Montag, 2. September 2019
Smalltalk Fails
Wenn Passagiere in höheren Reiseklassen buchen, bezahlen sie gemeinhin viel Geld. Diese Kosten sind nicht in gastronomischer Qualität aufzuwiegen, auch wenn das viele Schnäppchenjäger meinen. Es gibt immer wieder Beispiele, die gerne in höheren Klassen reisen aber die niedrigste bezahlen möchten. Das häufigste Argument ist dann, sie würden auch nichts essen. Das ist uns jedoch relativ gleichgültig. Zum einen ist die Qualität der Speisen in den günstigen Klassen ebenfalls vergleichsweise hochwertig, zum anderen gibt es weitaus mehr Serviceleistungen, für die die Kundschaft mehr zu bezahlen bereit ist, beispielsweise Platz und Komfort bei der Abfertigung oder die persönliche Zuwendung.

Diese persönliche Zuwendung reicht von Smalltalk bis unbürokratischer Hilfestellung im Umgang mit aufgetretenen Ärgernissen. Natürlich helfen wir auch denen, die weniger bezahlen, nur muss dort der zeitliche Aufwand und etwaige Ersatz- oder Entschädigungsangebote vergleichsweise niedriger ausfallen. Und dann gibt es diese Menschen, die so häufig fliegen, dass sie öfter mit Angestellten der entsprechenden Airline als mit eigenen Angehörigen und Freunden sprechen. Viele davon haben nicht einmal die Zeit, Freundschaften zu pflegen. Die sprechen meist sehr gerne mit mir, und es ist immer ein großes Hallo, wenn man sich erneut begegnet. In diese Gespräche flechte ich situationsbedingt schon mal die ein oder andere persönliche Erfahrung ein.

So auch letztens als ich dem Ehepaar, das auf dem Weg in die sizilianischen Ferien war, etwas über's Segeln erzählte und meinte, Segeln sei die teuerste Art unbequem zu reisen. Daraufhin meinte der Herr nur trocken: "Wir besitzen ein Segelboot." Ich glaube nicht, dass ich die Konversation noch geschickt mit der Bemerkung, dass auch der Unterhalt für Segelboote sehr teuer sei, herumreißen konnte. Wer für mehrere tausend Euro fliegt, der rechnet den Unterhalt eines Segelbootes von den Spesen ab. Nicht meine Welt, weshalb es mir schwer fällt, mich darin zurechtzufinden. Die Kollegin wiederum, der ich diese Geschichte erzählte, berichtete von einer Familie mit unzähmbaren Kindern an Bord. Die Mutter entschuldigte sich mit der Bemerkung, man würde normalerweise nicht in so großen Flugzeugen reisen, worauf die Kollegin viel Verständnis für die arme Familie aufbrachte und den Kindern die Welt des Fliegens zeigen wollte. Was die Mutter aber eigentlich meinte, war, dass sie normalerweise mit einem kleinen Flugzeug ihrer Armada an Privatjets reist, mit denen man allerdings keine allzu langen Strecken fliegen kann.

Die Kollegin schämte sich ein bisschen für ihre Naivität. Und für mich war das wieder eine Bestätigung meiner These, dass wir alle immer von uns selbst ausgehen, es aber viel Übung kostet, sich in eine andere Welt hineinzuversetzen. Das bezieht sich übrigens auf jede andere Person, denn jeder Mensch ist ein eigenes kleines Universum.

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