Donnerstag, 12. März 2020
Vom Fliegen und Ratlosigkeit
Die Ereignisse überschlagen sich. Aufgrund der Corona-Pandemie dürfen Deutsche nicht mehr in die USA und Indien einreisen. Flüge nach China sind gestrichen, noch werden aber vereinzelte nach Hongkong durchgeführt. Jetzt gibt es nicht mehr viele Routen für uns Airlineangestellte, zumal mit weiteren Restriktionen zu rechnen ist.

Selbst bin ich lange nicht geflogen. Mein Wiedereinstieg gestaltet sich langsam, da ich zunächst einmal neu durchgeschult werden muss, Lizenzen und Wissen erneuern, Tests absolvieren, das ganze Brimborium halt, das normalerweise sukzessiv über das laufende Jahr verteilt absolviert wird. Zwei Hürden habe ich bereits, darunter auch die größte, die Flugtauglichkeit. Die ist Grundvoraussetzung für meine Tätigkeit an Bord, denn ich soll bei allen auftretenden Eventualitäten körperlich adäquat reagieren können. Auch nach vielen Stunden Stehen und Gehen muss ich möglicherweise noch rennen, über Hindernisse steigen oder kriechen und hocken können. Das testet der Flugarzt aber nicht, vielmehr muss ich es selbst einschätzen.

Das lange Stehen macht mir keine Sorgen, wohl aber die nicht mehr passende Uniform und die fehlenden Flüge. Wie soll ich arbeiten, wenn es kaum mehr Menschen gibt, die transportiert werden wollen? Das Szenario ist nicht ganz neu und in dieser Form bereits 2001 während der Ereignisse vom 11. September, sowie 2003 bei der SARS Krise erlebt. Mitarbeiter in der Probezeit und solche in Ausbildung werden nicht übernommen, andere werden in den Urlaub geschickt oder nehmen freiwillig die unbezahlte Variante. Die Krisenpläne liegen längst nicht mehr in der Schublade, denn der Cashflow muss unter diesen Umständen unterbrochen und das Geld im Unternehmen gehalten werden. Wir alle kennen die Auswirkungen aus den Nachrichten. Was wir dort nicht sehen, ist die menschliche Seite.

Ich sehe die jungen und nicht mehr ganz so jungen Lehrgangsabsolvierenden, wie sie adrett in ihren Uniformen über das Schulungsgelände laufen. Es wird gelächelt, weil man gewohnt ist zu lächeln, weil man deshalb ausgewählt wurde. Doch was in den Köpfen vorgeht, kann nicht weggelächelt werden. Da ist der junge Mann, der eine andere Arbeitsstelle kündigte, eine teure Wohnung in München angemietet hat und nun mit der Aussage leben muss, er würde bis auf Weiteres keinen Arbeitsvertrag bekommen. Da ist die Gruppe Chinesinnen, die ihre Heimat hinter sich ließen, nicht aber die Sorge um ihre zurückgebliebenen Familien und die dennoch jeden Tag für ein paar Stunden eine neue Sprache erlernen, die sie möglicherweise genauso schnell wieder verlernen werden. Da ist der Kapitän, der wegen staatlicher Auflagen vielleicht nicht mehr vom Dienst nach Wien heimkehren darf und die Copilotin, die wegen stündlicher Dienstplanänderungen nicht mehr weiß, wie sie eine lückenlose Kinderbetreuung organisieren soll - die Großeltern dürfen nicht mehr einspringen.

Einige resignieren, andere tun etwas, das wir immer wieder trainieren. Wir setzen uns nicht mit den Ängsten, sondern mit den Möglichkeiten auseinander. Wir sammeln Fakten, wägen ab, planen neu, entscheiden und überprüfen die Ergebnisse. Im Fachkreis heißt das Modell FORDEC - facts, options, risks, decision, execution, check. Die Alten und die, die aus Ländern mit weniger Stabilität kommen, kennen das, die Jüngeren sind davon zunächst überfordert. Panik entsteht durch fehlende Handlungsoptionen - egal ob sie tatsächlich fehlen oder nur als fehlend wahrgenommen werden. Ein kleiner Ausflug in die Psychologie untermauert meine These. Zum Stichwort Resilienz finden sich viele Untersuchungen, wie Menschen aus wesentlich auswegsloseren Situationen relativ unbeschadet hervorgingen. Wer aber zum ersten Mal mit derartigen Einschränkungen zu tun hat, der hyperventiliert erst mal eine Runde.

Letztlich wissen wir, dass es immer irgendwie weitergeht und nichts bleibt, wie es war. Kann ich auch leicht schreiben, weil ich ja schon ein bisschen Erfahrung gesammelt habe. Weil ich weiß, dass ich schon schwierigere Hürden genommen und Situationen gemeistert habe. Die jungen Kolleginnen und Kollegen wissen das aber nicht. Umso mehr würde ich sie gerade jetzt gerne an die Hand nehmen und ihnen das Schöne zeigen, das trotz aller Gefahr existiert. Die Beschleunigung beim Start, die Sonne über den Wolken und den Zusammenhalt, der durch die tadellosen Uniformen entsteht, die sie noch so stolz tragen. Ich hoffe sehr, dass ich in ein paar Monaten dem ein oder anderen auf der Strecke begegne. Und dann werde auch ich nach so vielen Jahren Fliegen wieder stolz sein.

