Montag, 29. August 2011
Childhood
Have you seen my Childhood?
I'm searching for that wonder in my youth
Like pirates in adventurous dreams,
Of conquest and kings on the throne...

Before you judge me, try hard to love me,
Look within your heart then ask,
Have you seen my Childhood?

People say I'm strange that way
'Cause I love such elementary things,
It's been my fate to compensate,
for the Childhood I've never known...





Die verlorene Kindheit. So sind vor allem Texte überschrieben, die sich mit Kindesmissbrauch oder äusseren Gegebenheiten auseinandersetzen, die auf Kinderseelen traumatisierend einwirken. Kann eine Kindheit wirklich verloren sein und wenn ja, müsste es dann nicht auch eine verlorene Jugend, eine verlorene Fruchtbarkeitszeit und einen verlorenen Lebensabend geben? Wird die Wichtigkeit der Kindheit denn nicht auch künstlich überhöht?

Abgesehen von einer implizierten Tragik des Titels sind Attribute der Kindheit jederzeit nachholbar. Ich kann auch mit 30 phantasieren, mit 40 ausgelassen albern sein und mit 50 Knetfiguren anfertigen. Wieso sollte ich mich in eine Alter zurücksehnen, in dem ich der Willkür anderer ausgesetzt und eigenen Unzulänglichkeiten unterworfen war? Auf einem anderen Blatt steht natürlich die Tatsache, dass schlimme Erlebnisse unabhängig vom Alter immer das bleiben, was sie sind: furchteinflößend und traumatisierend.

Eine andere Frage lautet: gibt es denn überhaupt so etwas wie Die Kindheit an sich oder ist sie vielmehr ein ideeller Platzhalter aus Reminiszenzen der romantischen Verklärung? Gibt es denn noch Kinder, die ohne Leistungsdruck und Erwartungserfüllung aufwachsen? Gab es sie denn jemals, wenn wir politische Verhältnisse der Vergangenheit wie beispielsweise Krieg und Vertreibung, soziale Verhältnisse und gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigen? Gab es denn je ein Kind, das in idealen Kindheitsverhältnissen groß geworden ist?

Vielleicht gibt es Annäherungswerte. Dennoch behaupte ich, dass auch diesen Kindern genügend Quellen für Defizite offen stehen. Strenge Lehrer, hänselnde Spielkameraden, körperliche Benachteiligung. Jedenfalls kenne ich keinen, der nicht seiner Kindheit auf die ein oder andere Weise hinterhertrauert, sei sie nun als besonders schwierig oder besonders schön empfunden. Verloren ist sie ohnehin, wie alles im Zuge der Vergänglichkeit verliert. Im Grunde geht es nur darum, welche Spuren die Erinnerung in uns hinterlässt. Und dafür sind wir selbst verantwortlich.

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Einerseits: Ja, die von Rousseau erfundene Kindheit muss als Projektionsfläche für alles mögliche herhalten, von romantisiertem Naturbild bis zum paradiesischem Zustand vor Sündenfall des Christentums. Ein rechter Schmarrn.

Andererseits: Da wir kaum Kontrolle über unsere Erinnerungen haben, sollten wir uns nicht zu verantwortlich für die Spuren fühlen, die sie hinterlassen. Hab Erbarmen.

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Ach der Rousseau war's, der alte Schlawiner.
Die Verantwortung für die Erinnerung bezieht sich nicht auf die Gedanken an sich, sondern auf eine Fixierung auf bestimmtes Gedankengut. Wenn ich mich darauf versteife, dass meine Vergangenheit schrecklich war, entgehen mir womöglich all die schönen Kleinigkeiten und vice versa. Aber Vergessen kann durchaus ein Segen sein. Insofern bleibe ich unerbittlich.

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Die Kindheit setzt sich sicherlich nicht 1 zu 1 um ins spätere Leben, sondern multifaktoriell. Meine beruflichen Erlebnisse lassen aber auf eine starke Korrelation schließen. Ich würde schätzen, mindestens 90 Prozent der Schwerstdrogenabhängigen hatten in der Kindheit schwere Gewalt als Hintergrund. Ein Psychotiker, wenn ich das mal so flapsig sagen darf, kann durchaus manchmal nicht vergessen oder hat andere Verdrängungsmechanismen nicht gelernt, aufgrund seiner Kindheitserfahrungen. Bewältigungsstrategien, die für uns selbstverständlich erscheinen, wurden nie erlernt - durch Erziehung, soziales Umfeld oder auch biologisch. Das läßt sich kompensieren, aber nicht leugnen.

Der Blick ist immer ressourcenorientiert. Unglück bringt einen nicht wirklich weiter, aber es läßt einen lernen. Verdrängen gut, leugnen schlecht. Heute hat Ihr Blog mir sehr geholfen, den Scheißtag zu verdrängen. Weiter rückblickend muß ich aber sagen, daß es auch wunderschöne Kindheiten wie die meine geben kann - wie ein Märchen. Und das pflanzt sich auch fort. In jedem Fall macht man das Beste draus.

Ich hab grundloserweise seit einigen Monaten das Gefühl, der Rest meines Lebens wäre geschenkt. Jetzt bin ich auch noch so dankbar, daß ich dieses Gefühl so ganz ohne Schaden bekommen habe. Das wünsch ich jedem.

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Point taken
Natürlich ist auch bei mir vieles flapsig formuliert. Natürlich hat eine schreckliche Kindheit Auswirkungen auf das spätere Leben, denen man sich nur unter unmenschlichem Kraftaufwand entziehen kann. Natürlich kann so ein Mensch nicht vergessen. Was mich stutzig macht, sind halt die vielen typischen Entschuldigungen, in denen eine schwere Kindheit oder die Fehler der Eltern herangezogen werden, um sich der eigenen Verantwortung zu entziehen. Das ist so einfach und naheliegend, dass ich der Versuchung selbst gerne erliegen möchte.

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