Samstag, 15. März 2008
Cherry can you come out tonight?
Sherry


Kirschblüte in Schwabing, vergangenes Jahr

Dieser Tage beginnt in Japan wieder der allgemeine Kirschblütenterror. Statt Wetterbericht senden alle Kanäle nach den Nachrichten eine Meldung zur aktuellen Kirschblütenfront. Der Japaner an sich lebt und stirbt ja quasi für die Kirschblüte - das Symbol für Schönheit und Vergänglichkeit - und ist komplett aus dem Häuschen, wenn sich die ersten Blüten endlich im eigenen Viertel öffnen. Dann läßt er's mal so richtig krachen, dann wird zehn Tage lang gefeiert. Dank des neuen Filmes von Doris Dörrie, kennt jetzt auch der letzte Hamperer hierzulande den Begriff Hanami. Dabei existieren erstaunlich viele Parallelen zum Oktoberfest:


1. Das Fest hat mit dem jahreszeitlichen Wechsel und der Vergänglichkeit zu tun.

2. Zu diesem Zweck wird von weit her angereist.

3. Wer nicht reserviert hat, kriegt ab nachmittags keinen Platz mehr.

4. Es werden Unmengen alkoholische Getränke konsumiert.

5. Es wird im Schnitt mehr konsumiert als vertragen.

6. Der Drang zur Verbrüderung mit Wildfremden ist nicht von der Hand zu weisen.

7. Das Fest gibt Anlaß zum Singen eigens hierfür komponierter Volksweisen.

8. Es dauert etwa 14 Tage, man kann aber auch woanders weiterfeiern (Cannstatter Wasen, Shanghai Oktoberfest oder Hanami an der Alster).

9. In dieser Zeit werden gerne Trachten getragen.

10. Manch einer nimmt sich währenddessen Urlaub, andere machen krank.

11. Die gesamte örtliche Bevölkerung steht vorher Kopf.

12. Während der Dauer des Festes gelten für alles Ausnahmeregelungen.

13. Im Grunde sind alle froh, wenn es endlich wieder vorbei ist.

Dieses Jahr Übernächste Woche werde ich höchstwahrscheinlich über die Kirschblüte berichten können. Ansonsten empfehle ich zur besseren kulturellen Verständigung den oben genannten Film.

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Dienstag, 11. März 2008
The lion sleeps tonight
The lion sleeps tonight



Er heißt Leonhardt und ist ein Löwe. Zum Leben erweckt hat ihn der Mann mit den Initialen O und W, genannt Oweh. Leonhardt ist der beste Freund von Jonas. Gemeinsam bestehen sie diverse Abenteuer, die der Zeichen- und Schreibfeder von Oweh entsprangen. Die Geschichten sind Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke für Jonas, seinen Sohn, der nicht bei ihm lebt. Ich finde sowohl die Idee, als auch die Geschichten und Bilder so reizend, dass ich sie meinen Lesern gerne ans Herz legen möchte. Bitte lesen Sie unter "ungelenkes Gekrakel" (Oweh, Meister des Litotes) die Abenteuer von Jonas und seinem Freund.

Übrigens sind auch die "verdorbenen Lichtbilder" durchaus sehenswert. Bitte jetzt aber keine falschen Erwartungen, die Bilder sind weniger moralisch anrüchig, als vielmehr der Titel reinste Untertreibung des Fotografen.

Der Untergang des Abendlandes

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Montag, 10. März 2008
In the still of the night


Für Quellenangabe und mehr bitte auf das Bild drücken

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Old habits die hard
Von Anbeginn sind meine Beiträge mit Liedzeilen oder -titeln überschrieben, die mal mehr, mal weniger mit dem Inhalt derselben zu tun haben. Seit einiger Zeit suche ich den entsprechenden Song bei Youtube, damit der geneigte Leser während des Lesevorganges auch eine nette melodische Untermalung hat. Anklicken muss er - der geneigte Leser - den entsprechenden Link aber noch selbständig: Old habits die hard

Jeden Morgen mache ich mir - mal abgesehen von den Jahren, die ich Kaffee trank - wie all die Jahre zuvor eine Kanne Tee, gieße mir eine Tasse ein, gebe Zucker und Zitrone hinzu, trinke drei Schluck, lasse die Tasse dann in der Küche stehen und den Rest kalt werden. Am nächsten Morgen schütte ich den Tee weg und mache eine neue Kanne, die wieder nur angetrunken kalt wird. Zwischendurch spüle ich die Kanne aus, kaufe neuen Tee, neue Zitrone und neuen Zucker. So geht das schon seit sieben verdammten Wochen. Dieses Verhalten deprimiert mich. Früher wäre ich wohl so flexibel gewesen, mir spätestens nach einer Woche dann halt keinen Tee mehr zu machen, wenn ich ihn nicht trinke. Heute halte ich an jeder Routine fest wie ein im Lebensfluß Ertrinkender. Ich könnte ja morgens statt Tee einfach ein Glas Apfelsaft trinken, ich verrücktes Huhn, ich. Das Risiko, dass sich mein Leben dadurch komplett auf den Kopf stellt, wäre allerdings zu groß.

