Donnerstag, 30. April 2020
Tageblog 30.4.20 - Blumenkonglomerat
Heute unter der Rubrik erste Male einen Blumenstrauß zusammengestellt. Oder wie nennt man die Kombination diverser Blüten- und Grünstengel? Ikebana ist es nicht, denn das erfordert sehr viel Geschick und vor allem Kontemplation. Was ich gemacht habe, war alles andere als kontemplativ oder geschickt. Anlass hierzu war ein Notfall der besonderen Art. Und weil außergewöhnliche Umstände auch außergewöhnliche Maßnahmen erfordern, ging ich kurzerhand Blumen besorgen. Wie schwer kann es schon sein, einen Strauß selbst zu fertigen? Die Antwort kann ich hier schon mal verraten: der Schwierigkeitsgrad hängt maßgeblich von der Anspruchshaltung der Erstellenden in Bezug auf das Ergebnis ab. Im Klartext heißt das schwer - oder zumindest schwieriger als vermutet.

Man braucht ein paar verschiedenfarbige Blumen, etwas Füllmaterial und ein bisschen grün für den Rand, das die Blüten stützt, zudem ein gutes Augenmaß, Geschmack und ein Gefühl für Pflanzen. Die Blumen waren schnell besorgt, ebenso das Füllmaterial. Geschmack und Augenmaß traue ich mir zu, nur das Gefühl für Pflanzen scheint ein bisschen zu fehlen. Kennen Sie das, wenn man etwas auf eine ähnliche Länge kürzt und während des Prozesses merkt, man hat zu viel abgeschnitten? Bei Blumen bestimmen Blattansätze und Verästelung die Länge. Die Blätter machen das Wasser faulig, folglich reißt man sie entweder ab oder kürzt den Stil darüber. Ich habe mich nach eingehender Betrachtung für die Variante 'wie die Natur sie hat wachsen lassen' entschieden, denn alles andere war mir zu riskant.

Bei Floristikangestellten sieht das Binden eines Straußes sehr leicht aus. Eine Hand hält die Stengel, während neue Stiele von allen Seiten ergänzt werden. Danach wird unten auf gleiche Länge gekürzt. So hatte ich einen wilden Ballen in der Hand, die Blüten nach allen Seiten geneigt und das Grün kreuz und quer. Obwohl ich gelb und rot abwechselnd ergänzte, schienen sich gleiche Farben nach dem Ablegen eigenwillig anzunähern. Mit einem Seufzen band ich die Stiele zusammen, denn die Empfängerin würde sicher selbst für das Arrangement sorgen wollen. Spätestens wenn die Tulpen nachwachsen, sind die anderen Blüten zu kurz, weshalb ich nur die Tulpen kürzte. Das Ergebnis sehen Sie hier
(und nein, ich möchte keine Krautkommentare hören!)



Das Gefühl hinterher hat was von selbstgetöpfert - man fertigt was an, das nicht richtig toll gelingt aber andere trotzdem mit dem Ergebnis beglückt. Auch in der Produktion wenig Kontemplation und mehr Konglomerat. Andererseits ist das wilde Ding vergänglich. Falls Sie also demnächst etwas selbst fertigen und es nicht gut gelingt, machen Sie den Banksy bevor es andere tun. Oder schenken Sie Pralinen. Pralinen gehen immer, und die verschwinden ganz schnell von alleine (vermutlich Verdampfung).

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Montag, 20. April 2020
Tageblog 20.4.2020 - In meinem Körper wohnen
Da ist eine Sache, über die ich schon ein paar Tage schreiben will und es dann immer wieder verwerfe, weil es trivial klingt, weil es Jammern auf hohem Niveau ist, weil ich es nicht so ganz zu fassen kriege. Wenn ich Empfindungen oder Ahnungen in Sätze packe, bin ich die Gedanken erst mal los oder habe eine solide Basis, um weiter darauf rumzudenken und Schlüsse zu ziehen. Das funktioniert auch im Gespräch, bei dem sich Gedanken entwickeln, doch braucht das einen guten Zuhörer, damit er/sie mich daran erinnert, was ich zuvor von mir gegeben habe.

In meiner Welt spielt Bewegung eine große Rolle. Nicht nur, um mich meiner überschüssigen Energie zu entledigen, sondern vor allem, um dabei meinen Körper zu spüren. Natürlich kann auch im Ruhezustand gespürt werden - der Stoff auf der Haut, ein Windhauch, die Berührung des Bodens oder einer Auflagefläche, Wärme oder Kälte und vor allem Schmerzen. Wenn ich allerdings meine Muskulatur aktiviere, die Arme hebe, die Beine anspanne, die Zehen strecke, den Rumpf drehe oder den Kopf kippe, gewinnt der Körper eine Relation zum Raum, die sich in zeitlich schnellerer Abfolge ändert als im Ruhen. Aus diesem Gefühl ziehe ich etwas Befriedigendes. Andere offenbar auch, denn sonst hätten sie keine Freude am Tanzen, Hüpfen oder Gleiten, wie es bei Rollfortbewegung der Fall ist. Ja noch mehr, ich empfinde ein regelrechtes Bedürfnis nach schnellen Abfolgen von Positionsveränderung, die allerdings abwechslungsreich sein sollten. Laufen und Schwimmen haben ihre Berechtigung, so sehr wie Tanzen hat mich eine sich wiederholende Bewegungsabfolge zu ihrem Selbstzweck aber nie gereizt. Wenn die Bewegung allerdings einem übergeordneten Zweck dient, wenn dabei eine Choreographie, ein Spiel oder ein Klang entsteht, dann wird die Bewegung zur Erfüllung meines Bedürfnisses. Radfahren ist dabei eine Ausnahme, da die Bewegung sich rhythmisch wiederholt, ich aber währenddessen andere Eindrücke sammle (Ortsveränderung, Wind, visuelle Reize).

