Donnerstag, 21. August 2008
Forget me not
Lucie Silvas

Alle zwei Jahre das gleiche Theater. Alle zwei Jahre will ich ein neues Handy und stelle fest, ich habe mein Passwort vergessen. Natürlich bin ich so schlau, mir nach dem Telefonat mit einem freundlichen Mitarbeiter meines Vertragsanbieters dieses Passwort auf einen Zettel zu notieren, vorzugsweise dort, wo ich nach zwei Jahren auch wieder nachsehe. Wäre ja blöd, ich fände den Zettel nach zwei Jahren nicht mehr. Allerdings stehen da mittlerweile fünf Passwörter zur Auswahl, jedes farblich, dick unterstrichen oder sonstwie graphisch abgesetzt.

Was Telefonnummern und Passwörter angeht habe ich normalerweise das, was man gemeinhin als Elefantengedächtnis bezeichnet. Ich merke sie mir über Jahre. Beispielsweise kann ich alle EC-Karten Pins aufsagen, die ich je hatte. Oder mir fallen Telefonnummern ein von Menschen, die längst gestorben sind. Ist jetzt nicht sonderlich hilfreich, was das Passwort meines Handyvertragspartners betrifft aber umso erstaunlicher, dass ich es regelmäßig vergesse. Wenn ich mir die in Frage kommenden Alternativen auf besagtem Zettel so betrachte, stehen da Begriffe, die ich nicht in meinem aktiven Wortschatz befindlich glaubte. Der Schlüssel zur Lösung liegt wahrscheinlich in der Herleitung.

Neben Zahlenkombinationen habe ich nämlich auch ein phänomenales Gedächtnis für Witze. Der Trick dabei ist, sich nur die Pointe zu merken. Den Rest kann man je nach Eloquenz spontan improvisieren. Jetzt ist es aber so, dass auch zu jedem Passwort eine Geschichte gehört -erlebt oder fiktiv - bei der ich mir dann nur das Schlüsselwort merke. Diese Handygeschichte ist höchstwahrscheinlich so langweilig, dass ich sie regelmäßig aussondere. Wo ich so darüber nachdenke, fällt mir gerade auch wieder die Geschichte zu "Bunnycheck" ein, dem notierten Passwort, das gestern als letztes eingegeben jeglichen Zugang für immer 24 Stunden unmöglich machte. Hätte ich mir auch denken können, in der Geschichte geht es nämlich um einen Ex"Freund" und zu dem habe ich seit mehr als 24 Stunden den Zugang verweigert (muss ich noch erwähnen, dass der Ausdruck nicht auf meinem Mist gewachsen ist?)

Die emotionale Beziehung zu meinem Handy ist eindeutig gestört. Wir teilen keine schönen Erinnerungen, geschweige denn ein geheimes Passwort. Im Grunde benutze ich es nur. Dem Seelsorger Mitarbeiter bei der Hotline ist das aber ziemlich schnuppe. Er will das richtige Kennwort hören. Und da war es wieder, mein kleines Problem...

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Mittwoch, 20. August 2008
Face in the mirror
Wären wir blind, müssten wir fühlen. So aber starren wir in die blanke Reflexion, um nach Makeln zu suchen, um uns wieder zuerkennen oder einfach nur in der Hoffnung, etwas von dem zu begreifen, was ein anderer in uns sieht. Spiegel sind für jene, die von der Meinung anderer leben. Wenn ich es fragte, hat mir mein Spiegelbild noch nie irgendeine Wahrheit über mich verraten. Im Gegenteil, es versucht regelmäßig, meine innere Sicherheit zu boykottieren. Ich werde dieses Geplapper in Zukunft ignorieren und lieber auf meinen Bauch hören.

