Montag, 12. Mai 2008
Don't panic
Coldplay

Was mich von den meisten Menschen unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich mir ziemlich sicher über den Tag bin, an dem ich sterben werde. Der Tag an dem ich sterbe, wird ein Feiertag sein.

Sonntage sind nur halbwegs schlimm. Meinetwegen darf ein Sonntag auch mit einem Feiertag zusammentreffen. Was auf keinen Fall geht, sind Sonntage gefolgt von Feiertagen. Oder eine Feiertagsserie. Weihnachten beispielsweise ist so ein Fall, obwohl man da noch mit der Barmherzigkeit seiner Mitmenschen rechnen kann. Die schlimmsten Feiertage des Jahres sind Ostern und Pfingsten. OsterMONTAG! PfingstMONTAG! Geht gar nicht, braucht kein Mensch.

An diesen Tagen arbeite ich meistens freiwillig und besonders gerne, denn damit ist meine Grundversorgung gewährleistet. Bin ich wider erwarten zuhause, muss ich mich beizeiten selbst darum kümmern. Also wird Freitag eingekauft, weil man sich als halbwegs normaler Mensch samstags nicht freiwillig in einen Supermarkt begibt, es sei denn, man steht auf Grenzerfahrungen. Freitag Abend, spätestens aber Samstag nachmittag ist fast alles Naschwerk verzehrt. Samstagnacht greife ich auf der Suche nach Süßigkeiten verzweifelt in den Obstkorb, was zum Ergebnis einen leeren selbigen am Sonntagmorgen und ordentliche Blähungen in der Nacht hat. Was die Schnitzel-Salat-Orgien angeht, die beginnen bereits Samstag zum Frühstück, Schnitzel wegen dem Eiweiß und Salat geht ja immer. Beim letzten Schnitzel ist es auch schon Sonntagabend, obwohl als drei vollständige Menüs vorherberechnet. Und die Champignons müssen sowieso weg, genau wie die Tomaten, die man so prima zwischendurch mit Mozzarella wegen der Hitze und Sie wissen schon.

Montags sitze ich vor einem leeren Kühlschrank, das Suppenreservoir ist seit dem letzten Montagsfeiertag (OsterMONTAG, wir erinnern uns?) noch nicht wieder gefüllt und die letzten Dosen spätestens Mittag geplündert. Überhaupt wird man an solchen Tagen unglaublich kreativ. Die Dose geschälte Tomaten, die so lange auf ihre eigentliche Bestimmung wartete, um dann doch nicht mit den italienischen Nudeln zusammengeführt zu werden, sondern sich einen Topf mit Speckwürfeln und Kartoffelstückchen teilt. Die Maiskörner, die in einer Pfanne neben kleingehackten Pepperoni unter zwei Scheiben Restkäse darben.

Wenn dann der letzte Basilikum gerodet, die letzte Suppentüte verrührt und der letzte Speck gebraten, stelle ich fest, dass man von Geld heute nichts mehr kaufen kann. Gegen vier habe ich wieder Hunger. Mehrmals laufe ich in die Küche, öffne Türen von Schränken - namentlich solchen die kühlen - und schließe sie frustriert wieder. Jetzt beginnt die Ablenkungsphase. Das Leben besteht ja schließlich nicht nur aus essen. Ich stelle fest, dass mein CD-Rom Laufwerk nicht richtig funktioniert. Wäre heute kein Feiertag, könnte ich mal eben in einen Computerladen und ein neues kaufen. So aber muss ich mich geschlagen geben. Heute also keine DVD. Lesen geht auch nicht, denn in Büchern essen Menschen meistens irgendwann irgendetwas. Außerdem bin ich zu schwach, um dreihundert Seiten zu stemmen.

Spätestens hier werden meine Leser aus Berlin, Hamburg und Düsseldorf ungläubig den Kopf schütteln. In diesen Städten gibt es nämlich an jeder Ecke was zu essen. In München ist das anders. München ist katholisch. Alles, was man hier an katholischen Feiertagen in öffentlichen Gebäuden zu essen bekommt, sind Oblaten - jeder nur eine - und davon ist noch keiner satt geworden. Es gibt hier diese hippen Cafés, in denen man den ganzen Tag brunchen kann. BRUN-CHEN, nicht brunften (ist aber irgendwie dasselbe). Da sitzt man dann eingeklemmt zwischen Kinderhochsitzen und Laptops vor zwei Scheiben Serranoschinken für fünffuffzig aber Zucker gibt's nur ein mickriges Tüterl zum Kaffee, weil man muss auf seine Figur achten. Geht mir weg mit dem scheiß, da bringen mich keine zehn Pferde hin. Dönerbuden? Fehlanzeige. Bei schönem Wetter geht noch Biergarten.

