Dienstag, 18. Juli 2006
Go fuck yourself
Gott, ich kann dieses blöde Rumgepöble echt nicht mehr lesen. Lyssa hat dies gemacht, die Opel-blogger jenes. Und dann auch noch so unprofessionell und unglaubwürdig. Ist das Internet nicht groß genug für uns alle? Warum kann sich nicht jeder mal auf seinen eigenen Mist konzentrieren? Im Kritisieren sind sie alle groß aber selber bringt kaum einer was Nennenswertes zustande. Eloquente Kollektivwichser, denen schon bei korrekter Benutzung des Genitives einer abgeht. Könnten die Herrschaften bitte statt stupider Verbalmasturbation mal lieber nen geilen Aufriss präsentieren?

Ich erklär´s euch gerne nochmal: Leben bedeutet Veränderung. Statt Neues auszuprobieren, klammern sich die Meisten lieber an Gewohntes. Jaja, früher war alles besser. Das hört man nicht nur von überalterten Kriegszeitzeugen und verklärten 69ern, ich höre diesen Satz vermehrt von denen, die sich selbst einst das Attribut innovativ verliehen. Veränderung bedeutet nicht automatisch Verbesserung, es bedeutet aber auch nicht automatisch Verschlechterung. Veränderung bedeutet einfach anders. Sie beginnt tastend, erlebt Rückschläge und verfährt sich manchmal in Sackgassen. So geschieht Lernen und Entwicklung. Ich hab´s ja schon vorher gesagt, der Satz, den wir von unseren Eltern am wenigsten hören wollten, wie oft wird der wohl in nächster Zeit noch durch Gehirne, Münder und schließlich in Tastaturen gleiten?

Kritisch sein ist per se nicht schlecht, solange man zwischen destruktiver und konstruktiver Kritik zu unterscheiden fähig ist. Aber die Meisten sind ja nicht einmal in der Lage, sich selbst kritisch zu reflektieren. Wie sollten sie es beim Gegenüber können? Kritik darf nähren, nicht aber im Keim ersticken. Wenn ich mir so anschaue, was derzeit an Kommentaren durch die Blogosphäre wabert, krieg ich Dauerwürgen. Da lauern sie wie kleine sabbernde Pinscher hinter den Bildschirmen auf jeden noch so kleinen Fehler, damit sie schließlich aufspringen und die Beute zerfleischen können. Denn nichts ist so schön wie Genugtuung und Schadenfreude. Das poliert das Ego gewaltig auf. Weil man ja sonst nichts hat, das einen besonders auszeichnet. Leute, lernt erst mal, euch selbst zu mögen und lernt, was Wohlwollen bedeutet. Überhaupt spuken derzeit viele Worte umher, deren tiefere Bedeutung dem jeweiligen Autor mit Sicherheit nicht klar sein dürfte. Allein wenn ich Authentizität lese, wird mir ganz schlecht. Wer ist denn heutzutage noch wirklich authentisch? Authentizität ist die Einheit von Denken, Reden und Handeln. Ich möchte nicht wissen, wie oft am Tag einer schlecht über seine Mitmenschen denkt, ihnen aber reinen Gewissens die Hand schüttelt.

Nein, ich bin kein Harmonieblogger, ich bin auch nicht vollkommen unkritisch und schon gleich zweimal nicht auf Lyssas konspirativer Medienliste. Sponsorn lasse ich mich höchstens von Kid mit einem Glas Wein. Da muss ich aber nicht drüber schreiben. Leute, merkt ihr eigentlich nicht, wie lächerlich das alles ist? Nicht umsonst heisst eine der sieben Todsünden Hochmut. Wenn jetzt alle bitte mal nen Gang runterschalten und sich selbst nicht so wichtig nehmen würden, könnten wir vielleicht in ein paar Monaten gemeinsam drüber lachen.

Nachtrag: hier eine Liste adäquater Bezeichnungen. Sucht euch was schönes aus.

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Woman from Tokyo
Apropos Feiertage: der Fitness-/Wellnessclub ist heute geschlossen, da gestern Tag des Meeres war und der Pool erst heute gereinigt werden kann. Ich verschlafe lausiges Wetter, tief hängende Wolken und Dauerregen. Am Abend dann auf Nahrungssuche. Restaurants stellen Plastikabbildungen ihrer Gerichte in Schaukästen vor dem Eingang aus, auf die Ausländer mit Fingern deuten können. Vor den Suppenküchen stehen Stühle für Wartende. Man trägt seinen Namen in eine Liste am Eingang und hofft auf das Sprachtalent der Angestellten. Speisekarten in japanischen Lettern erschweren die Auswahl. Sushi allerorten. Am Bahnhof ein Förderband für Fischsnacks (Sushitrail), die Dönerbuden Japans. Ernährung gestaltet sich schwierig, wenn man auf Schalengetier allergisch reagiert. Noch schwieriger wirds, will man seinen Prinzipien treu bleiben und sich der hierzulande gefangenen Meereslebewesen gänzlich enthalten. Japan ist das Guantanamo des Fischfanges.

