Sonntag, 2. Februar 2020
Like a Virgin
Bei so einem schönen Datum (Palindrom) muss ich unbedingt was schreiben. Die vergangenen Tage hatte ich ein paar erste Male, z.B. bin ich zum ersten Mal mit einem Carsharing Auto gefahren. Das war insofern aufregend, weil es die nur mit Automatikgetriebe gibt. Erstes Mal Automatik nach über 30 Jahren Schaltung. Stellen Sie sich also eine etwas nervöse und aufgetakelte Frau vor, die abends vor einem Auto steht und dieses zunächst hektisch mittels einer App entsperrt, einsteigt und dann passiert erst mal von aussen betrachtet länger nichts.

In der Innenansicht sieht das schon sehr anders aus. Fahrige Handbewegungen, Schweißausbrüche beim tastenden Suchen des links vermuteten Kupplungspedals, Fluchlaute und murmelnde Lippenbewegungen. Dann springt der Mini endlich an. Von Bewegung aber noch keine Spur. Erst hektisches Herumfuchteln vor dem Autoradio in der Mittelkonsole, während laute Beats nach aussen dringen. Schließlich der erleichterte Blick über die linke Schulter vor dem vermuteten Anfahren. Immerhin leuchten die Scheinwerfer und auch der Blinker ist gesetzt. Noch bewegt sich aber nichts. Die Frau im Auto rührt am Automatiknupsi herum als wäre es ein Fünfgangschaltknüppel. Dann sucht sie den Entsperrknopf zum Losfahren, wie es die Digitalanzeige in der Mittelkonsole anmahnt. Mit ratlosem Gesichtsausdruck drückt sie wild alle Knöpfe im Inneren des Autos. Die Musik springt wieder an. Irgendwann setzt sich das Auto in Bewegung - ruckartig nach vorne. Gut, dass da Platz ist. Auch nach hinten hat der Vormieter beim Einparken glücklicherweise Platz gelassen. Sie bugsiert den Kleinwagen stotternd aus der Lücke und fährt los, genau einen Meter vorwärts. Dann bremst der Wagen ruckartig.

Wie aus einer schlechten Slapstick Komödie rollt der Mini die folgenden 300 Meter unterbrochen durch abruptes Anfahren und Bremsen über die Anwohnerstraße. Immerhin, er bewegt sich. Die nächsten 30 Kilometer wird die Frau entdecken, wie man diese Sorte Auto nur mit dem rechten Fuß bedient, wie man elegant anfährt und schließlich auch an roten Ampeln und Kreuzungen sanft bremst, ohne das Gesicht der Beifahrerin jedes Mal knapp vor das Handschuhfach zu drücken. Irgendwann nimmt auch diese Fahrt ihr Ende. Zum Einparken findet sie einen Vorwärtsparkplatz und ist heilfroh, den Mini abzuschließen.

Am nächsten Tag ein neues Auto - der kleinste unter den Sternewagen. Wieder ist es Abend, doch diesmal bewegt sich der Wagen viel schneller und sanfter. Nach der Hälfte des Weges durch die Stadt die Erkenntnis, dass es sich mit Licht besser fährt. Nicht nur wegen der Sichtbarkeit, sondern weil man einfach so schlecht sieht, wenn man von den anderen Autos angeblendet wird. Dann auf der Heimfahrt - inzwischen fährt es sich schon sehr weich und sicher - nimmt eine Polizeistreife Kontakt auf. Sie wissen schon, diese im Rückspiegel lesbare Leuchtschrift, als hätte man nicht schon längst kapiert, dass dieses hinter einem fahrende blau blinkende Auto mit der Aufschrift Polizei die Fahrerin zu einem kleinen Stelldichein bittet.

Also angehalten, Scheibe runter - wieder so ein Knopf, der im Dunkeln nicht so leicht zu finden ist. Die uniformierten Herren bitten um Einsicht in die Papiere, die sich in der Tasche hinter dem Fahrersitz befinden. In dieser Sorte kleines Auto ist aber hinter dem Fahrersitz Schluss, weshalb der Zugang zur Tasche nur über die Hecktüre möglich ist. Ich darf aussteigen und wühle in der Tasche, während die Fahrertüre sperrangelweit offen steht. Keine Ahnung was passiert, wenn ich die Türe schließe; womöglich beende ich damit die Miete und muss heimlaufen. Der freundliche Beamte schließt die Türe. Meinen rosa Führerschein betrachtet er lange im Schein seiner Taschenlampe, mich auch, und zum ersten Mal fällt mir auf, dass ich auf dem Bild 17 jährig dieselbe Haarfarbe und Frisur trage wie derzeit. Der junge Mann erkennt mich trotzdem nicht und möchte den Ausweis sehen. Ich bin ein bisschen indigniert, schließlich habe ich mich seit 34 Jahren kaum verändert. Dann möchte er wissen, ob ich was getrunken habe. Ein Glas Prosecco vor einer Stunde, sage ich, während sein Kollege das Messgerät holt.