Ich am Nachmittag auf mein Fahrrad. Erst quietscht es nur ziemlich bedenklich. Ach ja, die Kette, die wollte ich vor einiger Zeit mal schmieren. Dann geht plötzlich nix mehr. Biergarten auch nicht. Bleibt noch Flughafen oder Tanke. Seit drei Tagen steht mein Auto auf einem strategisch günstigen Parkplatz vor der Türe. Den gebe ich erst wieder mit einem großen Koffer beladen auf. Und weil es nichts blöderes gibt, als zu Fuß zur Tanke - was im Übrigen nur von zu Fuß zum Hauptbahnhof getoppt wird - ist diese Möglichkeit gestorben. Der Mensch kann drei Tage ohne feste Nahrung überleben, da werde ich doch wohl lächerliche 16 Stunden durchstehen. Immerhin wäre es meiner Figur zuträglich. Jetzt wo der Sommer beginnt und die Kleider weniger werden, sollte sich die Körpermitte möglichst nicht umgekehrt proportional verhalten. Somit sind jegliche Alternativen ebenfalls hinfällig. Hunger habe ich trotzdem.

Gegen Abend steigt langsam Panik in mir auf. Ich esse Tic-Tac. Meine Freunde sind entweder im Urlaub oder nicht erreichbar. In meinen täglichen Blogs steht seit drei Tagen nichts neues. Ich fühle mich, als wäre die Welt untergegangen und hätte mich vergessen mitzunehmen. Ich esse einen Kaugummi. Der CD Spieler spielt nicht mehr. So ganz ohne Musik wird mir schmerzlich bewußt, wie leise das Telefon nicht läutet. Ich esse ein Hustenbonbon. Die Fenster sollten auch mal wieder geputzt werden. Irgendjemand grillt im Hof. Ich esse ein Aspirin. Nur noch drei Stunden, dann kann ich ins Bett. Das Kissen muss morgen zur Reinigung. Während ich Decke und Laken neu überziehe, überlege ich, was ich am nächsten Tag alles einkaufe. Noch bevor die Liste geschrieben ist, esse ich den Stift.

In wenigen Stunden habe ich es geschafft. Jetzt ist langsam auch mal gut mit Feiertagen. Gefeiert wird bei mir vor allem, wenn sie vorbei sind. Das ist wie Erwachen aus dem Koma. Am nächsten Tag ist alles wieder normal, die Läden sind geöffnet, die Freunde erreichbar. Und alles ist, als wäre es nie anders gewesen. Einzig dieser dunkle Schatten unter den Augen bezeugt meine persönliche Läuterung. Es könnte sich aber auch um Wimperntusche vom Vortag handeln.

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Gibt´s bei Ihnen keine Büdchen (weiß nicht, wie die in München wohl heißen) um die Ecke? Oder haben die auch an katholischen Feiertagen geschlossen?
Der strategisch günstige Parkplatz ist der Hammer schlechthin - vielen Dank dafür. (Kommt mir bekannt vor von früher in Deutschland.)

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Büdchen?
So Wohnwägen mit aufklappbarem Seitenteil à la 'drei Damen vom Grill', die wo Currywurst verkaufen? Nö, da ist man sich im feinen Freistaat zu fein für.

Oder sind Büdchen mehr so Kioske umme Ecke, wo man sich schnell seinen Jägermeister und die Praline Zeitung holt? Da hat nix offen, außer vielleicht im Hauptbahnhof. So tief will ich aber nicht sinken.

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Büdchen sind, glaube ich, was sehr Regionales. In Hamburg gibts die so jedenfalls nicht. Dafür aber an jeder Ecke mindestens fünf Dönerläden und wenn man strategisch richtig wohnt, sogar Supermärkte, die auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet haben. Aber wem sag ich das?

Dieses Feiertagsloch, in das man als Single fallen kann, kenne ich übrigens dennoch sehr gut. Es zeichnet sich nicht immer unbedingt durch einen leeren Kühlschrank aus. Manchmal reicht einfach schon die Stille, die einen schlagartig umgibt.

