Dienstag, 22. Februar 2022
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frau klugscheisser, 10:21h
Die letzte große Feier liegt neun Jahre zurück. Ich erinnere mich noch ganz genau an das Treppenhaus in Salzburg, das WG Zimmer und die Küche, in der sich am Ende jede Party einfindet. Du wohntest hier, weil Du in der Stadt eine neue Stelle angetreten hattest. An jenem Abend war ich, wie immer, mit Abstand die Älteste, und insgeheim hatte ich in den Tagen bis zu diesem Geburtstag oft die Jahre überschlagen, die uns trennten. 14 Jahre, in denen ich mengenmäßig vielleicht mehr und vor allem andere Erfahrungen als Du gemacht hatte. Du hast mich immer ganz selbstverständlich akzeptiert und in Deinen Bekanntenkreis integriert. Ich hingegen schluckte an dem Abend schwer an der Alterskröte. Zum ersten Mal hatte ich bei Deiner Geburt nachgerechnet, später immer an den Geburtstagen. Wie alt würde ich sein, wenn Du in die Schule kommst, wenn Du volljährig wirst oder zu arbeiten beginnst? Dazwischen verging die Zeit. Das Ereignis war ganz leise herangeschlichen und hatte mich rücklings überwältigt. Du warst jetzt 30. Und ich?
Da gab es all diese Vorstellungen in meinem Kopf, wie mein Leben aussehen würde, wenn Du 30 wärst. Vielleicht hätte ich eine Familie aber ganz bestimmt eine Partnerschaft, eine größere Wohnung, einen tollen Job, kurzum all das, was man gemeinhin als gesicherte Verhältnisse bezeichnet. Ich hätte Dir gerne Ratschläge gegeben - schließlich macht man das so als ältere Schwester. Nun waren aber meine Verhältnisse alles andere als gesichert und ich nicht in der Position, die man als vorbildhaft beschreiben würde. Im Gegensatz dazu hattest Du die beständigeren Beziehungen, den besseren Job und Träume, die Du mit allen Dir gegebenen Möglichkeiten umsetztest. Sogar die Vernunft war auf Deiner Seite, während in meiner Tasche eine Schachtel Zigaretten steckte, die ich nach langer Abstinenz an diesem Abend zu rauchen plante. Wenn ich mich schon schlecht fühlte, dann wenigstens so richtig.
Obwohl ich mich nie wirklich auf konventionellen Pfaden bewegte, ließen mich gesellschaftliche Konventionen immer wieder über meine eigenen Füße stolpern. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich begriff, dass diese Dinge, die ich zu wollen glaubte, nicht aus meinen Bedürfnissen entsprangen. So verbrachte ich viel Zeit mit Selbstsabotage. Du wirst Dich gerade fragen, wieso ich so viel von mir schreibe, wo heute doch Dein Tag ist. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anbringen, dass wir die Welt und die Menschen darin immer in Bezug auf uns selbst begreifen.
Du warst so oft geduldig mit mir, hast mir am Telefon zugehört und in den dunklen Tagen die Kommunikation nie abreissen lassen. In Deiner Güte hast Du mir immer eine Hand gereicht und mich wissen lassen, dass Deine Türe für mich offen steht. Wir waren nicht immer einer Meinung aber immer wohlwollend gegenüber einander. Und das, meine Liebe, werde ich von Dir immer im Herzen tragen. Lass mich Dir im Gegenzug nur eines weitergeben - ja, jetzt kommt die große Schwester zum Zug. Mit Beständigkeit und etwas Glück treibt alles im Leben in eine Richtung, die wir am Ausgangspunkt nicht für möglich gehalten hätten. Der Schlüssel dazu liegt in uns selbst, denn nicht nur die Umstände, sondern zuallererst verändern wir uns ständig. Ich schreibe Dir das heute, weil der bevorstehende Eintritt in eine neue Dekade oft ein mulmiges Gefühl in uns auslöst - vor allem im letzten Jahr der alten. Das Unbekannte macht uns Angst. Vielleicht ist es aber nur die Angst vor unseren eigenen Meinungen und Gedanken. Und wenn Du an unserem Beispiel zurückschaust, ist dieses Älterwerden vielleicht gar nicht so schlimm.
