Dienstag, 8. Oktober 2019
Who Let The Dogs Out
Da war diese ältere Dame mit dem Schäferhund - ein Servicehund offensichtlich, er trug ein Geschirr und hatte ein Zeugnis. Die Beiden sorgten bei allen Anwesenden für großen Aufruhr, denn der Hund war einerseits sehr groß und sollte andererseits in der Kabine reisen. Normalerweise werden Hunde dieser Größenordnung in speziellen Behältnissen im Frachtraum befördert. Das war auch der ursprüngliche Plan seiner Besitzerin. Doch Beförderungsvorschriften für die Größe des Behältnisses, das für den Hund laut Mitarbeitern zu klein war, machten diesen Plan zunichte. So tauchte er bei uns auf und sollte seinen Platz zu Füßen der Dame einnehmen, wofür er eigentlich auch zu groß schien. Die Dame war sehr aufgebracht, denn sie hatte von dieser Vorschrift an jenem Tag zum ersten Mal gehört, obwohl sie ihren Hund in der Vergangenheit doch schon öfter in selbigem Behältnis den Frachtverantwortlichen ohne weitere Einwände übergeben konnte. Eine gewisse Unsicherheit über die neue Beförderungssituation ließ sie noch aufgeregter sein, als sie ohnehin war.

Nun muss man wissen, dass auch die Beförderung in der Kabine strengen Regeln unterliegt. Während in anderen Ländern selbst Ponies zur emotionalen Unterstützung zu Füßen des hilfsbedürftigen Gastes liegen dürfen, beschränkt sich unser Recht auf Hunde und Katzen einer bestimmten Größe. Das liegt schlicht am Platzmangel und den Rechten weiterer, nebensitzender Passagiere. Dem Hund schien das alles herzlich egal zu sein. Er wirkte lethargisch und mehr um seine einknickenden Hinterläufe bemüht als um die Halterin, die sich selbst auf sein Geschirr zu stützen schien. Dies wiederum führte zu großer Aufruhr unter den Kolleginnen. So berichtete eine, der Hund wäre nicht in Ordnung, man solle doch das Tier von der Beförderung ausschließen und bitteschön dem Veterinär vorstellen, eine andere bat für eine Begutachtung ihre Erfahrung als Tierarztpraktikantin an, was nun wiederum mich staunend und ratlos zurückließ. Wie erklärt man besorgten Kolleginnen, dass der Beförderungsausschluß eines Servicehundes zur berechtigten Klage gegen die Firma führt? Wie erhält man das gute Arbeitsklima, wenn die allgemeine Verantwortung in erster Linie gegenüber den Passagieren gilt, nicht aber für mitgeführte Tiere?

Schließlich brachten wir das Tier in einer Mittelreihe auf dem Boden zum Liegen. Der Halterin standen dadurch drei Plätze zur Verfügung. Gelegentlich ragte jedoch ein Hinterlauf, der Schwanz und nach ein paar Stunden der komplette hintere Hund in den Gang. Ich versuchte vorsichtig aber erfolglos dieses Hintere wieder in die Reihe zu schieben, denn im dunklen Gang bildete es eine Stolperquelle. Zudem wollte ich Verletzungen des Hundes vermeiden. Das Tier war aber um so viel schwerer als ein Gepäckstück, es ließ sich nicht schieben und musste durch die Besitzerin per Zuruf wieder zum Nachrücken gebracht werden. Eine halbe Stunde lag es dann in der neuen Position. Wir besserten fortan halbstündig nach. Ein Passagier wäre mir in vergleichbarer Situation beim zweiten Mal wahrscheinlich an den Hals gesprungen, der Hund aber schien über alle Maßen geduldig.

