Donnerstag, 24. Februar 2022
Freedom

Living alone as a woman is not just a luxury but a refusal to bend into the shape of patriarchal assumption and expectation.


Helena Fitzgerald schreibt im verlinkten Artikel über's Alleinsein. Fast mein ganzes Leben lang fühlte ich mich seltsam unvollständig. Nicht nur weil ich allein lebte, sondern vor allem, weil ich es als Frau tat. Da war die Großtante, die sich nach Verwitwung und gescheiterter, kinderloser Ehe ein schönes Leben machte. Hat sich die Gebärmutter entfernen lassen, damit sie ihren Spaß haben kann, so die Meinung in der Familie. Die mitschwingende Verachtung habe selbst ich als Kind begriffen. Da war die geliebte Oma, die nach dem Krieg den gefallenen Mann betrauerte und offiziell nie wieder liiert war. Die Bilder in der alten Kiste und die Trauer um die durch die Krebsoperation verlorene Brust sprachen für sich. Kurzum ich lernte als Kind, dass man als Frau allein entweder bedauernswert oder aber verrucht wäre. Inzwischen habe ich mich damit versöhnt, dass meine Lebensweise für die Gesellschaft - immer noch - suspekt zu sein scheint.

"Women who live alone are objects of fear or pity, witches in the forest or Cathy comics. Even the current cultural popularity of female friendship still speaks to how unwilling we all are to accept women without a social framework; a woman who's "alone" is a woman who's having brunch with a bunch of other women. When a woman is truly alone, it is the result of a crisis - she is grieving, has lost something, is a problem to be fixed."

Was sich die Leute eben so unter einer alleinlebenden Frau vorstellen. Ich gebe zu, meine Dreissiger verbrachte ich mit der Vorstellung, wieviel besser es die hätten, die in einer Gemeinschaft oder Beziehung wohnten. Die Sache mit dem grüneren Gras verstand ich nicht, weil ich von klein auf ungewollt und ungewöhnlich viel Zeit alleine verbrachte. Als ich meiner besten Freundin erklärte, wie sehr ich sie um Beziehung und Familie beneidete und wie wenig Grund sie deshalb für ihre depressive Verstimmtheit hätte, war die Freundschaft endgültig am Limit. Ihre Perspektive war mir so fremd wie die eines Marsianers. Nichts hätte ich damals lieber gehabt als eine Beziehung, womit gleichzeitig all meine Probleme gelöst gewesen wären, so zumindest meine Vorstellung.

"The idea that we progress in a clear trajectory from single unit to couple form, and achieve a sort of emotional success by doing so, seems wrong to me. Love is about what we give up when choosing to knit our life against someone else's - to make a home in the shared bed, and enjoy the small talk between bodies within the inhabited space. A paired life is not an aspirational state, but a compromised one. Loneliness is not the terror we escape; it is instead the reward we give up when we believe something else to be worth the sacrifice."

Vor einigen Jahren dämmerte in mir nicht nur die Erkenntnis, dass eine Beziehung für mich inzwischen weniger erstrebenswert wäre als allein zu leben, sondern vor allem jene vom eigentlichen Zweck der Vermehrung und Aufzucht der Brut konträren Formen von Zusammensein. Plötzlich schienen mir sehr viel mehr Formen von Beziehung als die gesellschaftlich anerkannte möglich. Ob mono- oder polygam, ob reine Freundschaften oder Zweckverbindungen, wer ausser mir selbst kann bestimmen, wie ich leben will? So lange weder Involvierte noch ich selbst dabei zu Schaden kommen, darf alles sein. Dass es nicht einfach sein würde, war mir schnell klar.

"Loving someone else, and joining our life with theirs, asks us to sit down with the brutal facts of ourselves, to sift finely between what is true and what we wish were true, in order to understand what we need and what we can offer."

Loslassen wollte ich lernen, weil ich mein Glück nicht mehr von einer Person abhängig machen wollte. Weil ich nicht mehr an die Monogamie glaubte aber für Polygamie zu unsicher war. Da kam einer, mit dem ich sehr viel tollen Sex hatte, der sich auch für meine Person interessierte, sich aber nicht verbinden ließ. Unverbindlichkeit, so verpönt in der Gesellschaft. Ja, ja, diese Männer, die sich nur die Rosinen rauspicken und beim kleinsten Problem verduften. Solche Sprüche hörte ich meist von weiblicher Seite. Zwischen den Zeilen schwingt Bitterkeit mit, wenn sie sich der Verpflichtungen von Kind und Haushalt alleine ausgesetzt sehen, während die Erzeuger an ihren Karrieren basteln und die Wochenenden lieber mit anderen 'Jungs' verbringen. Zwingt die Biologie Frauen etwa dazu, verbindlich zu sein?

Er hat übrigens jedes meiner Probleme mit mir besprochen, nur nicht immer zu meinem gewählten Zeitpunkt. Und mir stellte sich die Frage, ob ich lieber einen Hund hätte, der jederzeit auf Zuruf reagiert, als einen anderen Menschen mit eigenem Willen. Ich kann mir auch die Rosinen rauspicken, denn obwohl ich inzwischen in einem Alter bin, in dem der körperliche Abbau mit natürlichen Mitteln nicht mehr zu vertuschen ist, scheint innere Unabhängigkeit einen unwiderstehlichen Reiz auf andere auszuüben. Bevor ich aber bald noch mehr über meine persönlichen Befreiungsschläge verrate, lasse ich die Dame in meinem Namen das Schlusswort sprechen:


Ain't nothing more dangerous than a woman that is okay being alone (Ton an!)

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