Freitag, 16. Februar 2007
If you can make it there, you'll make it everywhere (2)
Den Laden zu finden, wo ich meine alte Lieblingsjeans erworben hatte, ist folglich die Aufgabe, die ich mir diesmal in New York stelle. In der Zwischenzeit sind wir in einem anderen Hotel untergebracht. Ich erinnere mich, dass die Zimmer in der alten Unterkunft so klein waren, dass man den Koffer zuklappen musste, um Zugang zum Badezimmer zu haben und dass ich mich bei meinem letzten Aufenthalt dort wunderte, warum das Frühstück für Crewmitglieder plötzlich gratis war. Die Begründung dafür und für den Umzug lautete, bei einem Brand in den unteren Stockwerken hätte die Alarmanlage versagt und die Kollegen seien nicht geweckt worden. Vielleicht habe ich deswegen den Namen des Hotels verdrängt.

Es muss irgendwo in der Nähe des Empire State Buildings gewesen sein, soviel weiß ich noch. Einmal liefen wir abends nach der Ankunft auf der Suche nach einer Kneipe an der Warteschlange vorbei. Zu spät, um sich einzureihen, denn die Besucherplattform schloß eine Viertelstunde später. Wir aßen Hühnerflügel und tranken dazu Bier aus Kübeln. Ich weiß nicht mehr, ob ich mitgetrunken habe, weil ich Bier nicht mag. Der Copilot - ein Schwabe - meinte, es sei billiger, wenn wir einen Kübel für alle bestellen. Vermutlich habe ich dann doch mitgetrunken. Als wir die Kneipe verließen, fuhr eine von vielen Stretchlimousinen vorbei, die man mieten kann. Ich sagte, ich würde gerne mal mit so einem Ding fahren. Wir erkundigten uns nach dem Preis. Als der Copilot zögerte, überredete ich ihn mit dem Argument, jeder - auch ein Schwabe - müsse mindestens einmal in seinem Leben mal in so einem Ding gesessen haben, und durch vier geteilt sei die Summe für jeden erschwinglich. Also fuhren wir in der Stretchlimo einmal um den Block und freuten uns wie die Schneekönige.

Schätzungsweise 15-20 Blocks lege ich nach Süden in besagte Gegend zu Fuß zurück. Ich habe schon kältere Winter in Manhattan erlebt, doch der Wind treibt die Kälte auf unangenehme Art durch Stoff und Poren, bis sie in den Knochen steckt. Ich kann mir vorstellen, wie es kürzlich Herrn nff ergangen sein muss. Manhattan ist leicht zu Fuß zu erkunden, wären da nicht die vielen Ampeln, die ständig rot leuchten, sobald ich eine Straße überqueren will. Am Anfang warte ich brav auf Laufbefehl, den andere Passanten zu ignorieren scheinen. Das Einbahnstraßensystem ist relativ einfach zu überblicken. Nach ersten zaghaften Versuchen, Straßen bei rot zu überqueren, ohne sofort verhaftet zu werden, gewinne ich mehr Sicherheit. Schließlich genügt ein Blick nach rechts oder links. Nach einer Weile spüre ich weder Kälte noch Müdigkeit. Der sogenannte Laufflash hat eingesetzt. Meine Beine bewegen sich ganz von alleine. So kann ich stundenlang gehen.

Ich grase das Gebiet in einer Art Slalom zwischen fünfter Avenue und Broadway Richtung Times Square ab. Unter Wasser scheint das System erfolgversprechender als bei der Suche an Land. Sowohl das Hotel als auch der Laden scheinen wie vom Erdboden verschluckt. Immerhin sind inzwischen vier Jahre vergangen. New York Jahre sind wie Hundejahre. Die Stadt verändert sich permanent. Ich führe meinem schockgefrosteten Körper warme Flüssigkeit aus einem Pappbecher zu. Das und die Beherrschung des Ampelsystems lassen mich für einen ganz kurzen Augenblick wie ein echter New Yorker fühlen. Spätestens als an der nächsten Straßenecke ein Passant um Auskunft bittet, ist das Gefühl schlagartig verschwunden. I'm not from here, sagt die Dame neben mir und ich schaue ganz schnell weg - nach oben - damit er die Frage nicht noch einmal an mich richtet.

Dieser verflixte Laden ist unauffindbar. Noch gebe ich mich allerdings nicht geschlagen. Jeans kann man schließlich überall kaufen. Da gibt es dieses Kaufhaus, von dem M. letztens sprach. Vor ein paar Monaten habe ich es gesucht und nicht gefunden. Sie hatte sich um zehn Blocks geirrt. Diesmal habe ich extra nachgeschlagen. So mache ich mich auf den Weg 30 Blocks Richtung Norden.

[to be continued...]

... link (2 Kommentare)   ... comment