Ich bin 32 Jahre aktiv Auto gefahren, war aber noch nie in einer Alkoholkontrolle. Dementsprechend aufgeregt bin ich. Natürlich wissen die Beamten, dass ein Glas Prosecco zwei oder mehr bedeutet, zumindest bei den meisten Befragten. Auch Anästhesisten verdoppeln die angegebene Menge regelmäßig konsumierter Genussmittel automatisch, denn die meisten Menschen sind nicht ehrlich, wenn sie ein schlechtes Gewissen haben. Ich habe wirklich nur ein Glas vor einer Stunde getrunken. Das andere war schon drei Stunden her. Der Polizist reicht mir ein in Folie verpacktes Plastikröhrchen, das ich auswickle und ihm die Folie wieder zurückgebe. Er wirkt überrascht, ich bin jedoch sicher, die Jungs werden alle Folien nach Schichtende umweltgerecht entsorgen. Das Röhrchen nimmt er später leider nicht zurück, das muss ich selbst entsorgen.

Während ich das Röhrchen auf den Tester stecke, muss ich an den Tipp eines ehemaligen Kommilitonen denken. In der Blasinstrumentenabteilung der Hochschule und später des Orchesters wurde stets sehr viel Alkohol konsumiert. Doch Bläser beherrschen eine Technik, die sich Zirkuläratmung nennt und die schon so Manchem den Führerschein gerettet hat. Ich beschließe, dass dies ein guter Moment sei, um es zum ersten Mal auszuprobieren. Der Automat wertet meinen ersten Versuch als ungültig. Auch der zweite ist nicht in Ordnung. Beim dritten bin ich vor dem Gerät fertig. Der junge Beamte redet beruhigend auf mich ein. Ich bräuchte nicht nervös zu sein, sagt er, ein Glas Prosecco vor einer Stunde sei okay. Ich sage, es sei halt mein erstes Mal und hole erneut Luft. Auch dieser Versuch ist ungültig. Der andere Polizist beginnt nun, mir gewisse Blastechniken zu beschreiben. Wie in einen Luftballon solle ich hineinblasen, lang und fest. Ich sage, es fehle mir der Widerstand und merke an seinem Gesichtsausdruck, dass der junge Mann keine Ahnung von Blasinstrumenten und Luftballons hat. Ich wiederum habe keine Chance mit Klugscheisserei hier wegzukommen, folglich hole ich nochmal tief Luft und blase so, wie es die gewöhnlichen Leute tun.

Der Mann starrt auf die Anzeige. Ich befürchte, er möchte jetzt an mein Blut, er wiederum hat nur leichte Sehstörungen. Dann sagt er, es sei alles in Ordnung, was ich auch zu dem Zeitpunkt noch glaube. Ein paar Minuten später ist nichts in Ordnung. Die Beamten sind mit ihrem Auto weg, ich aber versuche verzweifelt, den Kleinwagen zum Fahren zu bewegen. Irgendeine Sperre ist aktiviert, wobei ich zunächst vermute, dass sich über die Dauer der vergangenen 25 Minuten das Licht an der Batterie verköstigt hat. Ich drücke und schalte, doch nichts passiert. Auch die App hilft nicht weiter. Sie wiederholt nur was ich schon weiß: der Motor ist gesperrt. Keine Ahnung was ich gemacht habe aber irgendwann springt der Motor an. Ich bin erleichtert, finde schnell einen Parkplatz - vorwärts wohlgemerkt - und laufe etwa 200 Meter durch den Regen zu mir heim. Vor dem Haus ist ein Parkplatz frei.

Am nächsten Tag fühle ich mich wie ein Profi, als ich das smarte Auto per App reserviere. Die Tankanzeige ist niedrig, sehr niedrig, also schaue ich gleich noch nach, wie das geht mit dem Tanken. Es gibt Vertragstankstellen und die nächstmögliche liegt auf dem Weg. Dort tanke ich voll. Die Tankkarte unter dem Armaturenbrett ist aber die eines anderen Anbieters. Folglich habe ich der Firma eine volle Tankladung geschenkt. Dafür fahre ich dann später auch einen größeren Umweg. Lohnt sich ja sonst nicht. Fahren und Parken geht schon sehr gut. Nicht gut komme ich mit dem Navi zurecht, das sich inzwischen aus unerfindlichen Gründen kompassgerecht gedreht hat. So irre ich ein bisschen durch die Stadt, denn meine Form der Orientierung ist die nach Himmelsrichtungen. Oben ist Norden, unten Süden und alles andere sehe ich normalerweise, wenn ich aus dem Fenster schaue. Das funktioniert auch sehr gut, wenn sich Straßen nicht biegen oder plötzlich ihre Namen ändern. Schließlich ignoriere ich das Navi und kreise um die Baustellenabsperrungen, wohne ich doch schon lange genug in der Innenstadt. Irgendwann nimmt auch diese Fahrt ihr Ende.

