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Samstag, 19. März 2022
Freedom II
frau klugscheisser, 17:08h
Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, die Monogamie und ihre Ausläufer. Ich sag's mal so: Monogamie ist ein faszinierendes Gedankenkonstrukt, das zumeist an menschlicher Imperfektion scheitert. Die Imperfektion heißt Langeweile. Wer etwas lange hat, will was anderes. Das trifft sowohl auf Besitztümer und Situationen als auch auf abstrakte Zustände wie beispielsweise Glück oder Frieden oder gar Menschen zu. Man glaubt, etwas oder jemanden zu seiner Zufriedenheit zu brauchen. Wir ahnen, dass Glück mit äusseren Gegebenheiten nur korreliert. Kausal hingegen ist die eigene Einstellung zum Glück. Ich für meinen Teil finde Alleinesein schön, nur halt nicht immer. Beispielsweise gab es in den vergangenen zwei Pandemiejahren etliche Gelegenheiten, in denen ich einsame Panik verspürte. Logischerweise suche ich in solchen Momenten die Nähe zu anderen sozialen Wesen. Auch im Normalfall suche ich mir die Menschen aus, die sich am besten für bestimmte gemeinsame Aktivitäten eignen. Mag ja nicht jeder in die Oper oder findet Tanzen toll. Womit wir wieder bei der Monogamie wären, die gerne mit romantischer Liebe verwechselt wird. Eine Person für alles.
Ich möchte es mit einer Frau vergleichen, die einen handwerklich begabten Mann geheiratet hat. Ein paar Jahre später entwickelt sie Interesse an kulturellen Ereignissen. Jetzt muss der Mann mit in die Oper, obwohl der lieber im Keller schrauben würde. Eine andere Option gibt es nicht, denn wofür hätte man sonst geheiratet, um dann seine Zeit mit anderen zu verbringen. Und wieso ist es verwerflich, Sex mit einem Opernbesuch gleichzustellen? Konkret ist das die Frau, die die Qualitäten ihres Partners immer noch schätzt und deshalb auch keinen Ersatz, sondern für weitere Gelegenheiten Ergänzungen sucht. Wer das nicht verwerflich findet, ahnt zumindest das Konfliktpotential in der Sache. Nein, es ist nicht einfach. Es erfordert viel ehrliche Kommunikation und Selbstreflektion - eine Investition in persönlicher Entwicklung, die sich besser auszahlt als jeder Überlebenskurs im Teutoburger Wald.
So eine Form habe ich lange gesucht und bin dabei auf die unterschiedlichsten Menschen gestoßen. Die einen in ihrem Bestreben wahrhaftig, die anderen unglaubwürdig, weil es sich im Nachhinein doch nur als die Überganghgsphase weg von Frau/Mann plus Kind(er) hin zum neuen Subjekt der Begierde entpuppte. Auf dem Weg waren weder bisherige noch neue Partner für die nie gleichwertig, die Polyamorie mit Promiskuität verwechseln. Andere wiederum legen sich generell nicht gerne fest und reagieren unverbindlich zweideutig auf alles, was Verbindlichkeit sucht. Und da wären wir wieder beim romantischen Konstrukt der Verbindlichkeit, der Schwüre ewiger Liebe, the one and only. Nein, Verbindlichkeit hat nichts damit zu tun, dass es nur eine Person in meinem Leben gibt. Verbindlichkeit ist die Art, wie ich was sage und in Folge mache. Verbindlichkeit ist, ein Treffen auszumachen und das Zustandekommen nicht kurz vorher nochmal telefonisch bestätigen zu müssen. Ich kann eine Dienstleistung unverbindlich in Anspruch nehmen - schließlich bin ich zu nichts verpflichtet - oder mich verbindlich dem jeweiligen Fachpersonal anvertrauen.