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Liebe Frau Feinstrick
Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich nur mit Singlesein zu tun hat. Da fiel ich regelmäßig auch als Nichtsingle rein. Muss was mit meiner allgemeinen Lebensstruktur zu tun haben. Ich arbeite seit zwanzig Jahren azyklisch zu gesellschaftlich-sozialen Normen, d.h. wenn andere frei haben, bin ich auf Arbeit. Das war mit der Musik so und bei der Fliegerei gibt es ebenfalls keine Sonn- und Feiertage. Das ist aber auch einer der Gründe, warum mir diese Art Job gefällt.

In gewisser Weise haben Sie dennoch Recht. Feiertage haben sowas Pärchenverpflichtendes.

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Oh, zu Fuß zum HBF geht nicht? Macht man nicht? Hmm, ich gehe sogar zu Fuß zum Flughafen.

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I'm walking...
Nuja, in Anbetracht dessen, dass der Hauptbahnhof irgendwie Knotenpunkt von Wagons ist, die sich auf Gleisen bewegen, komme ich mir schon seltsam vor, da zu Fuß hinzugehen. Literarische Freiheit grmlgrmlblabla, Sie verstehen?
Aber zu Fuß zum Flughafen? Der ist ja meistens ziemlich außerhalb gelegen.


Der eigentliche Grund ist aber, dass ich fast alle Wegstrecken mit dem Fahrrad zurücklege.

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Der Düsseldorfer Flughafen ist ja eher anwohnernah angesiedelt. Und wenn morgens um 5 der Bus noch nicht fährt, man aber eigentlich schon längst da sein sollte, dann schuckelt man eben nach Kaffee lechzend zu fuß da rüber.
Gleichzeitig stimme ich hiermit aber ein Hoch auf's Late Night Check-in an. Mit Baggage würde ich das auch nicht machen.

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Ha!

http://www.youtube.com/watch?v=BhfKkF6sgNA

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Pfft!
Oder so...

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Büdchen sind Abschuss

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Mit Kalorienbomben schöner explodieren.

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Ich habe im winterlichen M mal ne Weile auf dem Hbf verweilen müssen und aus Langeweile einen Milchkaffee getrunken. Abgesehen vom absolut fiesen Preis war er wider Erwarten ziemlich gut.

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Ein Tiefkühler muss her!
Nachdem ich mit eigenen Augen gesehen habe, wie Bridget Jones die quietschende Türe zum Gefrierfach geöffnet hat, eine grosse Dose Eis aus dem Fach nahm und ihre Feiertagsdepression damit schockgefroren hat, habe ich gleich einen von diesen stromfressenden Ungetümen angeschafft. Darin hat es immer Frischbackbrötchen, Eis und sogar einen CD Player - nein, das war jetzt übertrieben.

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Das Problem ist, je größer die Tiefkühler, desto größer diese ominösen Glücklichmacherkübel, desto größer der Speiseeishunger, desto größer der Magen, desto größer die anschließende Übelkeit und jegliche Disziplin wird hinfällig.

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ja mei liebe frau klugscheisser, wo ist denn ihre mutter?
meine lebt ja weit entfernt vom schoenen muenchen an der nordsee, trotzalledem... und obwohl sie mich bis zum heutigen tage erst einmal hier besucht hat...und das liegt nun auch schon einige monate zurueck...ist mein gefrierschrank immer noch proppevoll mit eingefrorenem rindergulasch...huehnersuppe...rinderkraftbruehe...und all diesen sachen, die einem eine mutter genau fuer solche situationen bereitstellt...und in grossen kuehlboxen in die eigene kueche schleppt (die schon lange keine studentenkueche mehr ist) kuehl- & gefrierschrank aufreisst um all die guten "notfallgerichte" dort zu verstauen...
...ich glaube soetwas machen muetter auch noch, wenn man selbst schon ergraut & faltig seine morgentlichen yogauebungen macht...und erloest von jeglicher feiertagsdepression...

perchè: la mamma è sempre la mamma !

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Bella, die Frau Klugscheissermama ist leider kein typisches Exemplar der Gattung Glucke. Die würde mir nur trocken was husten in puncto Vorratsspeisenspeicherung. Da kann ich froh sein, wenn ich bei Tisch noch was abkriege aber 250 Kilometer für einen Schweinsbraten zurücklegen, wenn man noch nicht mal geduscht und den ganzen Tag im Schlafanzug lümmelt?

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ich mag montagsfeiertage.

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