Dienstag, 31. Juli 2007
I know a whoopee spot where the gin is cold but the piano's hot
"N' Abeeend!" tönt eine männliche Stimme hinter der Bar, die jeder beim Betreten des Lokals zu hören bekommt, egal wie hoch der sonstige Geräuschpegel ist. Und der ist heute sehr hoch, nicht weil es draußen so kalt ist, sondern weil das 'Vogler' Jubiläum feiert.

Heute vor zehn Jahren eröffnete Thomas Vogler seine in München einzigartige Jazzbar. Es mag nicht das einzige Lokal mit Livemusik sein, zweifelsohne ist es aber das einzige, das Livejazz auf hohem Niveau mit moderaten Preisen und einer Wohnzimmer-Club-Atmosphäre verbindet. Damit hat Thomas Vogler sein selbsterklärtes Ziel erreicht.

Um Mitternacht stimmt Peter Tuscher, der die heutige Jamsession leitet, mit seinen Musikerkollegen einen [Achtung Kalaueralarm!] 'Tusch' an. Der Inhaber wird auf die Bühne gebeten. Nach den üblichen Danksagungen plaudert er ad hoc über die kleinen und großen Schwierigkeiten. Von Problemen mit der Brauerei ist da die Rede. Das sei, so Vogler "wie in einer guten Ehe. Erst wenn man kurz vor der Scheidung steht, weiß man, was man aneinander hat." Was lapidar klingt, war in Wirklichkeit nicht so harmlos. Der Laden stand damals kurz vor dem Aus, als Hilfe von offizieller Seite eine weitere Existenz sicherte. Von einem Abend ohne Band erzählt er und dem "Flash" von dem er sich erst nach einer Stunde erholte, weil er an jenem Abend von einem Kinobesuch kommend die Filmband Abend für Abend im leeren Lokal spielen sah, sein eigener Laden jedoch ohne Band gerammelt voll war.

Die Pointe eröffnet sich nicht allen Gästen. "Wovon redet der da?" höre ich meinen Nebenmann sagen "... ganz schlechte Rede." Die Mitarbeiterin hinter der Theke verteidigt ihren Chef mit den Worten "Das ist schon richtig gut. Hättest ihn mal damals beim... hören sollen." und fügt noch lakonisch hinzu "Dabei hat er das gelernt." Was er tatsächlich gelernt hat und wie er schließlich, von "Tuten und Blasen keine Ahnung", denen einen Rahmen schuf, die es gelernt haben, liest sich wie eine typische Aussteigergeschichte. Mit dem kleinen Unterschied, dass Thomas Voglers Bauchgefühl seit zehn Jahren den Geschmack des Publikums trifft.

Montags treffen sich hier regelmäßig die Musiker der Stadt zur Jamsession. Jeder bekommt eine Chance. Wer die allerdings vergeigt, wird nicht mehr so schnell ein Bein auf die Bühne stellen. So ergeht es wohl auch einem Schlagzeuger, über dessen fehlendes Rhythmusgefühl im Anschluß fachmännisch an der Bar lamentiert wird. Ein anderer stadtbekannter Musiker ist bei nahezu jeder Jamsession dabei, trinkt das obligatorische Freibier für Darbietende und verlässt danach das Lokal. Die Mär vom mittellosen Künstler trifft in seinem Fall zwar nicht zu aber eine Jacht kostet eben auch Unterhalt. Zu Zeiten als ich noch fleißig Saxophon übte, wäre ich gerne einmal dort eingestiegen, traute mich aber nicht so recht. Auf meinen formulierten Zweifel erwiderte Thomas Vogler nur "Spiel halt sonntags hier, da haben wir geschlossen."

Wo ich sonst so hingehe, fragt mein Gesprächspartner, ebenfalls ambitionierter Hobbyjazzer und Sessionteilnehmer. Im Grunde gehe ich nicht oft weg. Mich langweilt das Pradatäschchen gassiführende Münchner Publikum, das nicht in der Lage ist, mit seinen Mitmenschen in Kontakt zu treten. Im Vogler ist das anders. Hier saß ich noch nie den ganzen Abend wortlos vor meinem Glas, wenn auch die Begegnungen manchmal seltsamer Natur waren. Und die, die nicht reden mögen, lassen sich von der Musik unterhalten. Ich weiß nicht wie er es macht aber etwas macht Thomas Vogler wohl richtig, denn sonst gäbe es die Jazzbar schon lange nicht mehr. Und München wäre um eine Attraktion ärmer.

Jazzbar Vogler
Video über die Bar

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