meinen eigenen Stereotypen.

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Da..
... nich für!
Sie kennen die Unterscheidung zwischen einem Helden und einem Dummkopf?
Der Held ist sich über die Konsequenzen bewusst inklusive Angst und tut's trotzdem. Der Dummkopf hat keine Angst, weil er die Konsequenz nicht mit einbezieht. Ich bewege mich mit diesem Erlebnis in zweiter Kategorie.

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Danke,
für Deinen Einsatz. Ich weiß nicht, ob ich so mutig gewesen wäre. Ich bilde es mir zwar ein, aber in manchen Situationen weiche ich zurück und schaue, wo Hilfe geholt werden kann.
Ein gräßlicher Typ.

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Nun, zur Unterscheidung zwischen Mut und Dummheit s. obiger Kommentar. Ich war eher dumm.

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Hui. Beklemmend. Mut rauscht manchmal einfach auf, das Wagnis dahinter verstört einen später. Danke für den Einsatz, aber immer schön vorsichtig bleiben.

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Hätte ich ein Ringelhemd angehabt, wäre wenigstens die Tarnung gesichert gewesen - walk like a Zebra, talk like a Zebra...

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Dieses Phänomen, dass es möglich ist, durch dominantes Auftreten eine Art Machtposition zu etablieren, beschäftigt mich immer wieder und schon sehr lange. Weil es bedeutet, dass Macht über andere zu erlangen, eine Frage des (überbordenden) Willens eines Individums ist, nicht von privilegierter Herkunft oder Protektion.

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Stimmt.
Ich habe das schonmal vor ein paar Jahren ausprobiert, als mich einer nachts im Bahnhof belästigte. Einfach geschrien, er solle sich verpissen. Hat funktioniert. Und schon bin ich nicht mehr Opfer. Das wird übrigens in allen Selbstverteidigungskursen gelehrt.

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