Mittwoch, 26. September 2007
In a sentimental mood
Ich habe einen Ring. Nein, ich hatte einen Ring. Jetzt hat ihn Ping, die kleine Chinesin auf dem Flug nach Shanghai. Sie war so fasziniert von dem Stein, der seine Farbe wechselte, dass ich ihn ihr zum Schluß in die Hand drückte. Mood-Ringe waren in den Siebzigern populär, also vor ihrer Zeit, und sie hatte noch nie davon gehört. Während er an meinem Finger vorwiegend blau oder grün war, wechselte er an ihrer Hand schnell nach gelb und violett.

Im Grunde trage ich fast nie Ringe. Sie fühlen sich wie Fremdkörper an, man bleibt ständig mit dem Stein irgendwo hängen und muss daran denken, ihn nach dem Händewaschen nicht liegenzulassen. Warum ich ihn ausgerechnet zum Arbeiten trug, weiß ich nicht mehr genau. Manchmal ist ein Gegenstand für eine Person bestimmt. Frauen wissen das. Frauen kennen das Gefühl, ein bestimmtes Paar Schuhe oder ein Kleidungsstück trüge ihren Namen. Bei Männern bin ich mir nicht ganz sicher. Gibt es Bohrmaschinen, die so gut in der Hand liegen, dass man sie einfach haben MUSS? Ich kenne Männer, die so gut in der Hand liegen... aber ich weiche ab.

Der Ring war für Ping bestimmt. Ich war nur Überbringer. In meinem Besitz war er etwa drei Wochen, bevor er seiner Bestimmung zugeführt wurde. Wie er zu mir kam, ist eine andere Geschichte. Vielleicht ist auch Ping nur Überbringerin, wer weiß. Auf jeden Fall hat sie jetzt eine Weile Spaß damit. Jeder Farbwechsel löste Staunen und kindliche Freude bei ihr aus. Keine Sekunde ließ sie den Stein aus den Augen. Hoffentlich schläft sie trotzdem nachts.

Ich wußte, sie wäre viel zu bescheiden, um dieses Geschenk anzunehmen. Also habe ich ihr den Ring einfach für einige Stunden angesteckt. Als sie ihn zurückgeben wollte, schüttelte ich den Kopf. Vielleicht werde ich sie wieder treffen. Dann kann sie mir ihre Stadt zeigen. Oder eine andere Person schenkt mir etwas, das ich gerne hätte. Nicht dass hinterher noch einer meint, ich sei altruistisch.

Das Leben ist ein einziger großer Automat ohne Beschriftung. Man steckt oben was rein, drückt einen Knopf und irgendwas kommt unten raus. Vorausgesetzt, er klemmt nicht. Sonst tritt man einmal ordentlich dagegen, flucht ein bisschen und probiert's nochmal. Oder lässt es bleiben. So einfach ist das. Nur manchmal, da kommt was unten raus, was man nicht so gerne hätte. Dann sollte man schleunigst den Automaten wechseln. Vielleicht ändert sich dann auch die Farbe.

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Ich trage auch keine Ringe. Bis auf das Fangeisen, das mir im zarten Alter von 21 offiziell aufgesteckt worden ist. Nach Ablauf der obligatorischen 7 Jahre (!) wollte ich mir das Ding durch die Nase ziehen lassen, da war es weg.

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Das größte Geschenk aber ist Deine abschließende Lebensallegorie, vielen Dank!
(Das Leben ist eine einzige große Allegorie: Ständig erinnert es einen an irgendwas wirklich Praktisches, aber kurz bevor man draufkommt, findet man einen anderen Vergleich.)

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Ui, das mit dem Automaten ist groß! Besten Dank und übersteh den inneren November vom vorigen Beitrag gut.

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das doofe ist, ich drück immer die taste für gummibärchen und dann krieg ich garantiert eklige chips oder bifi oder sowas. auch nach dem hundersten mal investieren und mit ganz viel chips und bifi in den taschen schmeiß ich noch den letzten groschen rein wegen verdammter gummibärchen. dummheit oder hoffnung, manchmal ist beides genau dasselbe.

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Das mit dem Automaten gefällt sehr, passt auch schön zum vorherigen Beitrag mit dem Universum. Mein Blogvater wird sich auch oft genug denken, an welcher Taste er sich geirrt haben könnte, als er mich unten in den Händen hielt...

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Schön! Danke! :)

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