Am Ende des Fluges informierte ich den Betreuungsdienst über die ungewöhnliche Situation. Der bereitgestellte Rollstuhl sei möglicherweise mehr für das Tier als die Dame, was den Herrn Betreuer wiederum ratlos zurückließ. Wie der Hund dann mit schwachen Hinterläufen zum Ausgang lief, wurde uns klar, dass es sich nicht um ein körperliches Gebrechen, sondern vielmehr um die Folgen der Narkose handelte. Das Tier war ja ursprünglich für den Transport im Frachtraum sediert worden. So klärten sich auf einen Schlag alle Fragen und Zweifel. Obwohl sich die Hündin bedingt durch Vorschriften für viele Stunden in einer recht misslichen Lage befand, hatte sie sich vorbildlich benommen. Zehn Stunden ohne Toilettengang, das soll erst mal ein anderer Fluggast nachmachen. Und ich empfand tiefes Mitgefühl, denn das Gangbild des Tieres glich zu diesem Zeitpunkt durch die eingeschränkte Benutzbarkeit der Hüftgelenke dem meinen doch mehr als gewöhnlich.

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Freitag, 4. Oktober 2019
Disappointed


Ehrlich gesagt finde ich keinen passenden ersten Satz für diesen Eintrag. Ähnlich wird's mir mit dem Schluss gehen. Was dazwischen folgt, ist ein Rant auf Umstände, die es mir schwer machen, mich auf meine Weise zu entfalten und zu entwickeln.

Über das vergangene Jahr habe ich mich mehrfach für die unterschiedlichsten Zusatzaufgaben innerhalb meiner Firma beworben. Es waren Aufgaben im Lehr- und Führungsbereich dabei und solche, die Veränderung und Repräsentation sowie Innovation beinhalteten, Für jede einzelne Bewerbung erhielt ich eine Absage. Die Gründe waren vielfältig, das Ergebnis dasselbe. Meine Arbeit macht mir Spaß, doch suche ich immer nach neuen Herausforderungen. Ich war von Anfang an für diesen Job überqualifiziert und mein letztes Studium hat dazu nur beigetragen. Die einen fühlen sich in ihrem Bereich durch mich bedroht, die anderen nicht genügend repräsentiert. Ich passe in kein herkömmliches Schema. Doch statt die neue, innovative Seite der Veränderung umzusetzen, beobachte ich täglich, wie gerade Andersdenkende ängstlich in ihre Schranken verwiesen werden.

So bleibt mir nichts als neue Wege zu beschreiten, die sehr wahrscheinlich nebenberuflich und selbständig aussehen werden. Mehr weiß ich gerade nicht. Nur eines: ich bin sehr, sehr enttäuscht.

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Mittwoch, 2. Oktober 2019
Midnight Snacks

Im Zuge wiederkehrender Meinungsverschiedenheiten in den Kommentaren bei der Kaltmamsell habe ich mal wieder mein eigenes Essverhalten reflektiert. Essen - oder vielmehr nicht essen - hat, ausser in meinen Jugendjahren, keine allzu große Rolle gespielt. Erstens habe ich dem Thema irgendwann nicht mehr allzu große Aufmerksamkeit geschenkt und zweitens war Essen nie ein besonders wichtiges Thema in meinem Leben. Natürlich esse ich bestimmte Gerichte gerne, habe mich aber weder dabei noch bei besonders kalorienhaltigen Nahrungsmitteln je zurückgehalten. Irgendwann ging mein Gewicht hoch. Schuld war die Schilddrüse. Irgendwann ging's wieder runter, verursacht von akutem Weltschmerz. Essen fungierte bei mir nie als Kompensat für Liebesentzug und nur selten als Selbstbestrafung.

Meine Mutter war ihr ganzes Leben auf Diät - selbst jetzt im hohen Alter noch. Ich finde das sehr fragwürdig, werde aber den Teufel tun und es ihr ausreden. Vielmehr bestätige ich sie damit, Gewichtsunabhängiges an ihr positiv hervorzuheben. Ich sehe aber, wie sehr viele Frauen unter diesem Thema mit allen Konsequenzen leiden. Als ich vor einigen Jahren ohne großartige Anstrengung aber mit Hunger und gleichzeitiger Appetitlosigkeit kämpfte und in Konsequenz zwei Kleidergrößen abnahm, erntete ich viele Komplimente. Das ließ mich etwas ratlos zurück, denn einerseits war das nicht mein Verdienst, sondern der meines Körpers und andererseits hätte ich viel lieber jemand fragen hören, ob mit mir alles in Ordnung sei. War's nämlich nicht. Als ich schließlich meine Garderobe angepasst hatte, waren die Kilos wieder drauf und die passenden Kleider weg. In Summe waren das aber nicht nur Depotkilos, sondern vor allem Muskulatur, die ja bekanntlich mehr wiegt und gleichzeitig an Hosenbeinen und Jacketschultern spannt. Ich hatte damals so viel Muskeln verbrannt, dass ich insgesamt zwar schlanker aber gleichzeitig viel schwächer war.

