Samstag, 30. Mai 2020
Tageblog 29.5.20 - Die dunkleren Tage


Hübsche U-Bahnstationen haben wir hier. Das fiel mir gestern in der U3 auf dem Weg nach Moosach auf. Die vom Olympia-einkaufszentrum und vom Moosacher St. Martinsplatz sind auch sehr apart. An der Endstation holte ich ein paar Schüsseln bei einer Freundin ab, die letzte Woche mit Salat gefüllt dort geblieben sind. Wir haben nicht im Garten gegrillt und ich aß auch nichts vom Salat aus der Schüssel aber das ist eine längere Geschichte, die nur ein bisschen mit Nahrung als Platzhalter für Fürsorge zu tun hat.

Durch seine Auszeit bedingt vermisse ich Christian. Ich glaube, er ist derzeit in seinem Umfeld gut aufgehoben, im Gegensatz zu anderen Beispielen aus der Vergangenheit (*). So habe ich ein wenig darüber nachgedacht, wie das ist, wenn man plötzlich auf die dunkle Seite kippt, in der es keine erkennbaren Lichtstrahlen mehr gibt. Das muss nicht zwingend im Suizid enden, tut es aber leider doch in manchen Fällen. Für einen schwer zu revidierenden Energieverlust reicht schon, für längere Zeit dort zu verweilen. Was ich bei mir selbst sehr deutlich beobachtete, ist ein point of no return. Ist der überschritten, kann ich kaum noch initial um Hilfe bitten, geschweige denn Hilfe annehmen. Weil mich kenne, sende ich vorher Signale, die so unspezifisch klingen wie beispielsweise: "Ja, es geht mir nicht gut und ich würde gerne kommunizieren aber macht Euch bitte keine Sorgen, weil SO schlecht geht's mir auch wieder nicht und falls Ihr keine Zeit habt, ist das Ü-BER-HAUPT kein Problem, weil ich ja drüber steh' und das im Griff habe aber falls Ihr doch Zeit hättet, so zwischen Eurem gut organisierten Alltag und vorbildhaften Leben, dann wär's echt toll, Ihr würdet Euch mal bei mir melden, wobei ich vielleicht eher nicht reden möchte." Mal ehrlich, die Message versteht doch keiner. Leider geht das manchmal aber nicht deutlicher, denn ich will mir das so schlecht geht's mir nicht ja auch glauben und vor allem, dass ich den Rückweg ganz alleine schaffen kann. Der Weg selbst ist unvermeidbar, macht aber ganz schön Angst, weil man sich so verloren fühlt.

Es soll hier nicht um Ursachen gehen, sondern um die Angst vor der Isolation im Verhältnis zu den Reaktionen von Beobachtenden. Mit ungebetenen Ratschlägen ihre eigene Angst maskierend, sprechen sie mir nicht nur meine ureigene Selbstwirksamkeit, sondern auch das Anrecht auf den Zustand per se ab. Die Hoffnungslosigkeit vermeiden, wegreden oder auflösen hat noch nie funktioniert, sehr wohl aber zuhören, da sein und zeigen, dass was sich wie ein von der Welt fallengelassen anfühlt, nicht zutrifft. Ein paar Zeilen, eine Nachfrage, ein kleines Zeichen, all das bleibt in tiefer Nacht meist unbeantwortet, jedoch nicht ohne Wirkung. Womit wir beim Knackpunkt wären. Es geht halt nicht um Rationales, sondern um Emotionen.

Leider gibt es nicht viele Menschen, die unangenehme Gefühle auszuhalten in der Lage sind. Meistens sind es die, die selbst durch ein paar Täler gehen mussten und wissen, dass es keine Abkürzungen gibt und keine Erklärungen, man aber sehr wohl dahinter wieder Horizont sieht. Die Phase selbst ist es nicht alleine, die das Sein so schwer macht, sondern vor allem der innere Widerstand gegen die Sinnlosigkeit. Gleichzeitig sehnt sich die Seele am Abgrund nach Ruhe, nach Verbindung und Halt. Ich habe ein bisschen gebraucht, um das zu verstehen. Wenn sich ein Freund von mir dort befindet, gehe ich zu ihm und wir sitzen. Er erzählt, wenn er will und wenn nicht, dann schweigen wir eben. Man kann übrigens auch am Telefon schweigen. Rückmeldung gibt es fast nie, ich weiß also nicht, ob ich was richtig mache. Das ist auch erst mal zweitrangig, weil es nicht um mich geht. Er tut übrigens, falls nötig, das Gleiche für mich. Weil er von sich weiß, dass es funktioniert, weshalb ich es auf diese Weise auch weiß.

Wochenenden und Feiertage fallen mir übrigens gerade besonders schwer. Ich ziehe also die Decke über den Kopf und lasse das Telefon zur Sicherheit mal in der Nähe. Wenn sich der Himmel zuzieht, ist die Unendlichkeit in einem selbst. Manchmal wird ein Sturmtief auch weniger schlimm als angekündigt. Zur Not fahre ich zum Freund gemeinsam im Garten sitzen. Wir grillen aber nicht und essen auch keinen Salat. Nur die Schüsseln, die sollte ich langsam wieder abholen.





(*) das Ereignis, das Viele aus meiner Blogwelt - auch mich - erschütterte und das sich jährt.

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Änderungen
Ich habe den Text innerhalb der letzten Stunde jetzt so oft verändert, dass ich fürchte, er ist inzwischen Einheitsbrei. Denn eigentlich wissen wir alle, worum's geht. Es ist nur so schwer zu beschreiben, ohne in Verallgemeinerung und Relativierung abzugleiten.

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🎈

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Am Montag ...
... soll das Wetter schön sein. Radle nach Untermenzing?

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Ich bin froh, dass Sie diesen Freund haben.

Manche beißen ihre Freunde auch weg und massakrieren die Freundschaft, dass sie auf dem Höhepunkt der Krise allein sind.

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