The Mirror

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Dienstag, 19. August 2008
We sail tonight for Singapore (2)
Dass Singapur angeblich die sauberste Stadt der Welt sein soll, höre ich schon im Vorfeld. Dann die ersten Restriktionen bei der Einreise: keine Kaugummis. Klar, denn Kaugummis hinterlassen scheußliche Flecken auf dem sauberen Asphalt der Gehwege. Also müssen die zwei Packerl Kaugummi der Kollegin noch an Bord gekaut werden. Ich schaffe eine Packung in durchschnittlich fünf bis sieben Minuten, weil ich die Dinger meistens ziemlich schnell schlucke. So kann ich wenigstens was für die Kollegin tun. Ich schmuggle ihre Kaugummis im Magen durch die Zollkontrolle.



Es soll aber noch schlimmer kommen. Nämlich als ich am nächsten Tag die saubere Orchard Road - eine Einkaufsstraße mit Luxusläden, die man nicht gesehen haben muß - hinunterschlendere, mir noch kurz vor der U-Bahnstation einen extra großen Becher Kaffee hole und dann nicht wie geplant vor dem Fahrkartenautomat, sondern obigem Hinweisschild stehe. Von rechts oben zoomt eine Kamera auf meinen Pappbecher, den ich aus lauter Verlegenheit unter meinem Shirt verstecke. Die Kamera zoomt auf meinen Ausschnitt, aus dem ein Strohhalm ragt. Ich erwäge kurz, einem Passanten den Becher einfach in die Hand zu drücken, entscheide mich dann aber, schnell an die Oberfläche zu flüchten, bevor der Kaffee zu einem der teuersten meines Lebens wird.



Teuer wird auch das Abendessen, wobei in besonders exquisitem Kolonialstilambiente nahe des Flußufers die Speisen nochmal so gut schmecken. Diesmal lasse ich mich von meinen indischen Freunden bedienen. Sie erledigen ihren Job flink, aufmerksam und zugegebenermaßen viel besser als ich es könnte.



Leider ist in meinem Magen neben den gebunkerten Kaugummis kein Platz mehr für drei Gänge. Ich verzichte zu Gunsten des Sorbets auf die Hälfte des Hauptganges. Der chinesische Kohl wartet jedoch nicht, bis das Sorbet eingetroffen ist, sondern breitet sich beständig aus. Die Besitzer werden sich wohl etwas dabei gedacht haben, das Restaurant unter freiem Himmel zu betreiben. Übrigens eine weitere top Arbeitsstelle im Freien ist in Singapur Lamborghinisitter:



Gerne auch auf 400 Euro Basis. Obwohl in Singapur kaum einer aus versehen mit dem Schlüssel seitlich vorbeischrappen würde. Auf nicht vom Besitzer initiierte Rallyestreifen steht dort mit Sicherheit die Todesstrafe, wenn man schon für einen läppischen Kaffee in der U-Bahn 500 SGD zahlt.



Der hier braucht keinen Aufpasser, der ist in Singapur nämlich Massenware. Vor jedem größeren Hotel stehen davon mindestens drei. Verwirrend ist nur das Steuer auf der rechten Seite. Man stelle sich das mal vor: ein Italiener erwirbt dieses Kolonialfabrikat als Schnäppchen. Auf heimatlichen Straßen könnte er damit glatt als Geisterfahrer durchgehen. Für die pedaggio - die Maut - muss er allerdings sowieso aussteigen, egal auf welcher Seite das Steuer ist.




Ich fahre lieber U-Bahn, denn die ist wohl in keiner anderen Stadt so durchorganisiert wie in Singapur. Nur sollte man nicht neben der gelben Linie stehen, immer in Pfeilrichtung laufen und dabei möglichst keinen Coffee to go in der Hand halten, sonst wird man unfreiwillig zum Hauptdarsteller sämtlicher Überwachungsvideos. Danach weiß ich den öffentlichen Nahverkehr in München zu schätzen. Wenn man nicht schnell genug zusteigt, tönt hier ein grantlerisches "auf geht's! Nei jetzad!" aus dem Lautsprecher. Aber wenigstens wird da noch mit einem gesprochen. Extra laut sogar.

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