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Mittwoch, 23. Februar 2022
All Eyes on Us
frau klugscheisser, 16:01h
Sehr verehrte Menschen, die sich mittels eines Flugzeugs von einem Ort zum nächsten transportieren lassen, wenn wir Ihnen raten, zum jetzigen Zeitpunkt die Toiletten nicht aufzusuchen, sich stattdessen anzuschnallen und den Gurt festzuziehen, dann gibt es dafür einen Grund. Meistens haben die Piloten nämlich auf dem Radar eine hässliche rote Fläche von unbestimmtem Ausmaß direkt auf der berechneten Flugroute geortet. Diese Fläche induziert in ihrer Farbigkeit eine Verdichtung bestimmter Partikel wie es beispielsweise bei Wolken der Fall ist. Sie kennen das von den Coronainzidenzkarten. Dort wo es am dunkelsten ist, möchte man gerade jetzt nicht sein, ist es aber im Falle von kerosinturbinengetriebenen Reisen ziemlich schnell. So schnell, dass der Pilot unter Umständen nicht mal mehr die aus zwei Buchstaben bestehenden Flugzeugkennung an den am Boden befindlichen Lotsen melden kann bevor es scheppert.
Stellen Sie sich das in etwa so vor: im Verkehrsfunk wird Stau auf Ihrer Strecke gemeldet, während Sie vor sich noch freie Bahn sehen. Das Stauende kündigt sich nicht immer durch Vorbremsende langsam an, es könnte ganz unvermittelt hinter einer Biegung liegen. Und dann hat auch der Bremsautomat schlechte Karten. Haben Sie schon mal Wind gesehen, ohne Bäume oder andere Gegenstände, die sich bewegen? So ähnlich sieht es aus, wenn Sie aus dem Flugzeugfenster starren. Sie sehen nichts. Dafür spüren Sie plötzlich sehr viel. Beispielsweise könnten Sie die Taschen, Hunde, Kinder oder andere lose Mitreisende spüren, die Sie beim freien Fall streifen. Und glauben Sie mir, dass Sie sich dann nicht einfach mal eben festhalten können. Die Wucht, mit der ein Flieger durch unterschiedliche Luftdruckschichten geschleudert wird, kann maximal mit einem großen Tanker verglichen werden, der durch hohen Seegang schlingert. Dieser Worst Case muss nicht eintreffen, falls er es jedoch tut, sind wir froh, alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben.
Wenn wir Sie also bitten, sich zu setzen und anzuschnallen, tun wir dies selbstverständlich ebenfalls. Wir können Sie nicht dazu zwingen, werden aber in weiser Voraussicht selber nicht mehr aufstehen, um Ihnen ein Kissen, ein Getränk oder irgendwas anderes zu bringen. Wenn Sie also meinen, uns anschreien und als unverschämt bezeichnen zu müssen, weil wir gerne mit heilen Knochen heimkehren, ist das nicht nur unangebracht, sondern vor allem höchst bedenklich. Dann kann es Ihnen durchaus passieren, dass später die Chefin höchstpersönlich vor Ihnen steht und Ihnen erklärt, dass Ihr Verhalten Konsequenzen haben kann. Diese Konsequenzen ergeben sich aus dem Kleingedruckten, dem Sie beim Kauf Ihres Tickets zustimmten und bestehen aus Mahnungen bis hin zum Ausschluss von zukünftigen Flügen. Sollten Sie das begriffen haben, wird Ihnen die Chefin diese Konsequenzen möglicherweise erlassen. Was Sie Ihnen allerdings nicht erlässt, ist eine persönliche Entschuldigung bei der betreffenden Mitarbeiterin, gegenüber derer Sie Ihre Stimme erhoben haben. Bei der letzten Begebenheit hat mein Appell an den letzten Funken menschlichen Anstands jedenfalls gewirkt. Das Ehrgefühl der Kollegin wurde durch eine Entschuldigung des betreffenden Passagiers wiederhergestellt.
Stellen Sie sich das in etwa so vor: im Verkehrsfunk wird Stau auf Ihrer Strecke gemeldet, während Sie vor sich noch freie Bahn sehen. Das Stauende kündigt sich nicht immer durch Vorbremsende langsam an, es könnte ganz unvermittelt hinter einer Biegung liegen. Und dann hat auch der Bremsautomat schlechte Karten. Haben Sie schon mal Wind gesehen, ohne Bäume oder andere Gegenstände, die sich bewegen? So ähnlich sieht es aus, wenn Sie aus dem Flugzeugfenster starren. Sie sehen nichts. Dafür spüren Sie plötzlich sehr viel. Beispielsweise könnten Sie die Taschen, Hunde, Kinder oder andere lose Mitreisende spüren, die Sie beim freien Fall streifen. Und glauben Sie mir, dass Sie sich dann nicht einfach mal eben festhalten können. Die Wucht, mit der ein Flieger durch unterschiedliche Luftdruckschichten geschleudert wird, kann maximal mit einem großen Tanker verglichen werden, der durch hohen Seegang schlingert. Dieser Worst Case muss nicht eintreffen, falls er es jedoch tut, sind wir froh, alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben.
