Dienstag, 27. August 2019
Uschi goes to Hollywood

Das ist Uschi. Uschi ist Flugbegleiterin. Manchmal heißt Uschi aber auch Inge, nämlich dann, wenn auf einer Party mal wieder jemand jemanden kennt, der auch da arbeitet und ich diese Person ganz bestimmt kennen müsse. Die Inge, ja wie heißt die denn gleich mit Nachnamen, also die Familie heißt Müller, dann heißt sie wohl Inge Müller, ach so ein Zufall aber auch, wie, es gibt so viele bei euch mit dem Namen, die hat so längere glatte Haare, also so einen Pagenschnitt, blond, die kennst du ganz bestimmt. Leider habe ich schon so viele blonde Inge Müllers mit Pagenschnitt getroffen, dass ich der Beschreibung keine bestimmte Person zuordnen kann. Ich vergleiche das dann anschaulich mit Urlaubsbekanntschaften. Ach, sie sind aus Köln? Dann kennen sie bestimmt den Peter, der ist so mittelgroß, eher unauffällig, ja, dem sind sie ganz bestimmt beim Bäcker schonmal begegnet. Nein? Ach aber irgendwann treffen sie den bestimmt, dann richten sie unbedingt schöne Grüße von mir aus. Na? Klickts?

Darum soll es aber heute nicht gehen. Heute hatte ich ein internes Vorstellungsgespräch für eine neue Aufgabe. Etwa zwei Stunden vor dem Termin, als ich nach der genauen Uhrzeit suchte, fiel mir dieser Satz im längeren Anschreiben auf. Da stand, ich solle eine kurze Präsentation vorbereiten. Da hatte ich sofort Blutdruck, denn fast eine Stunde benötige ich für die Anfahrt und die Kleiderfrage hing auch noch in der Schwebe. Also improvisieren. Kann ich. Es sind viele Karten mit Symbolbildern geworden, von denen eines die Zeichnung oben ist. Soll meine Mutter noch einmal behaupten, ich hätte meine Schulzeit nicht sinnvoll genutzt, wenn ich unter der Bank kleine Cartoons mit Erlebnisberichten für die Freundin auf Spickzettel malte. Heutzutage macht man das via Whatsup. Da ich jedoch eine virtuelle Präsentation nicht mal schnell aus dem Ärmel schüttle, mussten die Stifte her.

Die Präsentation war natürlich viel länger als anberaumt, da jedes kleine Bildchen gewürdigt werden wollte. Da bin ich eigen. Notfalls wird im weiteren Gesprächsverlauf mit Fingerzeig auf das ein oder andere Kärtchen angeknüpft. Improvisation, ich erwähnte es bereits, gehört zu meinen Kernkompetenzen. Die Eingangsfragen geschickt umschiffen, ausholen, weit, weit ausholen, um sich dann in einem völlig anderen Thema wiederzufinden, weil dazu dieses noch unerwähnte Kärtchen passt, und dann nach einem zehnminütigen Monolog feststellen, dass ich die Eingangsfrage vergessen habe, jedoch noch nicht zum Aufgeben bereit sein und nochmals 5 Minuten rumschwurbeln, während ich krampfhaft nach der ursprünglichen Frage im Kurzzeitgedächtnis krame, kann ich auch. Manchmal habe ich Glück. Ausserdem gibt es Menschen, die mir auf meinen Gedankenwegen bereitwillig folgen und sich die Information aus meinem Monolog herausziehen, die sie durch ihre Fragen in Erfahrung bringen wollten. Ich glaube, ich wäre der geborene mittlere Managementtyp. Sehr überzeugend, sehr inkompetent aber immer eine kleine Analogie oder Anekdote auf den Lippen.

Wie kriege ich jetzt die Kurve zum heutigen Gespräch? Naja, ich hätte da noch ein paar Symbolbilder in den Kommentaren. Ziehen Sie einfach ein paar eigene Schlüsse:

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Montag, 26. August 2019
Kill em with Kindness
Man könnte meinen, Kanada sei den Vereinigten Staaten ziemlich ähnlich, was Mensch und Kultur angeht. Wenn ich in Kanada bin, dauert es etwa eine Viertelstunde, bis ich mich wieder an den Unterschied gewöhnt habe. Während nämlich in USA die Menschen nur freundlich sind, wenn sie was verkaufen wollen, sind es die Kanadier von Natur aus. Auf der Straße weicht man sich aus, lächelt sich gelegentlich an und Türen werden ganz selbstverständlich aufgehalten, selbst wenn Nachfolgende noch zehn Schritte entfernt sind. Manchmal sprechen die Leute auch mit Fremden auf der Straße. Das ganze geschieht mit einem Selbstverständnis, dass mir immer ganz warm um's Herz wird. Dann schäme ich mich ein bisschen, weil ich mir ungehobelt vorkomme. Nur die Touristen, die in Scharen auftreten, die lassen erahnen, wie es für gewöhnlich im Rest der Welt zugeht. Das erstaunliche ist, dass man sich sehr schnell an Freundlichkeit gewöhnen kann, vorausgesetzt, man ist offen für Veränderung. Zurück im Münchner Nahverkehr bleibt leider der Kulturschock nicht aus. Und ich seufze still in mich hinein. Oh wie schön ist Kanada.

