Freitag, 3. August 2007
Isn't it weird. Isn't it strange.
Angenommen, Sie haben etwas getan, das Sie nicht hätten tun sollen. Ihre Freunde haben Sie gewarnt, Ihre Eltern haben Sie gewarnt, Ihre Backwarenfachverkäuferin hat Sie gewarnt, die Katze Ihres Nachbarn hat Sie gewarnt, Ihr Bauchgefühl hat Sie gewarnt - kurz alle, außer ihrem inneren Gutmenschen, wußten, dass das schiefgehen würde. Angenommen, Sie haben alle Warnungen in den Wind geschossen und wider besseren Wissens einer Person, die Sie nicht wirklich gut kannten, die aber in jenem Augenblick bedüftig war, eine größere Summe - sagen wir mal vierstellig - Geld geliehen, obwohl Sie selbst nicht besonders viel davon übrig haben.

Nehmen wir weiter an, Sie haben zum vereinbarten Rückgabetermin weder etwas von Ihrem Geld, noch von besagter Person zu sehen/hören bekommen. Damit dürfte Ihnen so ziemlich klar geworden sein, dass Sie diese Summe zwar nicht beim Finanzamt, so doch im persönlichen Budget für alle Zeiten abschreiben können. Nachdem Sie für angemessene Zeit die ganze Palette zwischen Selbstmitleid und -beschimpfungen rauf und runtergespielt haben, ist der Ärger langsam verraucht. Und jetzt stoßen Sie ganz zufällig auf ein Blog, dessen Inhalt keinen Zweifel an der Identität des Schreibers zulässt und aus dem Sie erfahren, wie Ihr Geld so durch die Gegend reist.

Ich fürchte, mir ist gerade Web 2.0 passiert.

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Freitag, 3. August 2007
Ruby Tuesday
Eigentlich ist heute Donnerstag. Trotzdem habe ich eine Verabredung mit Morrie, der sonst nur dienstags weise Ratschläge erteilt. Eigentlich ist Morrie auch schon lange tot. Dass ich dennoch etwas über seine Gedanken erfahre, ist Mitch Albom zu verdanken. Der hat ihn vor seinem Tod nämlich jeden Dienstag besucht und mit ihm über das Leben im Allgemeinen und im Besonderen geplaudert. Das Ergebnis dieser Treffen wurde '97 [alter Schinken, ich weiß] unter dem Titel 'Tuesdays with Morrie' veröffentlicht.

"All right, I'll be your coach. And you can be my player. You can play all the lovely parts of life that I'm too old for now."
Sometimes we eat together in the cafeteria. Morrie, to my delight, is even more of a slob than I am. He talks instead of chewing, laughs with his mouth open, delivers a passionate thought a mouthful of egg salad, the little yellow pieces spewing from his teeth.
It cracks me up. The whole time I know him, I have two overwhelming desires: to hug him and to give him a napkin.


Morrie leidet wie Stephen Hawking und einst Jörg Immendorff an amyotropher Lateralsklerose. Während der Gespräche mit seinem ehemaligen Studenten Mitch Albom ist die Krankheit bereits weit fortgeschritten. Gemeinsam betrachten sie das Leben und was es braucht, um glücklich zu sein. Morries Tipps sind von bestechender Einfachheit, was nicht weiter erstaunt. Im Angesicht des Todes verliert das Leben jegliche Pathetik.

"Dying," Morrie suddenly said, "is only one thing to be sad over, Mitch. Living unhappily is something else. So many of the people who come to visit me are unhappy."[...]
"I may be dying but I'm surrounded by loving, caring souls. How many people can say that?"


Solche Sätze sitzen und sind mit Sicherheit nachhaltig wirksamer als jeder Potterzauberspruch. Trotzdem ist das Buch keine schwere Kost. Mit wenig Umfang und kurzen Kapiteln eignet es sich hervorragend für zwischendurch. Übrigens gibt es für Lesefaule angeblich eine Verfilmung mit Jack Lemmon. Mit Dank an den Spender - endlich hat jemand zur Abwechslung mal ein gutes Buch im Flieger vergessen - und bis nächsten Dienstag.

