Freitag, 28. April 2006
Mit meinen heissen Tränen
Näher als alles andere geht mir Schuberts Musik. Vor Jahren habe ich Abhandlungen von Adorno und anderen Musiktheoretikern gelesen, habe im Rahmen meines Studiums analysiert und zu verstehen versucht, habe im Laufe der Zeit Gelesenes vergessen. Was geblieben ist, ist die Berührung meiner Seele. Ich möchte hier kein allgemeingültiges Urteil, noch eine objektiv nachvollziehbare Beurteilung abgeben. Vielmehr liegt mir der Ausdruck meiner persönlichen Subjektivität am Herzen.

Wer sich mit Kunst im Allgemeinen und Künstlern im Besonderen auseinandersetzt, der kommt meines Erachtens nicht umhin, sich mit deren Biographien zu beschäftigen. Will ich eine Komposition, ein Bild oder eine Satzkonstruktion begreifen, muss ich mich mit dem Menschen auseinandersetzen, der dies hervorbrachte. In Schuberts Fall war für mich ein Schlüsselerlebnis der Fernsehdreiteiler Mit meinen heissen Tränen von Fritz Lehner. Selten wurde mir ein Mensch durch eine Verfilmung näher gebracht als alle Literatur es vermochte.

Versetzen wir uns einmal in den Franzl hinein. In einer Zeit geboren, als die Romantik sozusagen erfunden wurde – weswegen er fälschlicherweise im Volksglauben zu dieser Epoche zählt. Korrekterweise müsste sein Werk musikwissenschaftlich in der Spätklassik angesiedelt werden – lebt dieser Mann von seinem übermächtigen Vater malträtiert, von den Geschwistern ausgenutzt, von Frauen verschmäht, von Kollegen unterschätzt, von Freunden als Kasper degradiert und als „Schwammerl“ verspottet, in seine Seele zurückgezogen und gleichzeitig von ihr zerrissen. Der Wahnsinn ist nicht weit, grüßt bereits aus der Ferne. Franz weiß das, greift immer wieder über die verbotene Grenze und kostet davon. Wer in einer Gesellschaft existieren muss, auf die er als soziales Wesen angewiesen ist und die ihn gleichzeitig wegen seiner innersten Bedürfnisse und Gedanken ausschließt, dem bleibt nicht viel mehr als Rückzug und Isolation. Verständlich, dass sich eine große Melancholie, ja gar Todessehnsucht breit macht. Während in seiner Musik die Seele des gequälten Franz Ausdruck findet, verstummt er in der realen Welt, komponiert und spielt für die Freunde lustige Tänze zum Nachmittagstee – die einzige Form, mit der er die so sehr ersehnte Annerkennung bekommt – die doch so konträr zum inneren Schmerz klingen. Die anderen Werke behält er für sich. Nicht weil er es so will, sondern weil sich kein Verleger findet und kein Käufer. Keiner versteht das, was er zu sagen hat. Man schreckt vor so viel Schwermut zurück.

Mit einem seiner letzten Werke, dem Liederzyklus „Die Winterreise“ trifft er im konspirativen Zirkel der Revolutionäre ins Schwarze. Im Grunde geschieht dies jedoch nur, weil sie ihn zu einem Werkzeug gegen das Biedermeiertum umfunktionieren. Die Texte von Müller – geheime Antiparolen im Schutzmantel gängiger Liebesschnulzen – beinhalten für Schubert mehr als Kritik an politischen Zuständen. Sie sind das Synonym für seine eigene Todessehnsucht. Wer die Vertonung einmal gehört hat, weiß was ich meine. Er selbst sagt darüber in einer Ankündigung zum regelmäßigen Treffen bei seinem Freund Schober: „Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen.[...] Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses je bei anderen Liedern der Fall war.“ Doch seine Freunde begriffen nicht. Einzig „Der Lindenbaum“ war für sie sofort eingängig und somit gefällig.

Werde ich gefragt, welche seiner Werke ich favorisiere, so sind dies neben der Winterreise die Streichquartette, das Quintett und das Klaviertrio in Es neben den Klaviersonaten und der unvollendeten Sinfonie, sowie der letzten. In all diesen Werken ist eine Tiefe zu spüren, die nur ein Mensch auszudrücken vermag, der einmal in die menschlichen Abgründe geschaut hat. Schubert hat hineingeschaut, lange und intensiv. Es blieb ihm nichts anderes übrig, denn sie waren in ihm. Ich verneige mich vor seiner Fähigkeit, sie zu Papier zu bringen.

Möglicherweise fasziniert mich sein Werk, weil ich selbst eine Affinität zu menschlichen Abgründen, zu Wahnsinn und Tod habe. Gleichzeitig finde ich darin immer wieder eine Aussöhnung mit genau diesen Aspekten. Einige Zeit konnte ich diese Musik nicht mehr ertragen. Zu viele Wunden wurden aufgerissen, zu viel aufgewirbelt. Jetzt höre ich sie wieder – nicht ohne Tränen. Manchmal muss man aushalten, um zu heilen.

... link (5 Kommentare)   ... comment


I´d rather drive a Titleist
Ab und zu muss man ein wenig in sein Kopfkissen weinen. Das lässt jedoch nicht nur die Augen unschön aufquellen, sondern auch Federn zusammenkleben. Wer sein Kissen in der Waschmaschine fluffig waschen möchte, sollte Tennisbälle mitwaschen. Habe ich jedenfalls gehört. Meine Karriere als Tennisnachwuchsspielerin habe ich nach kurzem Fehlversuch vor 24 Jahren beendet. Tennisbälle waren keine im Haus, als ich das Kissen in die Trommel stopfte. Was ich allerdings in Vorbereitung auf die kommende sexbefreite Zeit hatte, waren Golfbälle. Macht auch keinen Unterschied, denn auf die Größe soll es bekanntlich nicht ankommen. Dachte ich. So schleuderten in der Maschine drei Titleist mit. Der Lärm im Schleudergang konnte sich mit einem ausgewachsenen Gamelanorchester messen. Das erinnerte mich an einen alten Witz:
Lower class working people play football,
lower class management people play tennis,
upper class management people play golf.
What´s the conclusion of it?
The higher the position is, the smaller the balls are.

Die golfballgeläuterten Daunen waren allerdings nicht annähernd so fluffig wie erwartet. Das ließ mich erneut in mein Kissen weinen.

... link (2 Kommentare)   ... comment