Vor dem Haus ist ein Parkplatz frei. Dummerweise wird der aber von einer Polizeikontrolle blockiert. Da hat's einen anderen armen Carsharewicht erwischt, denke ich und manövriere das Auto knapp hinter dem Polizeiwagen vorwärts in die kleinstmögliche Lücke. Damit hat sich auch die Frage gelöst, wieso die Beamten mich tags zuvor anhielten, obwohl ich doch demonstrativ wegsah, als sie neben mir an der Ampel warteten. Sind die doch unerlaubterweise auf meine Spur gewechselt, um mir Rechtsabbiegenden hinterherzufahren. Ich hab's im Rückspiegel beobachtet. Ein Leihauto wirkt wohl verdächtig. Das wird mich in Zukunft nicht vom Ausleihen abhalten, denn diese Form der Fortbewegung ist bei Unmöglichkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ohne eigenes Auto die beste in der Stadt. Ich bin da jetzt Vollprofi.

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Mittwoch, 29. Januar 2020
But you dance, dance, dance
Kürzlich stieß ich auf einen kurzen Tanzclip bei YT. Darin ist eine Frau zu sehen, die Flamenco im Herrenkostüm tanzt. Die Dame heißt Carmen Amaya, auch la Capitana genannt.Man könnte meinen, das Kostüm sei nichts Ungewöhnliches. Allerdings stammen die Aufnahmen aus dem Hollywood Musical Film Follow the boys von 1944. Und das Kostüm geht noch viel weiter zurück.

Carmen Amaya war eine fantastische Flamencotänzerin. Tatsächlich behaupteten Zeitzeugen, ihre Fußtechnik sei so schnell und sauber gewesen, dass sie sich als erste Frau das traditionelle Kostüm der männlichen Tänzer hätte anziehen dürfen. Andere Zeitzeugen sagen wiederum, ihr starker und unvorhersehbarer Charakter hätten sie auch bei Widerspruch nicht davon abgehalten. Bereits mit 4 Jahren trat sie gemeinsam mit ihrem Vater auf der Straße auf, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Schon bald hatte sie nicht nur den, sondern auch Ruhm und Spitznamen verdient. Eine sehr ungewöhnliche Karriere für ein Roma-Kind aus ärmsten Verhältnissen.

Wer des Spanischen mächtig ist, dem empfehle ich die Dokumentation Carmen! La Capitana, um mehr über sie zu erfahren. Wer aber nur mal eben gucken möchte, der kann das im folgenden Clip. Beachten Sie dabei unbedingt diesen kraftvollen Ausdruck in Kopf- und Armbewegungen bei 2:10. Ich denke, Carmen Amaya hat mindestens so viel Beachtung wie ein Fred Astaire verdient. Man könnte spekulieren, ob dieser Ruhm nicht ganz so lange anhielt wie der des männlichen Kollegen, weil sie als Frau so gar nicht in ihre gesellschaftliche Rolle passte. Den posthumen Ruhm bekommt sie dann halt in meinem Blog. Que viva la Capitana!

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Dienstag, 21. Januar 2020
Sun is Shining


Die Sonne gibt heute alles, während ich langsam zum Knochendoktor an der Theatinerkirche vorbei schleiche. Ich ahne, dass was nicht stimmt, will's aber nicht wahrhaben. Eigentlich sollte doch schon längst und vor allem wo ich doch so jung und so weiter. Fakt ist aber, dass die Schmerzen und die Krücken immer noch da sind. Dann das Urteil: Geduld, Heilung verzögert, wahrscheinlich zu viel Belastung und zu wenig Ruhe, wahrscheinlich der Ilio, weil auf dem Röntgenbild alles im grünen Bereich. Das Bein kann ich trotzdem nicht heben. Die Laune heute auch nicht.

Morgen schließe ich ein fulminantes Jahr ab. Eines das mit einer tollen Feier und einigen tollen Begegnungen begann, das viel Neues, viel Fernes und Kurioses aber auch viel Schmerzen und viel Tränen brachte. Ich habe viel gelernt und viel gelassen, viel getan und viel gelebt. Dankbarkeit für dieses Lebensjahr, wenn es auch in Teilen keines ist, an das ich mich erinnern, so doch eines, das ich auf keinen Fall missen möchte. Das Gute überwiegt das Schwierige. So darf es gerne weitergehen.

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