Wenn wir Sie also bitten, sich zu setzen und anzuschnallen, tun wir dies selbstverständlich ebenfalls. Wir können Sie nicht dazu zwingen, werden aber in weiser Voraussicht selber nicht mehr aufstehen, um Ihnen ein Kissen, ein Getränk oder irgendwas anderes zu bringen. Wenn Sie also meinen, uns anschreien und als unverschämt bezeichnen zu müssen, weil wir gerne mit heilen Knochen heimkehren, ist das nicht nur unangebracht, sondern vor allem höchst bedenklich. Dann kann es Ihnen durchaus passieren, dass später die Chefin höchstpersönlich vor Ihnen steht und Ihnen erklärt, dass Ihr Verhalten Konsequenzen haben kann. Diese Konsequenzen ergeben sich aus dem Kleingedruckten, dem Sie beim Kauf Ihres Tickets zustimmten und bestehen aus Mahnungen bis hin zum Ausschluss von zukünftigen Flügen. Sollten Sie das begriffen haben, wird Ihnen die Chefin diese Konsequenzen möglicherweise erlassen. Was Sie Ihnen allerdings nicht erlässt, ist eine persönliche Entschuldigung bei der betreffenden Mitarbeiterin, gegenüber derer Sie Ihre Stimme erhoben haben. Bei der letzten Begebenheit hat mein Appell an den letzten Funken menschlichen Anstands jedenfalls gewirkt. Das Ehrgefühl der Kollegin wurde durch eine Entschuldigung des betreffenden Passagiers wiederhergestellt.
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Dienstag, 22. Februar 2022
Two Thousand Years
frau klugscheisser, 23:22h
Dieses Datum, diese Uhrzeit. Vor allem heute.
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Getting Older
frau klugscheisser, 10:21h
Die letzte große Feier liegt neun Jahre zurück. Ich erinnere mich noch ganz genau an das Treppenhaus in Salzburg, das WG Zimmer und die Küche, in der sich am Ende jede Party einfindet. Du wohntest hier, weil Du in der Stadt eine neue Stelle angetreten hattest. An jenem Abend war ich, wie immer, mit Abstand die Älteste, und insgeheim hatte ich in den Tagen bis zu diesem Geburtstag oft die Jahre überschlagen, die uns trennten. 14 Jahre, in denen ich mengenmäßig vielleicht mehr und vor allem andere Erfahrungen als Du gemacht hatte. Du hast mich immer ganz selbstverständlich akzeptiert und in Deinen Bekanntenkreis integriert. Ich hingegen schluckte an dem Abend schwer an der Alterskröte. Zum ersten Mal hatte ich bei Deiner Geburt nachgerechnet, später immer an den Geburtstagen. Wie alt würde ich sein, wenn Du in die Schule kommst, wenn Du volljährig wirst oder zu arbeiten beginnst? Dazwischen verging die Zeit. Das Ereignis war ganz leise herangeschlichen und hatte mich rücklings überwältigt. Du warst jetzt 30. Und ich?
Da gab es all diese Vorstellungen in meinem Kopf, wie mein Leben aussehen würde, wenn Du 30 wärst. Vielleicht hätte ich eine Familie aber ganz bestimmt eine Partnerschaft, eine größere Wohnung, einen tollen Job, kurzum all das, was man gemeinhin als gesicherte Verhältnisse bezeichnet. Ich hätte Dir gerne Ratschläge gegeben - schließlich macht man das so als ältere Schwester. Nun waren aber meine Verhältnisse alles andere als gesichert und ich nicht in der Position, die man als vorbildhaft beschreiben würde. Im Gegensatz dazu hattest Du die beständigeren Beziehungen, den besseren Job und Träume, die Du mit allen Dir gegebenen Möglichkeiten umsetztest. Sogar die Vernunft war auf Deiner Seite, während in meiner Tasche eine Schachtel Zigaretten steckte, die ich nach langer Abstinenz an diesem Abend zu rauchen plante. Wenn ich mich schon schlecht fühlte, dann wenigstens so richtig.
