... newer stories
Samstag, 7. September 2019
Tokyo Inn
frau klugscheisser, 23:00h

Noch bin ich nicht dort, zumindest aber auf dem Weg. Und der ist bekanntlich das Ziel. Für 10 Tage durch Japan radeln - wenn Sie mich vor einiger Zeit gefragt hätten, wäre das sicher nicht mein priorisiertes Ferienziel gewesen. Suchen Sie mal hier die Einträge über Japan, da finden Sie etwa drei Seiten, die mein Fremdheitsgefühl diesem Land gegenüber belegen. Gerade ist Nacht und weil ich mal wieder nicht schlafen kann, habe ich selber nachgelesen. Allerdings mag ich Radfahren - zumal neben Schwimmen aufgrund körperlicher Einschränkung derzeit die einzige schmerzlose Fortbewegungsform - und war noch nie weiter als im Umkreis von Tokyo.
Als erstes sind wir nach Osaka geflogen, von dort nach Kyoto gefahren. Wegen der Kultur. Aber die ersten anderthalb Tage geschah vieles nur im Halbschlaf. Großer Erschöpfungszustand und die Frage, wieso man sich das freiwillig antut. Das Licht brennt in den Augen und die Temperaturen sowieso. Hier ist noch immer höchster Hoch-Sommer, während daheim bereits die Janker aus dem Schrank geholt werden. Es ist immer das Gleiche: zwei Tage gemäßigte Temperaturen und man kann sich nicht mehr vorstellen, wie sich Extremwerte anfühlen. Das macht das Kofferpacken nicht einfacher. Dann aber trotz und erst recht Kultur. Fushimi Inari Schrein, kennen Sie. Doch, das sind diese orangefarbenen Torbögen, die kurz hintereinander stehen und dadurch wie ein langer Tunnel oder eine Raupe aussehen, die sich den Berg rauf und runter wälzt.

Wälzen tun sich auch die Menschen da durch - zumal Wochenende. Erinnert mich an‘s Taj Mahal. Auf Bildern scheint immer alles sehr groß, weit und leer, in Wirklichkeit sehr anders. Irgendwann ist dann die Kultur zweitrangig. Man hat Hunger, Durst und ein paar Mückenstiche - Menschliche Bedürfnisse. Immer wieder wundere ich mich in den ersten beiden Tagen, wie viel ich bereits über diese fremde Kultur weiß. Auch über die Pantoffelgepflogenheiten und wann man sie wie rum stellt. Manchmal glaube ich, das weiß ich alles nur, weil ich‘s mal hier gelesen habe. Dann fällt mir wieder ein, ich war der Autor der Beiträge. Seltsam dieses Altern und wo das Wissen hingeht, von dem man so fest glaubte, es sei ein Gut wie ein Haus, das man erwirbt und fortan besitzt.
Ich sitze also hier - es ist dunkel, heiß und unbequem - und ich frage mich, was ich hier tue, denn Fahrradfahren kann ich auch daheim. Nur halt nicht so schön oder so. Die G‘iant Räder sind übrigens nicht schlecht und die Wege noch flach. Morgen Nacht dann mehr, wenn es wieder heißt: Schlaflos im Land der aufgehenden Sonne.

Frühstück am nächsten Morgen. So startet man hier in den Tag.
... link (5 Kommentare) ... comment
Mittwoch, 4. September 2019
The Gnome
frau klugscheisser, 15:40h