Verbindlich bezieht sich auf die Sprache, die ich spreche. Es ist die Klarheit, in der ich kommuniziere und Missverständnisse möglichst minimiere (ja komplizierte Sachverhalte sind manchmal schwierig klar zu formulieren). Unverbindliche meinen es meist nicht so, wie es verstanden wurde, wenn sich daraus ein persönlicher Nachteil oder eine Unannehmlichkeit ergeben könnte. Will ich mich auf mehrere Personen verbindlich einlassen, bedarf das eines gewissen Aufwands, da sich keiner der Beteiligten zurückgesetzt fühlen sollte. Das wäre nicht nur unverbindlich, sondern vor allem ungerecht und das Konstrukt des Vielliebens damit obsolet. Wahrscheinlich ist es so, dass mit einem Partner im direkten Vergleich mehr Zeit verbracht wird. Der Unterschied liegt in der Qualität der Begegnung, nicht der Quantität. Gleichwertigkeit meint die von mir erbrachte Intensität. Es bedeutet, dass ich eine Person nicht für das liebe, was sie mir entgegenbringt, sondern für das, was sie ist. Das lasse ich jetzt mal so stehen. An dieser Stelle folgt meistens die Frage: ja geht denn sowas überhaupt in der Praxis? Ich denke ja, weil ich es bereits bei anderen beobachtet habe. Möglicherweise kann ich bald aus eigener Erfahrung berichten. Bis es soweit ist, erzähle ich nächstes Mal noch ein bisschen über weitere Neigungen, die mir auf meiner Suche so begegnet sind.
Ich möchte es mit einer Frau vergleichen, die einen handwerklich begabten Mann geheiratet hat. Ein paar Jahre später entwickelt sie Interesse an kulturellen Ereignissen. Jetzt muss der Mann mit in die Oper, obwohl der lieber im Keller schrauben würde. Eine andere Option gibt es nicht, denn wofür hätte man sonst geheiratet, um dann seine Zeit mit anderen zu verbringen. Und wieso ist es verwerflich, Sex mit einem Opernbesuch gleichzustellen? Konkret ist das die Frau, die die Qualitäten ihres Partners immer noch schätzt und deshalb auch keinen Ersatz, sondern für weitere Gelegenheiten Ergänzungen sucht. Wer das nicht verwerflich findet, ahnt zumindest das Konfliktpotential in der Sache. Nein, es ist nicht einfach. Es erfordert viel ehrliche Kommunikation und Selbstreflektion - eine Investition in persönlicher Entwicklung, die sich besser auszahlt als jeder Überlebenskurs im Teutoburger Wald.
So eine Form habe ich lange gesucht und bin dabei auf die unterschiedlichsten Menschen gestoßen. Die einen in ihrem Bestreben wahrhaftig, die anderen unglaubwürdig, weil es sich im Nachhinein doch nur als die Überganghgsphase weg von Frau/Mann plus Kind(er) hin zum neuen Subjekt der Begierde entpuppte. Auf dem Weg waren weder bisherige noch neue Partner für die nie gleichwertig, die Polyamorie mit Promiskuität verwechseln. Andere wiederum legen sich generell nicht gerne fest und reagieren unverbindlich zweideutig auf alles, was Verbindlichkeit sucht. Und da wären wir wieder beim romantischen Konstrukt der Verbindlichkeit, der Schwüre ewiger Liebe, the one and only. Nein, Verbindlichkeit hat nichts damit zu tun, dass es nur eine Person in meinem Leben gibt. Verbindlichkeit ist die Art, wie ich was sage und in Folge mache. Verbindlichkeit ist, ein Treffen auszumachen und das Zustandekommen nicht kurz vorher nochmal telefonisch bestätigen zu müssen. Ich kann eine Dienstleistung unverbindlich in Anspruch nehmen - schließlich bin ich zu nichts verpflichtet - oder mich verbindlich dem jeweiligen Fachpersonal anvertrauen.
Verbindlich bezieht sich auf die Sprache, die ich spreche. Es ist die Klarheit, in der ich kommuniziere und Missverständnisse möglichst minimiere (ja komplizierte Sachverhalte sind manchmal schwierig klar zu formulieren). Unverbindliche meinen es meist nicht so, wie es verstanden wurde, wenn sich daraus ein persönlicher Nachteil oder eine Unannehmlichkeit ergeben könnte. Will ich mich auf mehrere Personen verbindlich einlassen, bedarf das eines gewissen Aufwands, da sich keiner der Beteiligten zurückgesetzt fühlen sollte. Das wäre nicht nur unverbindlich, sondern vor allem ungerecht und das Konstrukt des Vielliebens damit obsolet. Wahrscheinlich ist es so, dass mit einem Partner im direkten Vergleich mehr Zeit verbracht wird. Der Unterschied liegt in der Qualität der Begegnung, nicht der Quantität. Gleichwertigkeit meint die von mir erbrachte Intensität. Es bedeutet, dass ich eine Person nicht für das liebe, was sie mir entgegenbringt, sondern für das, was sie ist. Das lasse ich jetzt mal so stehen. An dieser Stelle folgt meistens die Frage: ja geht denn sowas überhaupt in der Praxis? Ich denke ja, weil ich es bereits bei anderen beobachtet habe. Möglicherweise kann ich bald aus eigener Erfahrung berichten. Bis es soweit ist, erzähle ich nächstes Mal noch ein bisschen über weitere Neigungen, die mir auf meiner Suche so begegnet sind.
