Montag, 1. September 2008
Dangerous
Michael Jackson

Dieser Kaukasuskonflikt ist inzwischen auch schon wieder kalter Kaffee. So kalt wie der Tsunami im darauffolgenden Sommer. Ist ja auch alles schön weit weg von hier. Und wer weiß schon, wo der Kaukasus liegt. Reinhold Messner hat jedenfalls dort noch keinen einzigen Zeh geopfert.

Für mich war das Gerangel um diverse georgische Gebiete zumindest zweieinhalb Wochen interessant, weil da dieses Kürzel für Tiflis in meinem Dienstplan stand. Konnte es sein, dass der Konflikt bis in die Hauptstadt vordringt? Würde Russland den Luftraum für die zivile Luftfahrt schließen? Naive Mitmenschen behaupten ja, die Luftfahrtgesellschaften wüssten schon was sie tun und so lange sie ein bestimmtes Gebiet anfliegen, würde es auch ganz bestimmt dort sicher sein. Ich persönlich halte das für ein Gerücht. Als sich damals in Sarajewo die einzelnen Lager beschossen, schickte man so lange wie möglich Zivilflugzeuge in die Hauptstadt und damals in Beirut - wir erinnern uns? - landeten Maschinen der westlichen Konsumgesellschaft auf dem Flughafen. Man verliert nicht gerne die heißumkämpften Slots wegen einer kleinen politischen Krise. Politik ist im Grunde auch nicht mehr als Wirtschaftsdiplomatie und Flüchtlingstransport sowas wie die letzte große Marktlücke.

Medvedev hat jedenfalls die abtrünnigen Gebiete Georgiens anektiert anerkannt und sich bis auf weiteres von dort zurückgezogen als ich nach Tiflis flog. Hin wollten etwa 40 Passagiere, weg von dort aber wesentlich mehr. Vor allem diese ungeheuer wichtige, verkabelte und körpergebildete Gruppe von Amerikanern, in ihrer ungeheuer wichtigen Mission, die so ungeheuer viel Waffen und Munition in der Kabine transportieren wollten, was ihnen aber von uns, der Besatzung, verwehrt wurde. Diese Amerikaner und ihre Mission waren so ungeheuer wichtig, dass sie gleichzeitig auch ungeheuer geheim bleiben musste. Ganz seltsame Geschichte. Jahrelang kümmern sich die Amerikaner einen Feuchten um Georgien, jahrelang durfte Stalin diskriminieren und deportieren. Jetzt aber, wo es um wirtschaftliche Interessen geht, jetzt steht plötzlich die Elite Amerikas bei Fuß, wenn um kleine Grenzgebiete gerangelt wird.

Ich bin ja nur ein ganz kleines Korn im großen Weltgetriebe aber wundern darf man sich ja mal, zumal diese Vorfälle meinen Alltag unmittelbar betreffen. Und von der Zivilbevölkerung spricht mal wieder keiner. Wichtig ist ja nur das große Ganze, da muss man auch mal Opfer bringen. Universalschicksal nennt sich das dann und Gott spielen einzelne selbsternannte Machthaber. Aber keiner scheint je von den alten Weisheiten gehört zu haben, die oben mit unten und das Kleine mit dem Großen vergleichen. Sie sind halt auch zu leise, die das aussprechen oder werden mit aller Kraft erstickt, wie derzeit in China. Die verschaffen sich nicht mit Schüssen und Sprengstoff Gehör, die hört man nicht im Feuergefecht. Nur wer innehält und bereit ist zuzuhören, wird die leisen Stimmen wahrnehmen. Möglicherweise verschieben sich dann aber gewisse Prioritäten, das System beginnt zu wanken und muss schließlich einem neuen weichen. Veränderung bedeutet aber Unsicherheit und wirkt bedrohlich. Deswegen hören wir lieber wieder auf die Marktschreier und drehen die Musik laut. Zu viel Stille ist einfach gefährlich. Nachdenken auch. Scheint so jedenfalls für die Mehrheit der Menschen zu sein.

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