Bleibt nur noch Supermarkt. Die wichtigste Information ist die über nächtliche Öffnungszeiten. Das Angebot ist reichhaltig: Sushi abgepackt, Onigiri mit Fischpaste abgepackt, Meeresfrüchtesalat abgepackt. Fischchips und getrockneter Tang gesalzen auf zwei Regalmetern. Übrig bleibt nur Instantsuppe mit Schrimps. Die kann man notfalls absammeln, bevor man heisses Wasser hinzufügt. Gegessen wird mit Stäbchen, auch die Flüssigkeit. Man muss alles nur schnell genug vom Becher zum Mund befördern. Ein ausdauerndes Völkchen. Reissnacks schmecken ganz ordentlich, bis ich den ersten getrockneten Fisch aus der Packung angle. jetzt liegt er neben mir auf dem Tisch und sieht mich traurig an. Wer schon bei Bambi zögert, kann Nemo erst recht nicht verspeisen. Ich beschließe, ihn feierlich in der Toilette beizusetzen. Leise Plätscherklänge aus dem Lautsprecher im Badezimmer. Beim Spülen erwische ich den falschen Knopf. Zwei- dreimal springt er lustig auf der kleinen Fontäne nach oben, bis er schließlich ins Nirwana der Kanalisation gezogen wird. Der Zimmerspringbrunnen hat eine Pfütze auf dem Boden vor der Toilette hinterlassen. Griesgrämig wische ich sie mit Origamitoilettenpapier auf. Japaner falten zwanghaft jede Art von Papier, das ihnen in die Finger gerät, auch Klopapier. Das Zimmermädchen hätte ihre Aufgabe innerhalb von Minuten erledigt, wären da nicht Kleenex und Co. Ich verstehe sie einfach nicht, die Japaner, so sehr ich mich auch bemühe. Während ein Origamifetisch noch belustigt, stößt das Gebahren der Geschäftsmänner nach Feierabend eher ab. Biergeruch zieht mit einer Gruppe Anzugträger an mir vorbei. Ich treffe sie wieder vor einem Zeitschriftenregal mit Hentailektüre, dem ich mich neugierig nähere. Ihre Blicke lassen mich umkehren. Dabei wollte ich mich über die neuesten Szenetrends informieren. Schnürpäckchen sind inzwischen ein alter Hut, genau wie Gips (bessere Musik hier, man muss sich aber einloggen). Was letztlich angesagt ist, entzieht sich für heute meiner Neugier.

Im Fernsehen übertriebene Fröhlichkeit vor knalliger Kulisse. Keiner würde normalerweise so laut sprechen, noch viel weniger so ungeniert über Plattitüden lachen. Paralleluniversum zum Alltag, vielleicht die Sehnsucht eines Volkes nach Ungezwungenheit, die man sich genau so vorstellt. Oder Abhärtungsprogramm. Einen Japaner bringt so schnell nichts aus der Fassung, kein Erdbeben und kein Autounfall. Auf dem Weg zum Hotel ein verunglückter Viehtransporter. Überall liegt zermatschtes Schweinefleisch auf der Fahrbahn, blutende Tiere, zerfetzte Körper. Dahinter wartet die aufgestaute Autokolonne geduldig bis zum Eintreffen des Räumungstrupps. Keiner hupt, keiner gafft. Wir passieren die Stelle reibungsfrei auf der Gegenfahrbahn. Heute ein Auffahrunfall auf meinem Weg. Ein Lastwagen der Stadtreinigung quetscht sich in den Kofferraum eines Personenwagens. Man steigt aus, ruft die Polizei und versammelt sich schweigend um die Fahrzeugreste. Alles weitere überlässt man dem Polizisten, der in Windeseile mit Signalterzgeheul auf dem Motorrad eintrifft. Ein Oh hier, ein Ah dort, sonst nichts. Kein Gezeter, keine Beschimpfungen. Auch sonst benutzt man gerne langgezogene Ohs und Ahs. Sie entschlüpfen regelmäßig den Mündern der Zuhörenden. Erstaunlich aufdringlich wirkt hingegen das abgehackt herausgepresste hai, das Zustimmung bedeutet. Für mein Gefühl mag sich der Habitus dieses Wortes so gar nicht in das restliche Verhalten einfügen. Was gerne mit jaja [leck mich am Arsch] kommentiert wird, dürfte schwierig ins Japanische zu übersetzen sein. Haihai bedeutet jedenfalls was anderes.

Falls jemand unter den Damen ausgefallenes Schuhwerk sucht, wird hier bestimmt fündig. Alle weiblichen Hotelangestellten tragen Minnie Mouse Schuhe in weiß. Überhaupt trägt man hohe Schuhe gerne eine halbe Nummer zu groß, was den schlurfenden Gang zusätzlich fördert. Früher entglitt mir gelegentlich ein Schmunzeln, wenn ich Japanerinnen auf der Straße stöckeln oder gar eilig laufen sah. Auf Nachfrage erklärte man mir, dies habe mit Unterwürfigkeit zu tun. Servicepersonal schickt sich an, die Wünsche des Kunden schnell zu erledigen und markiert einen eiligeren Schritt. Natürlich können Japaner auch richtig rennen, hat man ja erst bei der WM gesehen. Im Grunde schämen sich die Japanerinnen für ihren Schlumpfschritt. Man möchte gerne westlich angepasst sein. Und im Imitieren sind sie perfekt. Es spielen mehr Japaner in europäischen Orchestern denn je. Während meines Studiums traf ich immer wieder japanische Studenten, die kein Wort deutsch sprachen, dafür aber umso schneller die Klangbeispiele ihrer Lehrer umsetzten. Menschliche Aufnahmegeräte mit integrierter Dolby Surround Funktion. Solisten sind allerdings rar. Man bleibt lieber im Kollektiv.

Ich merke, ich komme ins Plaudern. Genug für heute, auch wenn ich noch vieles zu bestaunen hätte...

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