Obwohl ich mich nie wirklich auf konventionellen Pfaden bewegte, ließen mich gesellschaftliche Konventionen immer wieder über meine eigenen Füße stolpern. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich begriff, dass diese Dinge, die ich zu wollen glaubte, nicht aus meinen Bedürfnissen entsprangen. So verbrachte ich viel Zeit mit Selbstsabotage. Du wirst Dich gerade fragen, wieso ich so viel von mir schreibe, wo heute doch Dein Tag ist. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anbringen, dass wir die Welt und die Menschen darin immer in Bezug auf uns selbst begreifen.
Du warst so oft geduldig mit mir, hast mir am Telefon zugehört und in den dunklen Tagen die Kommunikation nie abreissen lassen. In Deiner Güte hast Du mir immer eine Hand gereicht und mich wissen lassen, dass Deine Türe für mich offen steht. Wir waren nicht immer einer Meinung aber immer wohlwollend gegenüber einander. Und das, meine Liebe, werde ich von Dir immer im Herzen tragen. Lass mich Dir im Gegenzug nur eines weitergeben - ja, jetzt kommt die große Schwester zum Zug. Mit Beständigkeit und etwas Glück treibt alles im Leben in eine Richtung, die wir am Ausgangspunkt nicht für möglich gehalten hätten. Der Schlüssel dazu liegt in uns selbst, denn nicht nur die Umstände, sondern zuallererst verändern wir uns ständig. Ich schreibe Dir das heute, weil der bevorstehende Eintritt in eine neue Dekade oft ein mulmiges Gefühl in uns auslöst - vor allem im letzten Jahr der alten. Das Unbekannte macht uns Angst. Vielleicht ist es aber nur die Angst vor unseren eigenen Meinungen und Gedanken. Und wenn Du an unserem Beispiel zurückschaust, ist dieses Älterwerden vielleicht gar nicht so schlimm.
An jenem Abend hatte ich zu Deinem runden Geburtstag eine kleine Rede gehalten, von der ich heute nichts mehr weiß. Im Vorfeld wolltest Du mich davon abbringen, aus Angst, es könnte peinlich werden. Ich weiß nur noch, dass ich vorher fürchterlich viel getrunken, geraucht, mich hinterher in's Waschbecken übergeben habe und dann in Deinem Bett eingeschlafen bin, während die Party um mich herum weiterlief. Das war dann der eigentlich peinliche Part. Die Rede aber fanden alle sehr schön. Im Grunde ist nichts so schlimm wie in unserer Vorstellung. Nicht einmal Geburtstagsreden.
Da gab es all diese Vorstellungen in meinem Kopf, wie mein Leben aussehen würde, wenn Du 30 wärst. Vielleicht hätte ich eine Familie aber ganz bestimmt eine Partnerschaft, eine größere Wohnung, einen tollen Job, kurzum all das, was man gemeinhin als gesicherte Verhältnisse bezeichnet. Ich hätte Dir gerne Ratschläge gegeben - schließlich macht man das so als ältere Schwester. Nun waren aber meine Verhältnisse alles andere als gesichert und ich nicht in der Position, die man als vorbildhaft beschreiben würde. Im Gegensatz dazu hattest Du die beständigeren Beziehungen, den besseren Job und Träume, die Du mit allen Dir gegebenen Möglichkeiten umsetztest. Sogar die Vernunft war auf Deiner Seite, während in meiner Tasche eine Schachtel Zigaretten steckte, die ich nach langer Abstinenz an diesem Abend zu rauchen plante. Wenn ich mich schon schlecht fühlte, dann wenigstens so richtig.
Obwohl ich mich nie wirklich auf konventionellen Pfaden bewegte, ließen mich gesellschaftliche Konventionen immer wieder über meine eigenen Füße stolpern. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich begriff, dass diese Dinge, die ich zu wollen glaubte, nicht aus meinen Bedürfnissen entsprangen. So verbrachte ich viel Zeit mit Selbstsabotage. Du wirst Dich gerade fragen, wieso ich so viel von mir schreibe, wo heute doch Dein Tag ist. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anbringen, dass wir die Welt und die Menschen darin immer in Bezug auf uns selbst begreifen.
