Montag, 16. Juni 2008
Time to get ill
Frage: was haben Sportler und alte Leute gemeinsam?
Antwort: sie reden viel über ihre körperlichen Unzulänglichkeiten.

Es bleibt mir aber auch nichts erspart. Erst die Schulter, dann die Achillessehne, jetzt das Sprunggelenk, ganz zu schweigen von diversen langwierigen Zerrungen. Und nicht eines nach dem anderen, dass man ein jedes mit gebührender Aufmerksamkeit, Wärmepflaster und Tapeband bedenken könnte. Nein, es kommt immer gleichzeitig überlappend, sodaß man sich irgendwann nicht mehr bewegen kann. Das Paradoxe an der Situation ist, ich mache dann doch weiter. Also irgendwas zwischen Paralympics und Schwangerschaftsgymnastik mit zusammengebissenen Zähnen. Einfach weil es viel anstrengender ist, wieder ganz von vorne zu beginnen, als ein wenig Schmerzen auszuhalten.

Jetzt gleich ein Termin beim Arzt. Das ist ganz wichtig, um sich die Schmerzen attestieren zu lassen. Man braucht ja immer was zum Vorzeigen hierzulande. In älteren Bevölkerungsschichten hat sich das schon rumgesprochen, zumindest bei denen, die ich im Zehneurowartezimmer treffe. Da wird über Diagnosen und Therapien gesprochen wie andernorts über das Wetter. Überweisungsscheine sind Wertpapiere und das Wort 'Heilungschancen' ist sowas wie der DAX der Kranken. Je besser ersteres, umso schlechter die Bewertung, denn der Lohn der Krankheit ist Mitleid. Je mehr Gejammer desto mehr Zuspruch. Die ganz Gewieften lassen sich diverse Krankheitsbilder bis ins kleinste Symptom beschreiben, um sie schließlich zu übernehmen. Zusatzqualifizierung nennt sich das. Doch das wahre Drama spielt sich hinter verschlossener Behandlungszimmertüre ab. So Mancher erlebte dort einen rapiden Kurseinbruch.

Schau'n wir mal, wie hoch ich mich derzeit handeln lassen kann. Zwischen all den Herzinfarkten und Arthrosen mache ich keinen Stich, das ist klar. Aber ein wenig verbale Streicheleinheiten wäre schon ein Anfang. Und dass mir ja keiner kommt mit 'selber schuld'! Das ist nämlich mein Spruch.

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Sonntag, 15. Juni 2008
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Schon mal im Sommer mit Wärmeflasche im Bett gelegen? Anyone?
Ich glaube, ich bin im falschen Film.

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Samstag, 14. Juni 2008
Whatever u like


Als mich in den Neunzigern eine damalige Schülerin fragte, ob ich Hip Hop möge, wußte ich nicht mal, was das ist. Damals konnte ich auch nicht einfach bei Wikipedia nachlesen oder googeln. Dementsprechend alt fühlte ich mich auf einen Schlag, denn wenn man die angesagte Musik nicht mehr kennt, ist man alt. Heute weiß ich nicht nur was Hip Hop ist, seit kurzem versuche ich sogar, darauf zu tanzen. Keine Angst, das wird jetzt nicht wieder einer dieser langweiligen Tanzberichte, denn Hip Hop ist bekanntlich viel mehr als nur Musik.

Hip Hop ist eine Lebenseinstellung. Dazu gehören die weiten Hosen, deren Schritt auf Kniehöhe pendelt und in denen man kiloweise Kartoffeln transportieren könnte, coole Sneaker und lässige Pullover mit Kapuzen. Zu meiner Zeit - und auch diese Wendung zeigt deutlich, wie alt ich geworden bin - hießen Sneaker noch Turnschuhe und Jeans mußten eng sitzen, Pullover hatten V-Ausschnitt und drunter trug man Blusen. Einzig im Sommer trug man T-Shirts mal sehr weit mit nichts drunter, bis man von seinen pubertierenden Mitschülern erfuhr, dass der Tunneleffekt am Ärmel der Grund für die neu gewonnene Aufmerksamkeit war.

Hip Hop kommt von der Straße. Man spricht auf der Straße anders als in Schulen und Universitäten, man spricht Umgangssprache, und zwar die vor dem jeweiligen Migrationshintergrund. Gestern fiel mir zum ersten Mal auf, dass die Mehrzahl der Teilnehmer neben der deutschen auch für eine weitere Fußballmannschaft fiebert. Bis auf das Mädel aus dem Iran, die sehr anschaulich schilderte, wieso die Iranische Mannschaft ihr Fanherz nicht höher schlagen läßt:
"Ey, die sind so schlescht ey! Geht der Ball nach reschts, rennen alle nach reschts, geht der Ball nach links, rennen alle nach links. Geh' mir weg mit Iraner un' Fußball."
Eigentlich haben sie's viel besser als der Durchschnitt der Deutschen. Mit zwei Fähnchen am Auto ist man einfach flexibler. Scheidet eine Nation im Vorfeld aus, kann man immer noch für einen zweiten Verein jubeln. Ganz ohne schlechtes Gewissen. Der Konflikt beginnt erst bei so brisanten Begegnungen wie Deutschland-Italien vor zwei Jahren oder einer möglichen sportlichen Begegnung Deutschland-Türkei dieser Tage. Dann wünsche ich mir, dass die Türkei gewinnt. Andernfalls kann ich meine Hip Hop Ambitionen bis auf Weiteres vergessen.

Und darum geht es ja schließlich. Für eine mögliche Integration in die Lebensart fühle ich mich etwas zu alt aber die sportliche Seite möchte ich nicht missen. Die Meisten in der Gruppe könnten altersmäßig meine Kinder sein, bemühen sich jedoch rührend, mich das nicht spüren zu lassen. Ich meine, hey, wer nie mit seinen Eltern in der Disco war, der weiß nicht, was Fremdschämen ist. Während die Jungen mit minimalistisch akzentuierten Bewegungen Abgeklärtheit signalisieren, ringen die Alten wild mäandernd um Ausdruck. "Ey, das sieht doch voll scheiße aus als Frau, wenn dauernd alles schlackert, so oben un' so. Wir machen auf cool, ham coole weite Hosen an un' machen eher so in klein", erklärt mir eine Schülerin den Unterschied zwischen normalem Hip Hop und 'Bounce'. Dann gibt es noch L.A. Style, Streetstyle und weitere Feinheiten, die ich noch nicht wirklich verstehe.

Anschauungsmaterial findet sich im Netz eine ganze Menge. Am meisten imponiert mir derzeit eine Lehrerin am New Yorker Broadway Dance Center. Viele von Luams Choreographien sind bei Youtube zu sehen.



Ich bleibe dran und berichte über bollerige Hosen Neues aus der hiesigen Szene. "Yo' Bro' have you heard the news from BMWtown?" [*fuchtelt dazu wild mit nach innen geknickten Handgelenken und jeweils zwei abgestellten Fingern in der Luft]

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