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Dienstag, 31. Juli 2007
I know a whoopee spot where the gin is cold but the piano's hot
"N' Abeeend!" tönt eine männliche Stimme hinter der Bar, die jeder beim Betreten des Lokals zu hören bekommt, egal wie hoch der sonstige Geräuschpegel ist. Und der ist heute sehr hoch, nicht weil es draußen so kalt ist, sondern weil das 'Vogler' Jubiläum feiert.

Heute vor zehn Jahren eröffnete Thomas Vogler seine in München einzigartige Jazzbar. Es mag nicht das einzige Lokal mit Livemusik sein, zweifelsohne ist es aber das einzige, das Livejazz auf hohem Niveau mit moderaten Preisen und einer Wohnzimmer-Club-Atmosphäre verbindet. Damit hat Thomas Vogler sein selbsterklärtes Ziel erreicht.

Um Mitternacht stimmt Peter Tuscher, der die heutige Jamsession leitet, mit seinen Musikerkollegen einen [Achtung Kalaueralarm!] 'Tusch' an. Der Inhaber wird auf die Bühne gebeten. Nach den üblichen Danksagungen plaudert er ad hoc über die kleinen und großen Schwierigkeiten. Von Problemen mit der Brauerei ist da die Rede. Das sei, so Vogler "wie in einer guten Ehe. Erst wenn man kurz vor der Scheidung steht, weiß man, was man aneinander hat." Was lapidar klingt, war in Wirklichkeit nicht so harmlos. Der Laden stand damals kurz vor dem Aus, als Hilfe von offizieller Seite eine weitere Existenz sicherte. Von einem Abend ohne Band erzählt er und dem "Flash" von dem er sich erst nach einer Stunde erholte, weil er an jenem Abend von einem Kinobesuch kommend die Filmband Abend für Abend im leeren Lokal spielen sah, sein eigener Laden jedoch ohne Band gerammelt voll war.

Die Pointe eröffnet sich nicht allen Gästen. "Wovon redet der da?" höre ich meinen Nebenmann sagen "... ganz schlechte Rede." Die Mitarbeiterin hinter der Theke verteidigt ihren Chef mit den Worten "Das ist schon richtig gut. Hättest ihn mal damals beim... hören sollen." und fügt noch lakonisch hinzu "Dabei hat er das gelernt." Was er tatsächlich gelernt hat und wie er schließlich, von "Tuten und Blasen keine Ahnung", denen einen Rahmen schuf, die es gelernt haben, liest sich wie eine typische Aussteigergeschichte. Mit dem kleinen Unterschied, dass Thomas Voglers Bauchgefühl seit zehn Jahren den Geschmack des Publikums trifft.

Montags treffen sich hier regelmäßig die Musiker der Stadt zur Jamsession. Jeder bekommt eine Chance. Wer die allerdings vergeigt, wird nicht mehr so schnell ein Bein auf die Bühne stellen. So ergeht es wohl auch einem Schlagzeuger, über dessen fehlendes Rhythmusgefühl im Anschluß fachmännisch an der Bar lamentiert wird. Ein anderer stadtbekannter Musiker ist bei nahezu jeder Jamsession dabei, trinkt das obligatorische Freibier für Darbietende und verlässt danach das Lokal. Die Mär vom mittellosen Künstler trifft in seinem Fall zwar nicht zu aber eine Jacht kostet eben auch Unterhalt. Zu Zeiten als ich noch fleißig Saxophon übte, wäre ich gerne einmal dort eingestiegen, traute mich aber nicht so recht. Auf meinen formulierten Zweifel erwiderte Thomas Vogler nur "Spiel halt sonntags hier, da haben wir geschlossen."

Wo ich sonst so hingehe, fragt mein Gesprächspartner, ebenfalls ambitionierter Hobbyjazzer und Sessionteilnehmer. Im Grunde gehe ich nicht oft weg. Mich langweilt das Pradatäschchen gassiführende Münchner Publikum, das nicht in der Lage ist, mit seinen Mitmenschen in Kontakt zu treten. Im Vogler ist das anders. Hier saß ich noch nie den ganzen Abend wortlos vor meinem Glas, wenn auch die Begegnungen manchmal seltsamer Natur waren. Und die, die nicht reden mögen, lassen sich von der Musik unterhalten. Ich weiß nicht wie er es macht aber etwas macht Thomas Vogler wohl richtig, denn sonst gäbe es die Jazzbar schon lange nicht mehr. Und München wäre um eine Attraktion ärmer.

Jazzbar Vogler
Video über die Bar

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