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Donnerstag, 24. Februar 2022
Freedom
frau klugscheisser, 14:14h
Living alone as a woman is not just a luxury but a refusal to bend into the shape of patriarchal assumption and expectation.
Helena Fitzgerald schreibt im verlinkten Artikel über's Alleinsein. Fast mein ganzes Leben lang fühlte ich mich seltsam unvollständig. Nicht nur weil ich allein lebte, sondern vor allem, weil ich es als Frau tat. Da war die Großtante, die sich nach Verwitwung und gescheiterter, kinderloser Ehe ein schönes Leben machte. Hat sich die Gebärmutter entfernen lassen, damit sie ihren Spaß haben kann, so die Meinung in der Familie. Die mitschwingende Verachtung habe selbst ich als Kind begriffen. Da war die geliebte Oma, die nach dem Krieg den gefallenen Mann betrauerte und offiziell nie wieder liiert war. Die Bilder in der alten Kiste und die Trauer um die durch die Krebsoperation verlorene Brust sprachen für sich. Kurzum ich lernte als Kind, dass man als Frau allein entweder bedauernswert oder aber verrucht wäre. Inzwischen habe ich mich damit versöhnt, dass meine Lebensweise für die Gesellschaft - immer noch - suspekt zu sein scheint.
"Women who live alone are objects of fear or pity, witches in the forest or Cathy comics. Even the current cultural popularity of female friendship still speaks to how unwilling we all are to accept women without a social framework; a woman who's "alone" is a woman who's having brunch with a bunch of other women. When a woman is truly alone, it is the result of a crisis - she is grieving, has lost something, is a problem to be fixed."
Was sich die Leute eben so unter einer alleinlebenden Frau vorstellen. Ich gebe zu, meine Dreissiger verbrachte ich mit der Vorstellung, wieviel besser es die hätten, die in einer Gemeinschaft oder Beziehung wohnten. Die Sache mit dem grüneren Gras verstand ich nicht, weil ich von klein auf ungewollt und ungewöhnlich viel Zeit alleine verbrachte. Als ich meiner besten Freundin erklärte, wie sehr ich sie um Beziehung und Familie beneidete und wie wenig Grund sie deshalb für ihre depressive Verstimmtheit hätte, war die Freundschaft endgültig am Limit. Ihre Perspektive war mir so fremd wie die eines Marsianers. Nichts hätte ich damals lieber gehabt als eine Beziehung, womit gleichzeitig all meine Probleme gelöst gewesen wären, so zumindest meine Vorstellung.
"The idea that we progress in a clear trajectory from single unit to couple form, and achieve a sort of emotional success by doing so, seems wrong to me. Love is about what we give up when choosing to knit our life against someone else's - to make a home in the shared bed, and enjoy the small talk between bodies within the inhabited space. A paired life is not an aspirational state, but a compromised one. Loneliness is not the terror we escape; it is instead the reward we give up when we believe something else to be worth the sacrifice."
Vor einigen Jahren dämmerte in mir nicht nur die Erkenntnis, dass eine Beziehung für mich inzwischen weniger erstrebenswert wäre als allein zu leben, sondern vor allem jene vom eigentlichen Zweck der Vermehrung und Aufzucht der Brut konträren Formen von Zusammensein. Plötzlich schienen mir sehr viel mehr Formen von Beziehung als die gesellschaftlich anerkannte möglich. Ob mono- oder polygam, ob reine Freundschaften oder Zweckverbindungen, wer ausser mir selbst kann bestimmen, wie ich leben will? So lange weder Involvierte noch ich selbst dabei zu Schaden kommen, darf alles sein. Dass es nicht einfach sein würde, war mir schnell klar.
