Sonntag, 12. August 2007
Oh the warm feeling
Es gibt so Tage, da wäre ich gerne ein besserer Mensch. Das passiert vorwiegend, wenn ich besonders dünnhäutig bin, weil nach einer Langstrecke übernächtigt, ein anrührendes Buch zu Ende gelesen, einen Film unter die Haut gehen lassen, den Vollmond bejammert oder schlichtweg kurz vor meiner Regel. In solch einem Zustand würde ich ohne mit der Wimper zu zucken Zeitschriftenabos an der Türe unterschreiben, Geld verleihen, dem GEZ Angestellten einen Kaffee anbieten und eventuell Jehovas Zeugen beitreten. Deswegen gibt es in solch einer Gemütsverfassung nur einen Ausweg: kein Außenkontakt! Fenster und Türen dicht machen und die Decke bis über beide Ohren ziehen, bis sich der Gefühlsdusel langsam wieder beruhigt.

Wenn ich danach - Herr meiner Sinne - allerdings immer noch der Meinung bin, ich sollte mein Scherflein zum Gemeinwohl beitragen, dann wird das wohl einen fundierten Grund haben. Jetzt bin ich nicht der Typ, der sich gemeinnützigen Organisationen anschließt oder Obdachlosen Suppe kocht. Ich kenne mich einfach zu gut, um zu wissen, dass solche Aktionen bei mir temporär begrenzt wären. Mir liegen mehr die kleinen Gesten, die man jederzeit im Alltag unterbringen kann und die mich hoffentlich über kurz oder lang dauerhaft zu einem besseren Menschen machen. Oder so.

Es ist doch so: wir bezahlen Gesprächstherapeuten, damit uns jemand zuhört. Wir sehnen uns nach engen Zweierbeziehungen, um einen vermeindlichen Anker in den Alltagsstürmen zu haben. Wir kaufen Häuser, Autos und Kleider, um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Wir verhindern jeden Anflug von Einsamkeit mit im Hintergrund laufenden Fernsehern und Radios. Ganz tief drinnen glauben wir immer noch, mit unserer Existenz gleichzeitig ein Anrecht auf Glück gepachtet zu haben. Und obwohl wir wissen, dass es auf die herkömmliche Weise nicht funktioniert, versuchen wir es immer wieder, anstatt unsere Methode auch nur einmal zu ändern. Wir klatschen wie Fliegen ständig an die Fensterscheiben des Lebens und hinterlassen dort unseren Jammerkot, anstatt durch den geöffneten Spalt zu entkommen.

Meistens sind es Kleinigkeiten, die den Alltag erhellen. Eine Blume, ein Lächeln, ein Kompliment, ungeteilte Aufmerksamkeit. Wir alle wollen wahrgenommen werden. Dennoch fällt es uns manchmal so schwer, dieses Bedürfnis gegenseitig zu stillen. So hetzt jeder mit seinem Defizit durch die Gegend, obwohl die Lösung so einfach wäre. Der alten Dame an der Ampel einen wunderschönen Tag wünschen, ein kleiner Plausch mit der geschwätzigen Hausmeisterin, ein Kompliment an die Kollegin für ihre neue Frisur, eine Freundschaft anbieten, anstatt sie einzufordern, einer alten Verwandten ohne Grund über die Wange streichen, eine Postkarte an einen Bekannten verschicken, es gibt unzählige Möglichkeiten.

Der Lohn ist das warme Gefühl im Bauch, wenn es gelingt, ein Lächeln auf ein Gesicht zu zaubern. Funktioniert garantiert. Man muss es nur wahrnehmen.
In diesem Sinne, good night and good luck.

Das Wort zum Sonntag sprach diesmal Frau Klugscheisser.

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Samstag, 11. August 2007
Heard it through the grapevine
Würden die Menschen öfter 'wir' als 'ich' denken, wäre die Welt zweifellos ein kleines bisschen schöner. Allegra berichtet beispielsweise von der neapolitanischen Tradition des caffè pagato, die ich sehr schön finde:


jemand kommt in eine bar um sich einen caffè zu bestellen...anstelle eines caffè's bezahlt er allerdings zwei...er selbst trinkt nur den einen und den zweiten...bezahlten...laesst er als kredit stehen fuer irgendjemanden, der sich keinen caffè leisten kann...dieser jemand kann dem caffètrinker voellig unbekannt sein...wichtig dabei ist nur die tatsache, dass falls mal wirklich jemand in not geraten ist und sich, aus welchen gruenden auch immer, keinen caffè in der bar leisten kann, sich in napoli mit gutem gewissen in irgendeine bar begeben kann um einem "caffè pagato" zu bestellen...irgendjemand wird schon einen bezahlt haben...

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Donnerstag, 9. August 2007
Have fun
Polt erklärt Bayerische Demokratie

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Talking on the phone
Ausschnitt aus einem Telefonat meiner Mutter, die derzeit ein Haus zur Miete anbietet, mit einem Interessenten:

Wie alt sind sie denn, wenn ich fragen darf?
...
Mhmmm.
...
Äh ja, wissen sie, wenn sie schon siebzig sind, dann müssen wir vielleicht schon bald einen neuen Nachmieter suchen.
...
Ich? Sechzig [kichert wie knapp 15].
...
Und haben sie Haustiere?
...
Mhmja, also einen Hund wollen wir da nicht haben, weil der bellt auch ab und zu und dann kriegen wir Ärger mit den Nachbarn.
...
Ja, ein Goldfisch wär' uns schon lieber.
...
Ach Gott, Kinder sind schon in Ordnung aber haben sie sich das auch gut überlegt, ich meine, in IHREM Alter?


Ab hier konnte ich das Gespräch nicht weiter verfolgen, weil sie die Türe schloß.

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