Das da oben habe ich heute beim Aufräumen im Keller gefunden. Eine Tageszeitung vom 8. April 1959, die zum Schutz vor Macken um Porzellan gewickelt war. Erstaunlich daran finde ich nicht nur, wie gut erhalten so ein 60 Jahre altes Druckerzeugnis ist, sondern auch die Meldungen selbst. Ende März flüchtete der Dalai Lama aus Tibet - eine Woche später berichtete ein deutscher Journalist im Lokalblatt (Starnberger Ausgabe). Das Bild zeigt eine Situation, in der chinesisches Militär auf Tibetaner trifft. Drunter die Überschrift des nächsten Artikels Müssen Gartenzwerge so sein?
Das ist eine Steilvorlage. Machense was draus!
*winkt rüber in die Gartenzwergfabrik
... link (1 Kommentar) ... comment
Montag, 2. September 2019
Smalltalk Fails
frau klugscheisser, 11:10h
Wenn Passagiere in höheren Reiseklassen buchen, bezahlen sie gemeinhin viel Geld. Diese Kosten sind nicht in gastronomischer Qualität aufzuwiegen, auch wenn das viele Schnäppchenjäger meinen. Es gibt immer wieder Beispiele, die gerne in höheren Klassen reisen aber die niedrigste bezahlen möchten. Das häufigste Argument ist dann, sie würden auch nichts essen. Das ist uns jedoch relativ gleichgültig. Zum einen ist die Qualität der Speisen in den günstigen Klassen ebenfalls vergleichsweise hochwertig, zum anderen gibt es weitaus mehr Serviceleistungen, für die die Kundschaft mehr zu bezahlen bereit ist, beispielsweise Platz und Komfort bei der Abfertigung oder die persönliche Zuwendung.
Diese persönliche Zuwendung reicht von Smalltalk bis unbürokratischer Hilfestellung im Umgang mit aufgetretenen Ärgernissen. Natürlich helfen wir auch denen, die weniger bezahlen, nur muss dort der zeitliche Aufwand und etwaige Ersatz- oder Entschädigungsangebote vergleichsweise niedriger ausfallen. Und dann gibt es diese Menschen, die so häufig fliegen, dass sie öfter mit Angestellten der entsprechenden Airline als mit eigenen Angehörigen und Freunden sprechen. Viele davon haben nicht einmal die Zeit, Freundschaften zu pflegen. Die sprechen meist sehr gerne mit mir, und es ist immer ein großes Hallo, wenn man sich erneut begegnet. In diese Gespräche flechte ich situationsbedingt schon mal die ein oder andere persönliche Erfahrung ein.
So auch letztens als ich dem Ehepaar, das auf dem Weg in die sizilianischen Ferien war, etwas über's Segeln erzählte und meinte, Segeln sei die teuerste Art unbequem zu reisen. Daraufhin meinte der Herr nur trocken: "Wir besitzen ein Segelboot." Ich glaube nicht, dass ich die Konversation noch geschickt mit der Bemerkung, dass auch der Unterhalt für Segelboote sehr teuer sei, herumreißen konnte. Wer für mehrere tausend Euro fliegt, der rechnet den Unterhalt eines Segelbootes von den Spesen ab. Nicht meine Welt, weshalb es mir schwer fällt, mich darin zurechtzufinden. Die Kollegin wiederum, der ich diese Geschichte erzählte, berichtete von einer Familie mit unzähmbaren Kindern an Bord. Die Mutter entschuldigte sich mit der Bemerkung, man würde normalerweise nicht in so großen Flugzeugen reisen, worauf die Kollegin viel Verständnis für die arme Familie aufbrachte und den Kindern die Welt des Fliegens zeigen wollte. Was die Mutter aber eigentlich meinte, war, dass sie normalerweise mit einem kleinen Flugzeug ihrer Armada an Privatjets reist, mit denen man allerdings keine allzu langen Strecken fliegen kann.
Die Kollegin schämte sich ein bisschen für ihre Naivität. Und für mich war das wieder eine Bestätigung meiner These, dass wir alle immer von uns selbst ausgehen, es aber viel Übung kostet, sich in eine andere Welt hineinzuversetzen. Das bezieht sich übrigens auf jede andere Person, denn jeder Mensch ist ein eigenes kleines Universum.
Diese persönliche Zuwendung reicht von Smalltalk bis unbürokratischer Hilfestellung im Umgang mit aufgetretenen Ärgernissen. Natürlich helfen wir auch denen, die weniger bezahlen, nur muss dort der zeitliche Aufwand und etwaige Ersatz- oder Entschädigungsangebote vergleichsweise niedriger ausfallen. Und dann gibt es diese Menschen, die so häufig fliegen, dass sie öfter mit Angestellten der entsprechenden Airline als mit eigenen Angehörigen und Freunden sprechen. Viele davon haben nicht einmal die Zeit, Freundschaften zu pflegen. Die sprechen meist sehr gerne mit mir, und es ist immer ein großes Hallo, wenn man sich erneut begegnet. In diese Gespräche flechte ich situationsbedingt schon mal die ein oder andere persönliche Erfahrung ein.
So auch letztens als ich dem Ehepaar, das auf dem Weg in die sizilianischen Ferien war, etwas über's Segeln erzählte und meinte, Segeln sei die teuerste Art unbequem zu reisen. Daraufhin meinte der Herr nur trocken: "Wir besitzen ein Segelboot." Ich glaube nicht, dass ich die Konversation noch geschickt mit der Bemerkung, dass auch der Unterhalt für Segelboote sehr teuer sei, herumreißen konnte. Wer für mehrere tausend Euro fliegt, der rechnet den Unterhalt eines Segelbootes von den Spesen ab. Nicht meine Welt, weshalb es mir schwer fällt, mich darin zurechtzufinden. Die Kollegin wiederum, der ich diese Geschichte erzählte, berichtete von einer Familie mit unzähmbaren Kindern an Bord. Die Mutter entschuldigte sich mit der Bemerkung, man würde normalerweise nicht in so großen Flugzeugen reisen, worauf die Kollegin viel Verständnis für die arme Familie aufbrachte und den Kindern die Welt des Fliegens zeigen wollte. Was die Mutter aber eigentlich meinte, war, dass sie normalerweise mit einem kleinen Flugzeug ihrer Armada an Privatjets reist, mit denen man allerdings keine allzu langen Strecken fliegen kann.
Die Kollegin schämte sich ein bisschen für ihre Naivität. Und für mich war das wieder eine Bestätigung meiner These, dass wir alle immer von uns selbst ausgehen, es aber viel Übung kostet, sich in eine andere Welt hineinzuversetzen. Das bezieht sich übrigens auf jede andere Person, denn jeder Mensch ist ein eigenes kleines Universum.
... link (6 Kommentare) ... comment
... older stories