"Loving someone else, and joining our life with theirs, asks us to sit down with the brutal facts of ourselves, to sift finely between what is true and what we wish were true, in order to understand what we need and what we can offer."
Loslassen wollte ich lernen, weil ich mein Glück nicht mehr von einer Person abhängig machen wollte. Weil ich nicht mehr an die Monogamie glaubte aber für Polygamie zu unsicher war. Da kam einer, mit dem ich sehr viel tollen Sex hatte, der sich auch für meine Person interessierte, sich aber nicht verbinden ließ. Unverbindlichkeit, so verpönt in der Gesellschaft. Ja, ja, diese Männer, die sich nur die Rosinen rauspicken und beim kleinsten Problem verduften. Solche Sprüche hörte ich meist von weiblicher Seite. Zwischen den Zeilen schwingt Bitterkeit mit, wenn sie sich der Verpflichtungen von Kind und Haushalt alleine ausgesetzt sehen, während die Erzeuger an ihren Karrieren basteln und die Wochenenden lieber mit anderen 'Jungs' verbringen. Zwingt die Biologie Frauen etwa dazu, verbindlich zu sein?
Er hat übrigens jedes meiner Probleme mit mir besprochen, nur nicht immer zu meinem gewählten Zeitpunkt. Und mir stellte sich die Frage, ob ich lieber einen Hund hätte, der jederzeit auf Zuruf reagiert, als einen anderen Menschen mit eigenem Willen. Ich kann mir auch die Rosinen rauspicken, denn obwohl ich inzwischen in einem Alter bin, in dem der körperliche Abbau mit natürlichen Mitteln nicht mehr zu vertuschen ist, scheint innere Unabhängigkeit einen unwiderstehlichen Reiz auf andere auszuüben. Bevor ich aber bald noch mehr über meine persönlichen Befreiungsschläge verrate, lasse ich die Dame in meinem Namen das Schlusswort sprechen:
Ain't nothing more dangerous than a woman that is okay being alone (Ton an!)
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Mittwoch, 23. Februar 2022
All Eyes on Us
frau klugscheisser, 16:01h
Sehr verehrte Menschen, die sich mittels eines Flugzeugs von einem Ort zum nächsten transportieren lassen, wenn wir Ihnen raten, zum jetzigen Zeitpunkt die Toiletten nicht aufzusuchen, sich stattdessen anzuschnallen und den Gurt festzuziehen, dann gibt es dafür einen Grund. Meistens haben die Piloten nämlich auf dem Radar eine hässliche rote Fläche von unbestimmtem Ausmaß direkt auf der berechneten Flugroute geortet. Diese Fläche induziert in ihrer Farbigkeit eine Verdichtung bestimmter Partikel wie es beispielsweise bei Wolken der Fall ist. Sie kennen das von den Coronainzidenzkarten. Dort wo es am dunkelsten ist, möchte man gerade jetzt nicht sein, ist es aber im Falle von kerosinturbinengetriebenen Reisen ziemlich schnell. So schnell, dass der Pilot unter Umständen nicht mal mehr die aus zwei Buchstaben bestehenden Flugzeugkennung an den am Boden befindlichen Lotsen melden kann bevor es scheppert.
Stellen Sie sich das in etwa so vor: im Verkehrsfunk wird Stau auf Ihrer Strecke gemeldet, während Sie vor sich noch freie Bahn sehen. Das Stauende kündigt sich nicht immer durch Vorbremsende langsam an, es könnte ganz unvermittelt hinter einer Biegung liegen. Und dann hat auch der Bremsautomat schlechte Karten. Haben Sie schon mal Wind gesehen, ohne Bäume oder andere Gegenstände, die sich bewegen? So ähnlich sieht es aus, wenn Sie aus dem Flugzeugfenster starren. Sie sehen nichts. Dafür spüren Sie plötzlich sehr viel. Beispielsweise könnten Sie die Taschen, Hunde, Kinder oder andere lose Mitreisende spüren, die Sie beim freien Fall streifen. Und glauben Sie mir, dass Sie sich dann nicht einfach mal eben festhalten können. Die Wucht, mit der ein Flieger durch unterschiedliche Luftdruckschichten geschleudert wird, kann maximal mit einem großen Tanker verglichen werden, der durch hohen Seegang schlingert. Dieser Worst Case muss nicht eintreffen, falls er es jedoch tut, sind wir froh, alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben.
