Mittwoch, 19. März 2008
Dance ballerina, dance
ballerina

"Excuse me, I guess you belong to this group, right? So what kind of group are you?"

Die Frage hätte ich mir eigentlich sparen können. Das sieht ein Blinder mit dem Krückstock, dass das nicht der Sprockhöveler Kegelclub sein kann. Die jungen Mädchen drahtig grazil, die Männer robust muskulös. Ich spreche mit der Chefin des Vereins.

"This is the Georgian National ballet company and I am the director. If there's any problem please tell me."

"Are you... something like... äh... primaballerina?"

"Yes and I am the artistic director of the ballet."


Ich spreche nicht mit irgendeiner Ballerina, ich spreche mit einer der größten international bekannten Primaballerinen unserer Zeit, mit Nina Ananiashvili (Asche auf mein Haupt). Ein Passagier äußerte Bedenken bezüglich der Flugsicherheit in Korrelation zu dieser doch sehr ausgelassenen Truppe. Auch er weiß nicht, mit wem er es zu tun hat. Nach diesem Gespräch wird mir ziemlich klar, womit ich es die nächsten Stunden zu tun haben werde: bis zur Selbstzerstörung hart arbeitende Künstler, die außerhalb von Ballettsaal und Bühne ihren Emotionen gerne freien Lauf lassen. Es wird laut gelacht, geredet, herumgelaufen. Auf drei Sitzen stapeln sich zeitweise bis zu fünf Personen. Zum ersten Mal in meiner Karriere schaffe ich den engen Gang ohne Berührung zu passieren, obwohl dort zwei Damen nebeneinander stehen. Kein Wunder, die sind ja so dürr.

Nach sechs Wochen auf Tournee freuen sich die Mitglieder des Balletts auf Zuhause. Frau Ananiashvili bietet uns Karten für eine Vorstellung an, doch leider fliegen wir gleich wieder retour. Das kann meine Kollegen allerdings nicht versöhnen. Während sie im Service tapfer lächelnd ihre Wagen um die Hindernisse manövrieren, spielt die Truppe etwas, das an die Reise nach Jerusalem erinnert. Zwischendurch ermahne ich sie, zu ihren Plätzen zurückzukehren. Die Ordnung dauert jedoch nie länger als 5 Minuten, dann steht die Hälfte wieder im Gang. Erst als die Chefin ein Machtwort spricht, kehrt Ruhe ein. Ihre Autorität ist 10 Minuten stärker als meine.

Beim Aussteigen bedanken sie sich artig. Unweigerlich muss ich jedem Einzelnen auf den Hintern gucken. Was bei den Herren noch nachvollziehbar, ist bei den Damen reine Ungläubigkeit ob ihrer beneidenswert kleinen Jeansgrößen.
"You poor Darlings! They were all over the place", bemerkt die Kollegin einer amerikanischen Fluggesellschaft, die ebenfalls als Passagier mit uns zum nächsten Einsatz fliegt. Ich verteidige "meine Truppe" frenetisch gegen solche Bemerkungen anderer Passagiere und Kollegen, kämpfe verbal um Empathie, doch mehr als ein verständnisloses Kopfschütteln haben meine Kollegen für die Kompanie am Ende des Fluges nicht übrig. Und insgeheim hätte ich Frau Ananiashvili gerne um ein Paar abgetanzte, handsignierte Spitzenschuhe angebettelt. Dann aber bin ich Serviceprofi genug, es nicht zu tun.

Am Abend springe ich selbst wieder im Viereck durch die Gegend. Bunnyjumps nennen wir das, was wir da üben (beide Beine in der Luft nach vorne und hinten in Attitude, Arme entgegengesetzt ebenfalls in Attitude, wie heißen die im Fachjargon?) weil es aussieht wie ein Hasenhaken. Pünktlich zu Ostern gibt's zudem die politisch korrekten Accessoires.



Jedenfalls haben wir eine Menge Spaß und dürfen ganz nebenbei soviel Schokohasen essen, wie wir wollen. Nur die Jeans, die kaufen wir dann nicht mehr in der Kinderabteilung.

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