Freitag, 22. November 2013
Water & Air II
Kurzes update aus dem Datenoff:

Nach nur wenigen Tagen in Neuseeland angekommen. Neues gelernt, z.B. dass sich nicht jede Welle für jede Tätigkeit an Board eignet (Stichwort: persönliche Hygiene oder ähnliche Aktivitäten, zu denen man beide Hände benötigt und keine mehr zum Festhalten hat). Das bedeutet dann im Klartext nicht nur breitbeiniges Stehen mit gebeugten Knien, sondern auch Abwarten, bis die richtige Welle kommt. Es kann sich dabei nur um Stunden handeln. Oder Schlafen mit Seitenneigung. Man rollt dabei immer gegen das sog. Leesegel. Kann auf Dauer ziemlich nervig sein.

Wasser gibt es zwar viel um ein Boot, dafür umso weniger an Board. Bei der Überfahrt wird gespart, weil das Salzwasser nicht gefiltert werden kann. Also wird in Klamotten geschlafen. Das spart sowohl Kleidung als auch unnötige Bewegung. Vermeidet auch blaue Flecken beim Umziehen.

Man hielt mich für verrückt, weil ich unbedingt den Pazifik überqueren wollte. Als wir ankamen hieß es, das wäre die sanfteste Überfahrt seit langem gewesen. Ich bin hin und hergerissen zwischen dem Gedanken, ich sei ein Meeresglücksbringer und der Idee, das würde jetzt nicht als echte Überquerung gelten. Die Wellen haben mir allerdings gereicht.

Nach sechs reinen Seetagen - für drei Tage davor am Riff vor Anker mit nicht weniger Schaukel - sind die ersten Schritte an Land schmerzhaft und unsicher. Ich habe ein zweijähriges Mädchen kennengelernt, das sozusagen auf dem Boot geboren wurde. Sie bewegt sich an Bord mit schlafwandlerischer Sicherheit. An Land stolpert sie allerdings immer mal.

Der Ozean ist weit aber auch nicht so weit wie immer behauptet. Entfernung ist völlig überschätzt. Auch wenn man die Frachter nicht immer sieht, ist man von ihnen und anderen Fischerbooten stets umzingelt. Letztlich stellen sie auch die größte Gefahr für ein kleines Segelboot dar. Einhandsegler in der Nachtwache eingeschlafen und vom Frachter überrollt ist die häufigste Todesursache in Segelkreisen. Meine Nachtwachen waren immer der stetige Kampf gegen die Müdigkeit und schlechte Nachtsicht. Vollmond ist allerdings auch nicht viel besser. Man wünscht sich, es würde endlich mal einer das Licht ausknipsen, um den Horizont besser zu sehen.

Noch was zu Entfernungen: Menschen neigen ja bekanntlich zur Kategorisierung. Entfernung wird also in Kilometer oder Seemeilen wiedergegeben. Dabei ist so eine Reise im Schiff viel mehr als eine Zahl. Diese Zahl schafft es nicht annähernd das wiederzugeben, was es bedeutet, sich Tag und Nacht auf engstem Raum Wellenbewegung und Mitreisenden auszusetzen. Jetzt kann ich die einstigen Entdecker verstehen, die kein Radar oder Karten besaßen und nicht wussten, dass sie am darauffolgenden Tag Land erreichen würden: "Endlich Land! Scheiß auf Indien. Wir nennen die Typen einfach Indianer und fertig!"

Fortsetzung folgt...

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Sonntag, 3. November 2013
Silence
Die starke Versuchung, mir ein traditionelles Südseetatoo stechen zu lassen, führe ich auf allgemeine Midlifeaufbruchstimmung zurück. Die kindliche Freude am Schaukeln des Bootes, am Wasserplantschen und am Leben in der Natur kann allerdings nur hormonell bedingt sein.


Für die nächsten anderthalb bis zwei Wochen wird es technisch bedingt still hier sein.

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Water & Air
Es begab sich aber zu der Zeit der Merkelpräfektur, dass ein kleines Fräulein der Lüfte*) **) zur großen Reise Richtung südlicher Erdhalbkugel aufbrach. Es war unsicher, ob die Herren der Lüfte sie mitnehmen würden. So hatte sie keine andere Wahl, als auf ihr Glück zu vertrauen. Als sie nach einem Tag im Bauch der großen Vögel schließlich das Land der neuen Seen erreichte, hatte sie nur wenig Hoffnung, einen anderen Vogel zur Mitnahme zu bewegen. Es gab nämlich nur kleine Vögel, die niemals viele Reisende auf ihrem Weg transportierten. Doch die Götter waren ihr hold und ihre Gebete wurden erhört. Am selben Tag plante das Oberhaupt des Königreichs Tonga eine Reise mit gleichem Ziel und so wurde ein großer Vogel ausgesandt, um den König und das kleine Fräulein der Lüfte gleichsam auf die Insel des Oberhauptes zu fliegen. Das kleine Fräulein der Lüfte war sehr froh, wenn sie auch dem König nicht von Angesicht zu Angesicht begegnete. Auf der Insel des Königs dachte das kleine Fräulein der Lüfte an die Geschichte, die zu dieser Reise führte.