Stellen wir uns nur mal vor, ich tränke ab heute keinen Tee mehr. Ich wäre länger morgens müde, denn Apfelsaft würde mich nicht aufwecken. Auf dem Weg zum Flughafen überfiele mich ein Sekundenschlaf, der mich mit einem Lastwagen kollidieren ließe. Wer weiß, um wieviel Tage, Wochen oder gar Jahre ich mein Leben verkürzte, tränke ich morgens Apfelsaft statt Tee. Oder der Mann meiner Träume wartete im Supermarkt vor dem Teeregal auf mich, ich aber stünde vor dem Saftregal, weil ich mich mal wieder nicht entscheiden könnte. Ich meine, das wäre wie beim Vater eines Ex-Freundes - und das ist jetzt kein Scheiß, sondern tatsächlich passiert - der jahrelang in einer Tippgemeinschaft beim Lotto immer dieselben Zahlen ankreuzte und als die Zahlen endlich gezogen wurden, war er seit einer Woche nicht mehr Mitglied dieser Gemeinschaft. Er wollte mal was Neues ausprobieren. Das Schicksal ist eine hinterhältige Sau, das wissen wir längst. Folglich bleibe ich beim Tee, selbst wenn ich ihn nicht trinke. Wer weiß, was ich sonst noch alles verpasse im Leben. Man hat ja auch nicht ewig Zeit.

Im Alter würde man wunderlich, sagen die Leute. Wenn die Sache mit dem Tee mal nicht wunderlich ist, dann weiß ich auch nicht. Aber alt fühle ich mich deswegen noch lange nicht. Naja, frage einen Achtzigjährigen, wie er sich fühlt und er wird antworten, er fühle sich wie zwanzig. Vorausgesetzt die Schwester hat kurz zuvor den Katheterbeutel gewechselt und die Dosis der Schmerzmittelinfusion erhöht. Ehrlich gesagt interessiert mich nicht, wie alt sich Jopie Heesters fühlt, wenn er wie ein Untoter aussieht. Das ist auch eine dieser Wunderlichkeiten. Menschen fühlen sich fast nie so, wie sie aussehen. Man fragt sich, warum Fünfzigjährige plötzlich in Mini, Leder und Leopardenmustern herumlaufen. Die Antwort ist simpel: als man es tragen konnte, hatte man nicht das nötige Selbstbewußtsein und wenn man das hat, kann man es nicht mehr tragen. Das ist nämlich die Krux am Älterwerden, die Sache mit dem Selbstbild.

Die Natur hat uns da ein zwiespältiges Trostpflaster spendiert. Jeden Tag zerfallen wir körperlich ein Stück mehr, unser Geist aber wächst. Idealerweise. Bei Manchen wächst leider nur das Ego, nicht die sogenannte Weisheit. Und so entsteht eine Diskrepanz zwischen innen und außen, die sich Jahr um Jahr schleichend vergrößert. Weil wir aber inzwischen so wahnsinnig weise geworden sind, läßt sich diese Diskrepanz ganz gut aushalten. Dafür wird unser Verhalten immer eigenartiger. Man trennt sich leichter von alten Klamotten, von Träumen und so mancher Freundschaft, an bestimmten Verhaltensmustern und Vorstellungen, deren ursprünglicher Sinn längst überholt ist, wird allerdings auf Teufel komm raus festgehalten. Da kann ein Therapeut lange seine Miete mit bezahlen.

Die Sache mit dem Tee fing an, als ich zu rauchen aufhörte. Man sagte mir, Frauen würden typischerweise in meinem Alter vernunftbedingt damit aufhören, da der eher wenig vernunftgesteuerte Grund mit der Schwangerschaft langsam hinfällig würde. Ich liege also voll im Trend. Jetzt habe ich schon eine Gewohnheit beendet, da fällt es umso schwerer, eine weitere zu lassen. Das mit dem Schlaf ist eine Sache, die ich - genau wie das mit dem Essen - nicht genau zuordnen kann. Schlafe ich nicht mehr, weil mein biologisches Gleichgewicht durch Suchtreduktion gestört wurde oder weil mittlerweile die senile Bettflucht einsetzte? Je weniger Lebenszeit man erwarten kann, umso weniger Schlafenszeit und damit doch effektiv mehr Lebenszeit. Zeit habe ich dadurch jede Menge. Vorwiegend zwischen fünf und sieben morgens. Dabei soll fehlender Schlaf das Leben doch verkürzen. Was die Natur wohl sonst noch für optische Täuschungen auf Lager hält?

Sinnkrise in Reinform. Und das alles wegen einer lächerlichen Tasse Tee!

Und noch einer zum Hören, weil der Text inzwischen länger als ein Song dauert:
Just getting older

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