Du warst so oft geduldig mit mir, hast mir am Telefon zugehört und in den dunklen Tagen die Kommunikation nie abreissen lassen. In Deiner Güte hast Du mir immer eine Hand gereicht und mich wissen lassen, dass Deine Türe für mich offen steht. Wir waren nicht immer einer Meinung aber immer wohlwollend gegenüber einander. Und das, meine Liebe, werde ich von Dir immer im Herzen tragen. Lass mich Dir im Gegenzug nur eines weitergeben - ja, jetzt kommt die große Schwester zum Zug. Mit Beständigkeit und etwas Glück treibt alles im Leben in eine Richtung, die wir am Ausgangspunkt nicht für möglich gehalten hätten. Der Schlüssel dazu liegt in uns selbst, denn nicht nur die Umstände, sondern zuallererst verändern wir uns ständig. Ich schreibe Dir das heute, weil der bevorstehende Eintritt in eine neue Dekade oft ein mulmiges Gefühl in uns auslöst - vor allem im letzten Jahr der alten. Das Unbekannte macht uns Angst. Vielleicht ist es aber nur die Angst vor unseren eigenen Meinungen und Gedanken. Und wenn Du an unserem Beispiel zurückschaust, ist dieses Älterwerden vielleicht gar nicht so schlimm.
An jenem Abend hatte ich zu Deinem runden Geburtstag eine kleine Rede gehalten, von der ich heute nichts mehr weiß. Im Vorfeld wolltest Du mich davon abbringen, aus Angst, es könnte peinlich werden. Ich weiß nur noch, dass ich vorher fürchterlich viel getrunken, geraucht, mich hinterher in's Waschbecken übergeben habe und dann in Deinem Bett eingeschlafen bin, während die Party um mich herum weiterlief. Das war dann der eigentlich peinliche Part. Die Rede aber fanden alle sehr schön. Im Grunde ist nichts so schlimm wie in unserer Vorstellung. Nicht einmal Geburtstagsreden.
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Dienstag, 15. Februar 2022
Ladies in Their Sensitivities
frau klugscheisser, 20:09h
Wenn er mit wirklich schlechtem Nachtschlaf anfängt, hat der Tag schon zu Beginn verloren. Dann sind die Nachbarn zu laut, das Essen zu heiß, das Wetter zu trübe und die eigene Laune im Keller. Dabei ist von aussen betrachtet alles wie immer. Die Nachbarn sind lebendig, das Essen schneller warm al erwartet, das Wetter macht eine Pause und meiner Laune ist das alles herzlich egal. Was ist dann anders als sonst?
Ich reagiere extrem empfindlich auf Reize aus meinem Umfeld. Handlungen anderer Leute beziehe ich viel zu schnell und ohne triftige Gründe auf mich. Überhaupt scheint mein sogenanntes Erregungspotential erhöht - oder die Auslöseschwelle für eine irrationale Reaktion viel zu niedrig. Ich bin äusserst unruhig und in mir nicht daheim. Und das fühlt sich sehr unangenehm an. Früher hätte ich in so einem Zustand geraucht oder getrunken oder beides. Heute vermeide ich diese Art Ablenkungsmanöver. Naja, nicht ganz, an solchen Tagen surfe ich völlig unreguliert im Netz, ohne mich auf längere Texte konzentrieren zu können.
Klar, Hormone. Andererseits sind Hormone nicht nur zu bestimmten Zeiten am Werk, sondern eigentlich immer. Mit dem Unterschied, dass ich dünnhäutiger bin als sonst. Die gute Seite drin finden, sich akzeptieren, umdeuten, ach lasst mich doch alle in Ruhe mit dem Scheiß. Ich geh' jetzt springen. Morgen manifestiert sich meine schlechte Laune an der entzündeten Achillessehne und ich habe wenigstens einen Grund dafür.
Ich reagiere extrem empfindlich auf Reize aus meinem Umfeld. Handlungen anderer Leute beziehe ich viel zu schnell und ohne triftige Gründe auf mich. Überhaupt scheint mein sogenanntes Erregungspotential erhöht - oder die Auslöseschwelle für eine irrationale Reaktion viel zu niedrig. Ich bin äusserst unruhig und in mir nicht daheim. Und das fühlt sich sehr unangenehm an. Früher hätte ich in so einem Zustand geraucht oder getrunken oder beides. Heute vermeide ich diese Art Ablenkungsmanöver. Naja, nicht ganz, an solchen Tagen surfe ich völlig unreguliert im Netz, ohne mich auf längere Texte konzentrieren zu können.
Klar, Hormone. Andererseits sind Hormone nicht nur zu bestimmten Zeiten am Werk, sondern eigentlich immer. Mit dem Unterschied, dass ich dünnhäutiger bin als sonst. Die gute Seite drin finden, sich akzeptieren, umdeuten, ach lasst mich doch alle in Ruhe mit dem Scheiß. Ich geh' jetzt springen. Morgen manifestiert sich meine schlechte Laune an der entzündeten Achillessehne und ich habe wenigstens einen Grund dafür.
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