Wenn wir Sie also bitten, sich zu setzen und anzuschnallen, tun wir dies selbstverständlich ebenfalls. Wir können Sie nicht dazu zwingen, werden aber in weiser Voraussicht selber nicht mehr aufstehen, um Ihnen ein Kissen, ein Getränk oder irgendwas anderes zu bringen. Wenn Sie also meinen, uns anschreien und als unverschämt bezeichnen zu müssen, weil wir gerne mit heilen Knochen heimkehren, ist das nicht nur unangebracht, sondern vor allem höchst bedenklich. Dann kann es Ihnen durchaus passieren, dass später die Chefin höchstpersönlich vor Ihnen steht und Ihnen erklärt, dass Ihr Verhalten Konsequenzen haben kann. Diese Konsequenzen ergeben sich aus dem Kleingedruckten, dem Sie beim Kauf Ihres Tickets zustimmten und bestehen aus Mahnungen bis hin zum Ausschluss von zukünftigen Flügen. Sollten Sie das begriffen haben, wird Ihnen die Chefin diese Konsequenzen möglicherweise erlassen. Was Sie Ihnen allerdings nicht erlässt, ist eine persönliche Entschuldigung bei der betreffenden Mitarbeiterin, gegenüber derer Sie Ihre Stimme erhoben haben. Bei der letzten Begebenheit hat mein Appell an den letzten Funken menschlichen Anstands jedenfalls gewirkt. Das Ehrgefühl der Kollegin wurde durch eine Entschuldigung des betreffenden Passagiers wiederhergestellt.
Stellen Sie sich das in etwa so vor: im Verkehrsfunk wird Stau auf Ihrer Strecke gemeldet, während Sie vor sich noch freie Bahn sehen. Das Stauende kündigt sich nicht immer durch Vorbremsende langsam an, es könnte ganz unvermittelt hinter einer Biegung liegen. Und dann hat auch der Bremsautomat schlechte Karten. Haben Sie schon mal Wind gesehen, ohne Bäume oder andere Gegenstände, die sich bewegen? So ähnlich sieht es aus, wenn Sie aus dem Flugzeugfenster starren. Sie sehen nichts. Dafür spüren Sie plötzlich sehr viel. Beispielsweise könnten Sie die Taschen, Hunde, Kinder oder andere lose Mitreisende spüren, die Sie beim freien Fall streifen. Und glauben Sie mir, dass Sie sich dann nicht einfach mal eben festhalten können. Die Wucht, mit der ein Flieger durch unterschiedliche Luftdruckschichten geschleudert wird, kann maximal mit einem großen Tanker verglichen werden, der durch hohen Seegang schlingert. Dieser Worst Case muss nicht eintreffen, falls er es jedoch tut, sind wir froh, alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben.
Wenn wir Sie also bitten, sich zu setzen und anzuschnallen, tun wir dies selbstverständlich ebenfalls. Wir können Sie nicht dazu zwingen, werden aber in weiser Voraussicht selber nicht mehr aufstehen, um Ihnen ein Kissen, ein Getränk oder irgendwas anderes zu bringen. Wenn Sie also meinen, uns anschreien und als unverschämt bezeichnen zu müssen, weil wir gerne mit heilen Knochen heimkehren, ist das nicht nur unangebracht, sondern vor allem höchst bedenklich. Dann kann es Ihnen durchaus passieren, dass später die Chefin höchstpersönlich vor Ihnen steht und Ihnen erklärt, dass Ihr Verhalten Konsequenzen haben kann. Diese Konsequenzen ergeben sich aus dem Kleingedruckten, dem Sie beim Kauf Ihres Tickets zustimmten und bestehen aus Mahnungen bis hin zum Ausschluss von zukünftigen Flügen. Sollten Sie das begriffen haben, wird Ihnen die Chefin diese Konsequenzen möglicherweise erlassen. Was Sie Ihnen allerdings nicht erlässt, ist eine persönliche Entschuldigung bei der betreffenden Mitarbeiterin, gegenüber derer Sie Ihre Stimme erhoben haben. Bei der letzten Begebenheit hat mein Appell an den letzten Funken menschlichen Anstands jedenfalls gewirkt. Das Ehrgefühl der Kollegin wurde durch eine Entschuldigung des betreffenden Passagiers wiederhergestellt.
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