Montag, 14. Mai 2007
Me and my monkey
„Was ein Mann schöner ist wie ein Aff', ist ein Luxus!“
F. Torberg, Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes


Der vernunftbegabte Mensch (homo sapiens) scheint zunehmend vom Aussterben bedroht. So stellte ich heute fest, wie schwer sich die Vernunft gegen akute Anfälle von Sentimentalität durchsetzt. Am Anfang stand jedoch folgendes Gespräch mit meiner Mutter:

"Sag mal, die alten Spielsachen und Babykleider braucht doch keiner mehr?"
"Naja, je nachdem..."
"Also bitte, du wirst doch keine Kinder mehr bekommen!"
"Wer weiß..."
"In DEINEM Alter? Mach dich nicht lächerlich!"
"..."


Es ist nicht so, dass ich das dringende Bedürfnis nach Fortpflanzung verspüre, ich lasse mich nur nicht gerne an die zeitliche Befristung meiner Optionen erinnern. Dementsprechend fehlte mir das schlagende Argument und meine Mutter begann, ihren blinden Aktionismus auf die Kartons auszuweiten, die über Jahrzehnte die Schätze meiner Kindheit beherbergten. Immerhin durfte ich einen letzten Blick erhaschen, bevor die Sachen im Spielzeugnirvana verschwanden.

So sortierten wir gemeinsam im Speicher nach den Kategorien a.) Schenkung an befreundete/verwandte Kinder, b.) Schenkung an gemeinnützige Einrichtungen, c.) Schenkung an die Müllabfuhr und d.) Schenkung noch im schwebenden Verfahren. Unnötig zu sagen, dass unsere Auswahlkriterien für die Zuordnung nicht immer übereinstimmten. Während meine Mutter zunächst Puppenkleider den entsprechenden Puppen und somit Kategorien zuordnete, sichtete ich alte Kinderbücher. Schnell saßen wir beide inmitten kleiner Häufchen, deren Umschichtung von Neuem begann, sobald wir die Plätze wechselten. Als mit voranschreitender Zeit noch immer keine eindeutigen Entscheidungen erzielt waren, begann eine hitzige Debatte.

"Die Kleider sind sowas von altmodisch, das zieht doch heute keiner mehr an."
"Das dürfte der Puppe egal sein."
"Die Puppe, der die Kleider passen, ist längst entsorgt."
"Ach... aber die Kleider von Amosandra hebst du auf, obwohl Amosandra an Plastikversagen gestorben ist."


[Anm. d. Red.: Amosandra war eine dunkelhäutige Nachkriegsbabypuppe meiner Mutter, der ich alle Finger abkaute als sie in meinen Besitz überging und deren weicher Gummikörper den Aufenthalt in einer Kiste aufgrund von Materialzersetzung und Gewichtseinwirkung nicht ohne erheblichen Schaden überstand.]

"Das ist was anderes. Die haben altertumswert."
"Wenn man die anderen Kleider lange genug aufbewahrt, sind die auch bald antik."
"Und die dicke Puppe ist so häßlich, die will auch kein Mensch mehr."
"Psst, sie könnte einen irreversiblen psychischen Schaden bekommen."
"Ihr Leben ist befristet."
"Na schön, die dicke Puppe können wir entsorgen."
"Überhaupt haben alle Puppen ein Frisurproblem. Guck mal wie platt die am Hinterkopf sind."
"Wenn du so lange in einer Kiste gelegen hättest, hättest du auch ein Frisurproblem."
"Wenn ich in einer Kiste liege, habe ich kein Frisurproblem mehr."
"Schau mal, da ist meine alte Kommunionskerze."
"Das war auch gleichzeitig deine Taufkerze. Willst du die behalten?"
"Wir könnten sie ja an Weihnachten..."
"Was ist mit den Büchern?"
"Das Buch mit den französischen Märchen kann man wegwerfen. Die sind so grausam, dass ich danach nicht mehr schlafen konnte."
"Aber das ist Kulturgut."
"Wann hast du eigentlich das letzte Mal ein Buch gelesen? Und überhaupt schreibt man Barbie nicht mit Ypsilon."
"Werd jetzt nicht persönlich."
"Aber DU hast die Kartons beschriftet."
"Oh schau mal, Petzibücher! Die werfen wir nicht weg."
"Nein, die zerfallen bereits von alleine. Aber den alten Heidiband mit den eingeklebten Sammelbildchen, den behalten wir. Guck mal, das sind Bilder aus dem Film..."
"Gott ja, ziemlich sentimental war der. Das will doch heute niemand mehr."
"Ich schon."
"Dann nimm's mit. Und die anderen Sachen dazu."
"Und wo soll ich all das aufbewahren? Mein Keller ist kleiner als dein Besucherklo."
"Dann werfe ich alles weg."
"Wenn du das tust, zünde ich die Amosandrakleider mit meiner Kommunionskerze an..."


