Donnerstag, 11. September 2008
C sharp minor
Glenn Gould, Beethoven Sonate op. 27,2

Der Unterschied zwischen Glenn Gould und mir ist, dass Gould sein Leben lang tat, was er am besten konnte. Ich mache meistens Dinge, die ich (noch) nicht kann. Das allerdings mit einer gewissen Hartnäckigkeit und Ausdauer.

Kürzlich fragte mich einer, ob ich Johnny Depp mag. Nein, ich mag ihn nicht. Ich mag auch Jude Law nicht und muss beim Anblick von Matthew McConaughey nicht hyperventilieren. Na schön, wenn der Clooney neben mir stünde, würde ich vielleicht ein wenig schneller atmen aber auch nur noch die nächsten drei bis vier Jahre. Dann hat er seinen Zenit überschritten und verbringt den Rest seines Lebens am Pool mit einem Hausschwein. Der einzige Schauspieler, für den ich je schwärmte, war Robert Redford und das auch nur, weil man als Adoleszierende ja quasi gezwungen ist, für irgendwen zu schwärmen, der unter Gleichaltrigen bekannt ist. Insgeheim aber gehörte mein Herz Männern wie Glenn Gould und Klaus Kinski.

Es ist das kleine - oder auch große - Quentchen Wahnsinn, das mich immer schon faszinierte. Die steile Klippe am Rande des Abgrundes, an der sie alle so nonchalant entlangschlendern diese Genies. Der Kitzel, ohne Absicherung einen Grat entlangzubalancieren, welcher zwischen Himmel und Hölle liegt. Ich kann mich heute noch stundenlang damit beschäftigen, was in einem Gustav Mahler vorgegangen sein mag, der sein kleines Mädchen zu Grabe trägt, nachdem er drei Jahre zuvor die Kindertotenlieder Rückerts vertonte. Und was bewegt einen, der fröhliche Tanzstücke komponierte, dabei aber - von seinen sogenannten Freunden gar als 'Schwammerl' tituliert - der einsamste Bursche war, den man sich vorstellen kann? Und wie hat einer gelebt, dessen einzig tiefe Bindung die zu Werken toter Komponisten war, dessen brilliante Intelligenz in messerscharfer Analyse durch tonale Zusammenhänge schnitt, der aber keine Ahnung von der Stabilität des kanadischen Dollars hatte? Es interessierte ihn einfach nicht.

Glenn Gould und ich, wir waren zu verschieden. Und obwohl ich die Sache mit dem Wahnsinn mehrmals ausprobierte, wollte es einfach nicht gelingen. Vielleicht fehlte mir die nötige Intelligenz, vielleicht eine gewisse Genialität. Jedenfalls ist nie was aus uns geworden. Bereut habe ich es aber nicht. Echter Wahnsinn kann im Alltag nämlich ganz schön anstrengend sein. Und ich bin inzwischen schon um einiges ruhiger geworden.

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