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Dienstag, 20. August 2019
Feelings


Fragen Sie mal jemanden, was er fühlt, wenn das Gefühlspendel nicht in die ein oder andere Richtung ausschlägt. Die Person wird's nicht auf Anhieb wissen und nach ein wenig Bedenkzeit den Zustand als ruhig oder ausgeglichen beschreiben. Wenn die Gefühlsskala aber auf Maximum steht kann sie's sofort benennen. Im Grunde sind Gefühle also meist gesteigerte Erregungszustände. Angst, Wut, Trauer, Hass aber auch positive Gefühle wie Verliebtheit, Glück, Fröhlichkeit, alles zählt da drunter. Selbst Langeweile und Unzufriedenheit sind nichts anderes als Erregungszustände. Und die wollen wir gerne vermeiden, weil Erregungszustände anstrengend und auf Dauer sogar schädlich sein können. Das Vermeiden haben wir seit unserer Kindheit gelernt. Wir sind Meister in Vermeidungstaktiken wie die Ablenkungsindustrie und vor allem die Häufigkeit von Suchtverhalten zeigen. Wer sich davon ablenkt, hat aber die Gefühle deswegen nicht ausgeschalten, er hat sie nur in eine dunkle Ecke gedrückt. Da warten sie, bis sie uns in einem unaufmerksamen Moment hinterrücks überfallen. Manchmal erscheinen sie nicht als die ursprünglichen, sondern in abgewandelter Form. Wut ist so ein Beispiel. Meistens entsteht Wut aus Unterdrückung und war ursprünglich Verletztheit oder Angst.

Es gibt sehr viele wütende Menschen da draussen. Die projezieren diese Wut fast immer auf andere. Dabei sind sie im Grunde auf sich selbst wütend. Sie fragen sich sicher, wo dieser Beitrag hinführen soll. Wutbürger? Ausländerhass? Nein, dazu bin ich viel zu unpolitisch. Ich beobachte nur - fast immer erst mal mich selbst. Viele meiner Vermeidungsstrategien - rauchen, essen und noch paar andere, selbstzerstörerische - entstanden aus unterdrückter Traurigkeit oder Langeweile. Ich brauche ein Überdruckventil, wenn ich keinen Schaden nehmen will. Oder ich mache das, was eigentlich die ursprünglichste Strategie ist. Ich fühle. Gefühle haben nämlich nur einen Sinn: sie sind zum Fühlen da. Und noch viel erstaunlicher ist die Tatsache, dass sie relativ schnell vergehen, vorausgesetzt ich lade sie gedanklich nicht mit Bedeutung auf.

Klingt ein bisschen kompliziert, doch mit etwas Übung gelingt mir das ganz gut. Dann warte ich die paar Minuten ab anstatt zu essen, Nagelhaut zu kauen oder mich sonstwie abzulenken. Ein bisschen disziplinieren muss ich mich aber schon, weil mein Kopf natürlich immer was draus machen will. Ich kann aber bewußt entscheiden, die Frage nach dem Ursprung meiner Gefühle sein zu lassen. Viele Erregungszustände entstehen nämlich nur aus sehr trivialen Gründen: Schlafmangel, hormonelles Ungleichgewicht oder einfach ein kurzer Anstieg des Adrenalinspiegels. Da muss ich nicht drüber grübeln, das ist einfach so. Ich kann dem also Bedeutung beimessen oder es einfach wahrnehmen. Also meine Gefühle fühlen. Denn zu fühlen heisst gleichzeitig auch, lebendig zu sein.

Na schön, das war jetzt ein bisschen abgehoben. Ich fahre allerdings damit ganz gut. Und heute stieß ich auf das obige Motto. Das ist aus einer Sammlung von Kärtchen für jeden Tag, die spiritual AF heißt und die nicht so spirituell sind, wie der Name prophezeit. Gefunden in einem Scherzartikelladen in Vancouver auf der Suche nach einem Abschiedsgeschenk für eine Kollegin. Fand ich nach kurzer Überlegung dann doch nicht so passend. Also bekam sie eine Tasse mit Vancouver-Motiv, über die sie sich sehr gefreut hat. Und ich freue mich jetzt an den Kärtchen.

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