Zum Abschied winkte ich der dicken Puppe, die auf der Mülltonne thronte, noch einmal kurz zu, packte den Affen auf den Rücksitz und fuhr mit einer Kiste im Kofferraum und einem tiefen Seufzen los. Die Sachen warten jetzt auf eine neue Bleibe in einem Kinderherz. Bis dahin darf der Affe auf dem Klavier sitzenbleiben.

Schimpi

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Meine Mutter möchte auch schon lange den Speicher mit mir aufräumen - ich weiss doch genau, warum ich mich dagegen wehre... Und ein paar Dinge sollte man einfach behalten. Erwachsen hin oder her.

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Der kleine Bär, den ich zu meiner Geburt bekam, wird wohl bei mir bleiben. Als mich der Affe heute morgen so seltsam ansah, wurde mein Herz ganz weich. Vielleicht sollte ich den...

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Jetzt muß ich ein wenig weinen.

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Nicht doch! Könnte Sie ein Teddy trösten?

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Ich habe meinen gerade mal herausgesucht. Das Mysteriöse ist ja: Irgendwann kommen Mütter in das Alter, wo sie wieder anfangen Püppchen zu kaufen und zu horten. Natürlich längst nicht so schöne wie die, die sie in den Müll befördert haben.

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Genau diesen Affen....
... hatte meine Schwester auch! Der hat Draht in den Händen, stimmt's?

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Dieser Affe hat keinen Draht in den Händen, ich kann mich aber an einen erinnern, der das hatte. Wo steckt der eigentlich?

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Everybody's got something to hide...
Nein, der Affe hat keinen Draht in den Händen, die Finger sind biegsam, schnappen aber immer wieder in die Ausgangsstellung zurück. Ich hatte auch so einen Affen. Wahrscheinlich eine Generationenfrage. Hieß er..Jojo? Meio, ich weiß es nicht mehr!

Edit: Tatsächlich die Eltern angerufen. Muttern weiß alles. Und der Affe hieß tatsächlich Yoko. Aber wahrscheinlich mit J. Wenigstens.

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Damals war ich leidenschaftlicher Daktarianhänger, weswegen ich wahrscheinlich um einen Affen gebettelt habe. Könnte sein, dass er deswegen Judy hieß - ganz geschlechtsunabhängig, denn das war mir bei der Namensgebung meistens ziemlich schnurz. Einen schielenden Löwen habe ich allerdings nie besessen. Vielleicht hieß er auch einfach 'Schimpi'.
Überhaupt Namensgebung, ein Kapitel für sich. Ich kann mich erinnern, dass ich meine Spielkinder immer 'Jochen' und 'Zahni' rief.

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einen Affen namens Judy gab's bei mir auch! aus demselben Grund;-) Und der sitzt heute auf dem Nähtisch meiner Mutter...

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genau diesen affen hatte ich auch. der hieß schorschi. ich habe ihn bekommen, weil mir meine mama beim flieger-spielen die schulter auskugelte und das irgendwie erst ziemlich spät merkte.
schorschi schlief bis zu meinem 14. lebensjahr in meinem bett und verscheuchte böse geister. danach diente er als fenster-auf-halter, weil er schlank genug war, in die ritze zwischen geöffneten fenster und rahmen zu passen. dadurch wurde er ziemlich schmuddelig und verschwand irgendwann.
die meisten meiner spielsachen und kinderklamotten verkauften meine eltern ungefragt, sobald sie der meinung waren, ich bräuchte dies oder jenes nicht mehr. das geld behielten sie - denn, so meine mutter, das sei ja auch ihr gutes recht, denn wenn sie mir etwas zum geburtstag schenkten, hatten sie es schließlich zuvor kaufen müssen. deshalb sei das ja eigentlich alles ihres und nicht meines. interessantes konzept einer schenkung. sollte ich mir merken. für meine kinder, die ich nicht haben werde. ;)

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