Also fing ich an, meine Ernährung umzustellen. Wenig bis keine Kohlenhydrate, mehr Proteine und Fette. Keine leichte Aufgabe bei gleichzeitigen Unverträglichkeiten, die die Lebensmittelauswahl noch mehr einschränkte. Es folgte eine seltsame Zeit, in der ich Heißhunger auf Kartoffeln und Nudeln entwickelte und mich gleichzeitig schwach fühlte. Den Tempelberg in Mexico habe ich nur mit Mühe geschafft. Schwindelanfälle und Übelkeit deuteten auf eine drohende Ohnmacht hin. Bald aß ich wieder was mir schmeckt. Meine Lebensgewohnheiten hatten sich aber geändert. Ich ging nicht mehr laufen, die regelmäßigen Tanztrainings fielen weg. Dafür nahmen die Stunden zu, die ich sitzend verbrachte, denn auch meinen Job konnte ich nicht mehr in Vollzeit ausüben. Die Menge der Nahrungsaufnahme stieg, vermutlich auch als Kompensation aufkommender Langeweile und Ablenkungshandlung.

Der Trainer aus dem Fitnessstudio legte mir letztes Jahr einen Plan vor, der mir vernünftig schien. Wichtige Regeln waren Kohlehydrate nur bis nachmittags und die Getränke mitbeachten, denn man nimmt viel unnütze Kalorien durch Getränke und Nebenbeis auf, wie die Schwesterfraudoktor in diesem Artikel beschreibt. Das Programm war ziemlich erfolglos, weil ich morgens nach Nachtflügen meine Kohlenhydrate zu mir nahm und danach schlafen ging. Die meisten Pläne sind auf Leute mit geregeltem Biorhythmus zugeschnitten, durch meinen Job falle ich aber aus allen Kategorien. Zudem mag ich keine pürierte Flüssignahrung - im Volksmund Smoothies genannt. Ich muss kauen dürfen.

Inzwischen habe ich wohl altershormonbedingt etwas zugelegt. Wiegen tu ich mich nicht aber die Kleidung spannt. Das ist insofern doof, weil meine Uniform nicht mehr passt und ich das Jahreskontingent durch neue Jackets bereits überschritten habe. Ein neuer Plan muss her - einer, der nicht durch Muskelabbau und Metabolismusverlangsamung funktioniert. Zudem experimentiere ich gerade mit diversen Nahrungsmitteln bzw. ihrer Vermeidung. Dazu gehören Fleisch und sehr Histaminhaltiges, ausserdem wird der Zuckerkonsum auf ein Minimum reduziert. Das soll sich positiv auf die Entzündungsherde in meinem Körper auswirken, hab' ich gelesen. Wer bei jeder Bewegung Schmerzen spürt, ist auch bereit, unkonventionelle Wege zu beschreiten. Das klingt alles nicht spaßig und wenn ich so ein paar Zentimeter Bauchumfang verliere, freue ich mich natürlich darüber. Mein Ziel ist aber eine anhaltende Veränderung meiner Gewohnheiten, kein dauerhafter Zwang.

Es gibt nichts, was sich auf Dauer nicht ändert, der menschliche Körper eingeschlossen. Wichtiger als ein Ansatz außen, ist die Veränderung von innen, die sich irgendwann immer auch außen zeigt. So ist das nicht nur aber auch mit dem Körpervolumen. Ich glaube, in Stein gemeißelte Gewichtsangaben sind purer Unfug, ebenso wie BMIs und IQs. Leben ist dynamisch, und wenn es das nicht wäre, wäre es nicht lebendig. Im Grunde gibt es also nichts, was ich mit Sicherheit von mir behaupten könnte, was uns zu einem ganz anderen Thema führt. Das Thema lautet: das menschliche Bedürfnis zur Kategorisierung aus Angst vor Unsicherheit. Diese Kiste werde ich heute aber nicht mehr öffnen - schon gar nicht mehr ungefragt.

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