Dienstag, 26. Juni 2012
Cover Up
Letztens war ich zum ersten Mal in Jeddah, Saudi Arabien. Vor dem Abflug habe ich mich zunächst mit den örtlichen Gepflogenheiten auseinandergesetzt, um entsprechend vorbereitet zu sein. Denn wie Tucholsky schon treffend bemerkte, weiss man ja nie, ob man sich anpassen muss oder schon deutsche Touristen vor einem dagewesen sind (s. Tucholsky im Internetz). Also ließ ich brav meinen Fotoapparat daheim, löschte anstößige Bilder von meinem Handy (*) und legte ein Tuch in den Koffer. Dabei musste ich andauernd an dieses wunderbar geheimnisvolle Bild von Frau Allegra denken, das mich so neugierig werden ließ. Ganz nebenbei bemerkt hat sie es aus europäischem Blickwinkel nicht nötig, sich zu verschleiern, denn sie ist wunderschön.

In Saudi Arabien hingegen sieht die Sache anders aus. Dort gilt, wie der geneigte Leser weiß, dass ungeachtet einer Bewertung alles verhüllt wird, was weibliche Anmut erahnen ließe. Und so erwartete uns in der Hotellobby eine Stange mit schwarzen Umhängen - genannt Abaya - und langen Schaltüchern, der Hijab. Am nächsten Tag trat ich meinen Weg nach draussen zum ersten Mal in diesen Kleidungsstücken an.

Die Damen des Nahen Ostens lernen mit Anbeginn der Pubertät, wie die Tücher zu tragen sind. Wir Europäerinnen hingegen stellen uns da reichlich ungeschickt an. Immer wieder rutschte das Tuch von den Haaren oder wurde vom Wind verweht. Ich versuchte verschiedene Wickeltechniken, bis ich schließlich Haarklammern zur Hilfe nahm. Und obwohl ich die zusätzliche Überkleidung zunächst als hinderlich wahrnahm, fand langsam ein innerlicher Wandel statt.

Noch vor einigen Jahren verweigerte ich erfolgreich alle Flüge nach Teheran. Ich war weder bereit, mich zu verhüllen, noch generell den Status der Frauen in diesen Ländern als legitim anzuerkennen. Jetzt, da ich mich verhüllt in der Öffentlichkeit bewegte, machte es mir nicht nur nichts aus, ich begann sogar, diese Verkleidung ein kleines bisschen zu mögen. Sie machte mich auf eine angenehme Weise unsichtbar und gleichzeitig fühlte ich mich doch besonders wahrgenommen. Geneigter Leser, verstehen Sie mich nicht miß. Ich bin immer noch gegen eine regierungsverordnete Unterdrückung des weiblichen Geschlechts - es geht mir nicht um die Hintergründe, sondern um einen kurzen Eindruck, den ich während meines 48 stündigen Aufenthalts gewonnen habe. Sicherlich würde ich mich anders fühlen, müsste ich längere Zeit oder gar den Rest meines Lebens darunter verbringen.

Seltsamerweise sind es vor allem die arabischen Frauen, die peinlich genau auf Verhüllung der anderen achten. Schließlich könnte die andere ihre Männer stehlen. Und dann schwingt vielleicht auch ein klein wenig Neid mit, denn wenn sie ihr Leben lang dieses Versteckspiel und Unterdrückung ertragen müssen, soll es den anderen Frauen nicht besser gehen. Die anderen Frauen sind in dem Falle Tucholskys eingangs erwähnte Deutsche, die es immer wieder darauf anlegten. Ob im Hotel oder im Bus, die Hijab war nicht bei allen Kolleginnen gleichermaßen beliebt. Man zeigte gelegentlich gerne blondes Haar.

Dabei lassen sich mit einem Schleier die Augen so sehr betonen, das schafft kein Lidschatten und keine Wimperntusche. Sehen Sie selbst, wenn Sie es noch nicht getan haben: Beispielbild

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