An jenem Abend hatte ich zu Deinem runden Geburtstag eine kleine Rede gehalten, von der ich heute nichts mehr weiß. Im Vorfeld wolltest Du mich davon abbringen, aus Angst, es könnte peinlich werden. Ich weiß nur noch, dass ich vorher fürchterlich viel getrunken, geraucht, mich hinterher in's Waschbecken übergeben habe und dann in Deinem Bett eingeschlafen bin, während die Party um mich herum weiterlief. Das war dann der eigentlich peinliche Part. Die Rede aber fanden alle sehr schön. Im Grunde ist nichts so schlimm wie in unserer Vorstellung. Nicht einmal Geburtstagsreden.
Da gab es all diese Vorstellungen in meinem Kopf, wie mein Leben aussehen würde, wenn Du 30 wärst. Vielleicht hätte ich eine Familie aber ganz bestimmt eine Partnerschaft, eine größere Wohnung, einen tollen Job, kurzum all das, was man gemeinhin als gesicherte Verhältnisse bezeichnet. Ich hätte Dir gerne Ratschläge gegeben - schließlich macht man das so als ältere Schwester. Nun waren aber meine Verhältnisse alles andere als gesichert und ich nicht in der Position, die man als vorbildhaft beschreiben würde. Im Gegensatz dazu hattest Du die beständigeren Beziehungen, den besseren Job und Träume, die Du mit allen Dir gegebenen Möglichkeiten umsetztest. Sogar die Vernunft war auf Deiner Seite, während in meiner Tasche eine Schachtel Zigaretten steckte, die ich nach langer Abstinenz an diesem Abend zu rauchen plante. Wenn ich mich schon schlecht fühlte, dann wenigstens so richtig.
Obwohl ich mich nie wirklich auf konventionellen Pfaden bewegte, ließen mich gesellschaftliche Konventionen immer wieder über meine eigenen Füße stolpern. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis ich begriff, dass diese Dinge, die ich zu wollen glaubte, nicht aus meinen Bedürfnissen entsprangen. So verbrachte ich viel Zeit mit Selbstsabotage. Du wirst Dich gerade fragen, wieso ich so viel von mir schreibe, wo heute doch Dein Tag ist. Zu meiner Verteidigung kann ich nur anbringen, dass wir die Welt und die Menschen darin immer in Bezug auf uns selbst begreifen.
Du warst so oft geduldig mit mir, hast mir am Telefon zugehört und in den dunklen Tagen die Kommunikation nie abreissen lassen. In Deiner Güte hast Du mir immer eine Hand gereicht und mich wissen lassen, dass Deine Türe für mich offen steht. Wir waren nicht immer einer Meinung aber immer wohlwollend gegenüber einander. Und das, meine Liebe, werde ich von Dir immer im Herzen tragen. Lass mich Dir im Gegenzug nur eines weitergeben - ja, jetzt kommt die große Schwester zum Zug. Mit Beständigkeit und etwas Glück treibt alles im Leben in eine Richtung, die wir am Ausgangspunkt nicht für möglich gehalten hätten. Der Schlüssel dazu liegt in uns selbst, denn nicht nur die Umstände, sondern zuallererst verändern wir uns ständig. Ich schreibe Dir das heute, weil der bevorstehende Eintritt in eine neue Dekade oft ein mulmiges Gefühl in uns auslöst - vor allem im letzten Jahr der alten. Das Unbekannte macht uns Angst. Vielleicht ist es aber nur die Angst vor unseren eigenen Meinungen und Gedanken. Und wenn Du an unserem Beispiel zurückschaust, ist dieses Älterwerden vielleicht gar nicht so schlimm.
An jenem Abend hatte ich zu Deinem runden Geburtstag eine kleine Rede gehalten, von der ich heute nichts mehr weiß. Im Vorfeld wolltest Du mich davon abbringen, aus Angst, es könnte peinlich werden. Ich weiß nur noch, dass ich vorher fürchterlich viel getrunken, geraucht, mich hinterher in's Waschbecken übergeben habe und dann in Deinem Bett eingeschlafen bin, während die Party um mich herum weiterlief. Das war dann der eigentlich peinliche Part. Die Rede aber fanden alle sehr schön. Im Grunde ist nichts so schlimm wie in unserer Vorstellung. Nicht einmal Geburtstagsreden.
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