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Sonntag, 8. März 2020
Tageblog 8.3.2020


Was Sie hier sehen, ist eine 1,70m lange Liste zur Wahl des Münchner Stadtrates. Ich fühle mich leicht überfordert beim Ausfüllen - nicht wegen der Wahl an sich, sondern wegen der praktischen Ausführung. Ich soll auf diesem Zettel 80 Kreuze so setzen, dass ich das Dokument damit nicht für die Auszählung ungültig mache. Das geht erst mal nur auf dem Boden. Während natürlich für mich die ein oder andere Liste nicht in Frage kommt, sehe ich mir jede Kandidatin auf den verbleibenden im Netz genauer an - genau, Männer gehören in den Baumarkt, nicht in die Politik. Könnte man sich alles leichter machen und halt irgendwo seine Stimme markieren, wo's generell für einen passt, mache ich aber nicht, weil ich dieses Mal etwas verantwortungsbewusster wählen möchte. Ich frage mich, wie das in einem Wahllokal möglich wäre. Die Liste für den Bezirksausschuss war übrigens nur um die Hälfte kleiner.

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Ein bisschen macht sich bei mir Verzweiflung breit. Während es nämlich letzte Woche so aussah als würde das Bein heilen, habe ich nachts seit zwei Tagen wieder Schmerzen. Die alte Entzündung ist wieder da. Mittlerweile stellte ich fest, dass sich selbst im Schlaf die Muskulatur um die betreffende Stelle verkrampft. Meine Vermutung ist, es war dort halt schon zu lange zu schmerzhaft, der Körper hat sich das gemerkt und meint jetzt bei jeder Kleinigkeit, immer noch schützen zu müssen. Meine Lösung: keine Ahnung.
(Bitte dennoch von Vorschlägen abzusehen). Morgen kommt dann die Probe auf's Exempel, die wahrscheinlich zum Rohrkrepierer wird.

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Zum Schluss was Schönes für Kunstaffine:
Eine Tanztruppe stellt alte Caravaggio Gemälde nach. Das sieht nicht nur beeindruckend aus, sondern ist auch Kunst in sich.



Davon gibt es noch mehr mit anderem Hintergrund:



und ein kleiner Hintergrundbericht der Truppe um Ludovica Rambelli:

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Samstag, 29. Februar 2020
Tageblog 29.2.2020 - finally
Heute letzter Tageblog, weil dann ist der Februar und mein Projekt rum. Na gut, ich habe gestern geschummelt, dafür ist aber heute Schalttag. Vielleicht schiebe ich noch einen Tag hinterher. Inzwischen wurde das tägliche Schreiben ein wenig anstrengend, weil entweder es gibt nichts zu berichten oder nichts, das ich hier öffentlich ausführen möchte. Umso mehr bewundere ich die Blogs, die nicht nur täglich etwas veröffentlichen, sondern das Veröffentlichte auch noch gut zu lesen ist (die Kaltmamsell ist wieder da). So wechsle ich ab März eben wieder auf die Konsumentenseite.

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Konsum und Hamsterkäufe, ich verstehe das alles nicht so recht, glaube aber eine große Marktlücke bei den sogenannten Frauenzeitschriften gefunden zu haben: die Corona-Diät! Sieben Kilo in vier Wochen ohne Mühe abnehmen. Geht ganz einfach: warten, bis die Quarantäne verordnet ist und dann keine Vorräte angesammelt haben.

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Diät ist nicht meines. Trotzdem muss ich dringend noch ein bisschen abnehmen. Ich habe im Laufe meiner krankheitsbedingten Untätigkeit und zugegebenermaßen schon vorher, als das Bewegen schon sehr schmerzvoll war, einige Kilo angesammelt. Die spüre ich bei diversen Dehnübungen, wo der Bauch im Weg ist, und bei Kräftigungsübungen, weil da mehr Masse zu stemmen ist. Zudem möchte ich ja nächste Woche wieder zur Arbeit, meine Uniformteile passen aber nur noch ungeschlossen. Seit Dezember laufe ich nur noch in Jogginghosen oder Leggins herum. Es gibt noch eine Jeans, die mit Mühe schließbar ist. Das akzeptiert die Firma aber nicht als uniformtauglich. Folglich muss ich mir dringend was ein- oder was anderes abfallen lassen.

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Einfälle habe ich genug, doch manchmal wundere ich mich schon, was mein Gehirn da so alles produziert. Mich würde dringend interessieren, ob es in anderen Köpfen auch so skurril zugeht. Mal abgesehen von dem täglichen Mist, entwirft mein Kopf nämlich ständig sehr abstruse und komische Situationen, die jeden blöden Klamaukfilm à la Monty Python als Mauerblümchen erscheinen lassen. Vielleicht denken die Macher genannter Filme aber das Gleiche, und die Filme sind nur die abgemilderte, sozial anerkannte Form dessen, was sie täglich bewegt. Wir werden es nie erfahren.

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Ein paar nächtliche Gedanken zur Kunst lesen Sie bitte heute bei Gaga Nielsen. Unbedingt auch die Kommentare lesen, denn Frau Nielsen gibt sich immer große Mühe um ausführliche Beantwortung. Das schätze ich übrigens - wie bereits erwähnt - auch hier in meinem Blog sehr an ihr.

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Wer Angst vor Ansteckung hat und sich dennoch sozialen Kontakten nicht entziehen möchte, steckt bei der Begrüßung schon im Dilemma. Eine praktikable Lösung in Zeiten der bösen Viren ist hier zu sehen:

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