Montag, 29. Januar 2007
Du hast die Haare schön
Dass die Welt ungerecht ist, wissen wir nicht erst seit gestern. So mancher Lockenkopf föhnt stundenlang jede Strähne glatt, obwohl das feuchte Klima draußen alle Bemühungen in Sekunden zunichte machen. Für Spaghettilookträger wie mich wurde ein ganzer Industriezweig mit Rundbürsten und Lockenstäben aus dem Boden gestampft, deren Ergebnis so placeboartig ist, wie die von Cellulitecremes und Diätpillen. Es hilft nichts, man muss sich mit den Gegebenheiten abfinden. Wer das nicht will, greift weiter zu Hilfsmitteln jeglicher Art.

Mein Vermieter ist so ein Typ. Schon beim ersten Treffen konnte ich meinen Blick kaum von seiner Haarpracht abwenden. Mir drängte sich unweigerlich die Frage auf, ob das, was da auf seinem Kopf thronte, tatsächlich naturgegeben sei. Noch nie hatte ich so dichtes Haar gesehen, das ohne Beifügung von Gel sowohl einen Scheitel zuließ, als auch eine akkurate Frisur. Im Laufe des vergangenen Jahres stellte ich fest, dass die Haarpracht je nach Tageszeit im Sitz variierte. Vor allem morgens schien der Haaransatz tiefer in die Stirn zu liegen, dafür standen die Haare im Nacken stärker vom Kopf ab als der Rest. Der Sinn leuchtet mir ein, denn ganz instinktiv zieht man sich eine Kopfbedeckung bei rauhem Wetter tiefer ins Gesicht oder schützt sich gerne unausgeschlafen vor neugierigen Blicken. Dass dieses Prinzip jedoch bei aufgesetzten Haaren die Mitmenschen irritieren kann, schien ihm noch keiner verraten zu haben.

Ich bin mir immer noch leicht unsicher, ob der Mann tatsächlich ein Toupet trägt. Die Zeit, in der die Existenz solcher Utensilien noch nicht in meine Vorstellung gedrungen ist, liegt nicht so lange zurück. Das verhält sich ähnlich wie mit dem Ungeheuer von Lochness. Man hat davon gehört aber gesehen hat man es noch nicht. Als ich im Urlaub einst einen Bekannten aus dem Bett holte und dieser seinen Haarersatz in der Eile verkehrt herum aufsetzte, da sah ich es zum ersten Mal. Mein Weltbild geriet damals leicht ins Wanken. Ich glaube, es wäre nicht besonders ratsam, meinen Vermieter aus dem Bett zu klingeln. Bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn weiterhin kritisch zu beobachten und zu hoffen, dass er eines Tages einen Fehler macht.

Einstweilen guck ich schöne Haare und bin wohl die Letzte, die vom Ursprung dieses Spruches Kenntnis nimmt.

via kleinesf

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