Mittwoch, 18. März 2020
Tageblog 18.3.2020 - Reichweite
Diese Tage bin ich nicht mehr oder weniger aktiv als an anderen in der Vergangenheit. Nur manchmal denke ich, ach, lass mal schnell in die Innenstadt und was besorgen, bis mir wieder einfällt, ach nee, Corona und so. Meine Aktivität hat mit Menschen zu tun und online. Klar, wo man doch nicht nah oder so richtig daneben oder gegenüber soll. Andererseits möchte ich nicht darüber sprechen - weder über das Projekt noch über Viren. Macht aber nix, denn hier habe ich sowieso keine besonders große Reichweite. Anders ist das auf FB, da habe ich einen Haufen sogenannter Freunde, von denen ich aber heute einigen aufgrund Verlinkung diverser Verschwörungstheorien die Freundschaft kündigen musste. Getreu dem Motto 'ich habe keine Angst vor einem Virus, sondern vor der Reaktion der Menschen', um mich mal selber zu zitieren.

Mein erster echter Sozialkontakt war heute der Zählerableser, der den Wasserzähler austauschte. Den begrüßte ich sehr professionell mit Winken aus 1m Abstand an der Wohnungstüre. Das mit dem Abstand wurde dann aber bisschen schwierig im kleinen Badezimmer. Also bin ich raus und habe den Mann arbeiten lassen. Als er nochmal kam, um eine passende Abdeckung nachzuliefern, kannten wir uns schon und konnten das mit dem Abstand ignorieren. Kleiner Scherz, ich weiß natürlich, dass das Quatsch ist.

Weitere Sozialkontakte pflegte ich heute nur fernmündlich. Die fliegende Freundin berichtete von ihrem Mann, der heute erneut aus Wien anreisen musste, um irgendwelche Urlauber aus Hurghada zurückzubringen. Sie war übrigens selbst dienstlich erst letztens aus Italien zurückgekehrt. Im Hotel sperrte man nach Abreise der Crew die Türe zu und von Passagieren wurde sie als Heldin tituliert. "Muss man sich auch erst dran gewöhnen", meinte sie "nachdem man sonst immer nur wegen Verspätung und Handgepäcksregeln beschimpft wird". Ja, die Ausübung unseres Jobs hat gelegentlich masochistische Züge. Beim zweiten Telefonat wurde mir berichtet, ich bräuchte die Welt nicht zu retten, da mein Gesprächspartner das "nach acht" übernähme. Jetzt bin ich mir sicher, dass es weitergeht, weil er bisher bei allen Dingen sehr zuverlässig arbeitete.

Meine Recherche hat ergeben, dass nicht nur Apotheken und Lebensmittelläden geöffnet bleiben, sondern auch Akku- und Fahrradläden. Die arbeiten mit Sondergenehmigung zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens. Klar, der Pizzalieferdienst brauchen ja funktionierende Zweiräder und die Bevölkerung Energiequellen. Ob Eisdielen auch zur Aufrechterhaltung eines geregelten Ablaufes dienen, weiß ich nicht, es scheint aber für viele Stadtbewohner wichtig zu sein - jetzt wo die Temperaturen steigen. Warten wir mal ab, wann das erste Freibad öffnet.

Huch, schon wieder Abend. Ich habe den Eindruck, die Tage werden kürzer statt länger. Ob das wohl mit dem seltsamen Virus zu tun hat? Sicher ist nur Korelation, die aber in den Köpfen gerne zur Kausalität gemacht wird. Insofern sind Menschen halt doch die gefährlichere Spezies.

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