Dienstag, 21. März 2006
These were the times
An manchen Morgen fühlt sich alles ein wenig wattiger an als sonst. Nach dem Aufstehen muss der Mensch erst mal essen, also mache ich mich auf Nahrungssuche. Da kein Jäger und Sammler in meinem Kühlschrank Beute hinterlassen hat, probiere ich die Kombination von Möweneiern mit Makrelenfilets. Möweneier hat Lyssa aus Hamburg mitgebracht - der Vogelgrippe zum Trotze. Die Makrelendose habe ich im Supermarkt selbst gejagt. So ist das nämlich in dieser modernen Welt. Da haben Jäger und Sammler aus fadenscheinigen Gründen Angst, sich auf ein bestimmtes Weibchen festzulegen und nur für dieses zu sammeln. Also müssen die Weibchen selbst jagen und sammeln gehen. Das wiederum macht den Jägern und Sammlern erst recht Angst, weil sie dadurch ihrer angeborenen Aufgabe enthoben sind. Ein Riesendilemma ist das!
Auch andere Schemata funktionieren nicht mehr so wie früher. Als ich zum Beispiel die Makrelendose im Supermarkt erbeutete, wollte der Kassierer partout nicht auf mein Fortpflanzungsangebot eingehen. Stattdessen verlangte er Geld. Dabei war es schon sehr schwer, die Makrelendose überhaupt zu erlegen. Erst einmal war ich hinter einem großen Einkaufswagen auf Lauer, schob ihn als Deckung langsam vor mir her und spähte über seinen Rand. Von Dosen weit und breit keine Spur. Minutenlang drehte ich immer größer werdenden Runden in meinem Revier, schaute links und rechts, doch die Dosen hatten sich an diesem Tag besonders gut versteckt. Da tauchte die erste Fischdose auf, doch plötzlich schob sich ein dicker Weibchenhintern zwischen mein Fadenkreuz und die anvisierte Beute. Ich näherte mich langsam von hinten, schlich um das Weibchen herum und baute mich schließlich demonstrativ neben ihr auf. Sie schien mich dennoch nicht zu bemerken, denn ihre Witterung war eindeutig auf Fisch fixiert. Normalerweise beachte ich auch die Windrichtung. Man darf nämlich nie mit dem Rücken im Wind stehen, denn der Geruch verrät die Anwesenheit eines Jägers und die Beute verschwindet auf Nimmerwiedersehen. In diesem Fall verschwand sie im Einkaufswagen des dicken Weibchens. Ein Blick ins Regal zeigte mir, dass sie die letzte Dose ergattert hatte. So blieb mir nichts anderes übrig, als in ein neues Revier einzudringen.

Das war allerdings alles andere als einfach. Mal ganz abgesehen von den Revierkämpfen, die ich clever umging, muss man erst mal ausfindig machen, an welchen Orten sich die beste Beute versteckt. Das kostet Zeit und Energie. Wenn man dann noch Junge im Nest warten hat, kann das eine Frage von Leben und Tod bedeuten. In meinem Fall ging es eher um mein Überleben als um das meiner nicht vorhandener Brut. Aber man ist sich selbst ja der Nächste, vor allem in der kalten Jahreszeit. Da sollte man sich sowieso nicht zu lange der Kälte ungeschützt aussetzen. Der Hunger trieb mich an und so hatte ich recht schnell entsprechende Beute erhascht. Auch das Ritual an der Kasse überstand ich mehr oder weniger ohne nennenswerte Blessuren. Nur einen kurzen Moment zögerte ich, als mir ein fremder Jäger anbot, mich an den Haaren in seine Höhle zu zerren. Schließlich lehnte ich freundlich aber bestimmt ab. Vielleicht lag es aber auch an der kleinen Keule, die er mit sich führte. Mit so was kann der doch keinen Hund hinter dem Ofen vorlocken. Manche Jäger sind einfach zu sehr von sich überzeugt. Oder es ist einfach bei mir gerade keine Paarungszeit, wenn Sie verstehen, was ich meine.

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