Vor vielen Jahren, als das kleine Fräulein der Lüfte nämlich noch ein Fräulein der Klänge war, lernte sie einen Barden kennen, der auf dieser Insel geboren war und in seiner Jugend für den König gesungen hatte. Das kleine Fräulein war so fasziniert vom Gedanken an diese Insel, dass sie fortan vom Besuch dieses fernen Inselreichs träumte. Sie suchte den Ort auf einer Karte und studierte ein Schriftstück über das Königreich. Einige Zeit später wurde aus dem Fräulein der Klänge ein Fräulein des Meeres. Sie hoffte, auf diese Weise eines Tages zur magischen Insel zu gelangen. Doch die Götter hatten andere Pläne, und so sollte das kleine Fräulein der Lüfte noch viele Jahre warten, bis es endlich die Insel des Königs besuchen konnte.

Inzwischen war das kleine Fräulein der Lüfte älter geworden und setzte alles daran, nicht nur zu träumen, sondern auch ihre Träume wirklich werden zu lassen. So bestieg sie ein Schiff, das ihr tagsüber als Heim diente und sie nachts in den Schlaf schaukelte. Nach einer Woche auf der magischen Insel brach sie mit den Schiffsbesitzern auf, um zum Land der neuen Seen auf dem Wasser zurückzukehren. Viele hatten sie gewarnt, denn diese Reise sei durch Wind und Wellen recht ungemütlich, ja gar gefährlich. Manch einer nannte sie töricht, sich auf das Abenteuer einzulassen. Schließlich nahte der Tag der großen Überfahrt und das kleine Fräulein der Lüfte war schon sehr aufgeregt. Sollten ihnen die Meeresgötter hold sein und sie die Überfahrt unbescholten überstehen, würde das kleine Fräulein der Lüfte nämlich bald von den Göttern geadelt. Jeder Sterbliche, der sich den Herausforderungen eines Elements stellt und den Widrigkeiten standhält, wird in den Stand der Halbgötter gehoben oder aber verdammt, wer sich davonstiehlt. Das kleine Fräulein hatte schon in ihrem Leben Begegnungen mit Wasser und Luft gemeistert. Auch dem Feuer und der Erde war sie mutig gegenübergetreten. Nun sollte sich also beweisen, ob sie der Herausforderung des Meeres gewachsen war. Ob das kleine Fräulein das Land der neuen Seen erreicht hat oder ob sie vom Ozean verschluckt wurde, erfahrt ihr aber ein andermal.


*)Fräulein der Lüfte: chinesische Übersetzung für Flugbegleiterin

**)Nachtrag: Das ist jetzt bisschen peinlich aber eigentlich lautet die richtige Übersetzung Fräulein in der Mitte von Nichts, nur so funktioniert die Geschichte jetzt nicht mehr. Allerdings fühle ich mich hier auf dem Meer auch ein wenig wie in der Mitte von Nichts.

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Mittwoch, 23. Oktober 2013
Tageblog 23.10.2013 - Vorbereitung
Nur noch wenige Tage bis zur Abfahrt und anderthalb mehr bis zur Ankunft. Ich bin aufgeregt, was mir seit der Berufsfliegerei nicht mehr passiert ist. Schwieriger als die Frage, was ich mitnehme, ist, was ich nicht mitnehme. Denn neben dem Üblichen müssen auch wassertaugliches Schuhwerk und Wärme- bzw. Regenbekleidung in den grossen Faltkoffer, sowie einige Tüten Gummibärchen für die Weltumsegler und andere Mitbringsel. Wie kleidet man sich, wenn man ständig Salz und Wind ausgesetzt ist? Und noch wichtiger, wohin mit dem Flugoutfit? Das versteht jetzt wieder keiner. Also bei uns ist das so: wer nicht den vollen Flugpreis zahlt, soll möglichst anständig gekleidet sein. Keine Jeans, keine Turnschuhe und schon gar kein Rucksack. Folglich muss ich genauestens disponieren, was ich wohin packe und wie ich damit eine möglichst gute Figur mache. Luxusprobleme, ich weiß. Aber ich will gut vorbereitet sein und zwar für alle Eventualitäten. Das Baströckchen kriege ich notfalls auf Tonga, genau wie Zehentreter und Schwimmflügel. Was ich dort nicht bekomme, ist angeblich Earl Grey Tee und Zitronensirup. Muss also auch ins Gepäck. Die Schmusedecke bleibt diesmal daheim. Ich werde sie vermissen.

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