Mein Körper war verletzungsbedingt bewegungseingeschränkt, was muskuläre Veränderungen zur Folge hatte. Weniger Leistungsfähigkeit, weniger Beweglichkeit und einhergehend auch Gewichtszunahme - zugegeben kommt das natürlich auch vom Frustessen. Die Schuhe habe ich immer mit durchgestreckten Beinen zugebunden, diverse Sitzpositionen auf dem Boden, die für andere schon sehr herausfordernd waren, bezeichnete ich als bequem. Das kommt alles wieder, habe ich mich getröstet. Aber was wenn nicht? Auch mein Älterwerden verändert den Körper nicht unwesentlich. Dabei spielt es in meiner Wahrnehmung keine Rolle, ob ich mehr Falten oder Dellen sehe und auf welcher Höhe sich Hintern und Brüste befinden. Wenn ich allerdings mehrfach am Tag Hitze- gefolgt von Kältewellen erlebe, wenn Mund, Augen und Haut extrem trocken und die Kilos bei bestimmten Bewegungen im Weg sind, dann ist das schon beeinträchtigend. Mein Körper fühlt sich einfach nicht mehr wie mein Körper an.

Dieses Fremdheitsgefühl begleitet mich nun schon seit fast einem Jahr. Ich kann nicht abschätzen, ob sich dieser Zustand durch mentale Adaptierung positiv beeinflussen ließe, weil ich noch zu sehr an einem Vorher-Nachher Status festhalte. Das Streben nach Bekanntem, das als Normalität definiert wird, dürften die Meisten gerade in der jetzigen Zeit erleben. Noch üblicher ist es bei Hochleistenden, die ein Ideal anstreben, das über ihre definierte Normalität hinausgeht. Wenn mein Körper im sportlichen oder künstlerischen Bereich Höchstleistungen vollbracht hat, ist es sehr schwer, sich an weniger zu gewöhnen. Und wo wir schon bei Gefühlen sind: die Hormone spielen im Gefühlshaushalt natürlich keine unwesentliche Rolle. Dass die gerade in mir drin Samba tanzen, ist auch nicht überraschend (Sie kennen noch diesen uralten Schlager von Tony Holiday?)

Mal abgesehen von den verletzungsbedingten Einschränkungen bedeutet Älterwerden schlichtweg Leistungsreduzierung. Die Frage, die sich mir stellt, ist, ob ich mich anpassen kann, mich irgendwann wieder wie ich selbst fühlen werde und wie ich das anstelle. Das wär' mir echt wichtig, weil anders mag ich nicht.

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Freitag, 17. April 2020
Tageblog 17.4.2020 - Work of Art
Everyday is like a blank canvas...

Der heutige Tag wird von mir zur Abwechslung mal von hinten aufgerollt. Am Abend musste ich raus, weil ich fast den ganzen Tag im Liegen verbrachte - der Rücken halt. Auf meinem kleinen Spaziergang kam ich an einer Aussengalerie vorbei.



Sowas hatte ich zum ersten Mal in Sankt Petersburg an den Häuserwänden gesehen, die zur Eremitage führten.
Große Gemälde in schweren Rahmen hingen da entlang des Kanals. Damals wunderte ich mich, heute fand ich die Idee nett, weil sie von einem Künstler stammen, der sein Atelier im Hinterhof hat und auf dem Autodach ebenfalls ein großes Werbebild spazierenfährt.
Bei meiner Heimkehr fischte ich eine Postkarte mit einem Original aus dem Briefkasten.


Wenn wir uns wiedersehen, haben wir prickelnde Getränke vor uns stehen steht am Ende der Botschaft auf der Rückseite.

Erst dachte ich, das sei ein Weinglas, ein sogenannter Römer mit einem grünen Stiel, zumal die gedichtete Zeile darunter ebenfalls auf ein Getränk hinzuweisen schien. Doch dann fiel mir auf, dass es sich um einen Baum handeln muss. Kürzlich hatte die Künstlerin ihr Interesse für Bäume in der bildenden Kunst geäussert. Jedenfalls besitze ich jetzt eine echte Nielsen und freue mich über den Postkartengruß.

Ansonsten war der Tag sehr zäh. Ich mache mir viel Gedanken um dies und jenes. Eine große Rolle spielt darin neben körperlichen Beobachtungen mein Gefühlshaushalt. Der scheint etwas aus dem Lot zu sein oder besser gesagt im Minus. Dazu aber ein andermal mehr. Durch die Rückensituation waren alle Sport- und Bewegungspläne erst einmal gestrichen. Ich tat mich schwer mit dem Binden der Schuhe und Haltungsänderungen. Auch der Tennisball, auf dem ich mich am Boden herumrollte, brachte keine Besserung. Während ich gestern noch Muskelkater vermutete, wird die Wahrscheinlichkeit eines Hexenschusses immer größer. Ist ja nicht so, als sei ich seit langer Zeit von Schmerzen verschont gewesen. Zumindest das Körperteil ist ein anderes. Die Verspannung im Rücken ist durch die Beinsache auch schon lange latent da, den letzten Kick hat er durch die gestrige Umzugshilfe bekommen.

Und weil wir schon bei Schlimmem angelangt sind, hier ein schöner Satz von Frau Novemberregen, die auf Twitter jeden Tag fragt, was alle gemacht haben und ein bisschen Sorge wegen schlimmer Antworten hatte:...und dass es immer besser ist, das Schlimme zu benennen, als es nur zu erahnen.
In diesem Sinne lege ich mich jetzt wieder hin und hoffe auf Besserung.

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