Montag, 27. Juni 2022
Surrender 2
Als ich am nächsten Morgen mit Frau Herzbruch und Familie frühstücke, habe ich noch die leise Hoffnung, dass mein Koffer sich in Düsseldorf befindet. Alles andere wäre mehr als ärgerlich. Ernsthaft, ich habe einen ganzen Tag damit vergeudet, diesen Koffer so zweckmäßíg wie möglich zu füllen, habe die Aufgabe fast perfekt gelöst, obwohl ich trotz meiner beruflichen Routine sehr schlecht darin bin, und soll jetzt im lang ersehnten Urlaub darauf verzichten? Wir sprechen nicht von Unterwäsche und bestimmten Medikamenten im Waschbeutel, wir sprechen von Flossen und Tauchermaske, von seidenen Überwurfkleidchen und indischen Blusen, von zweit und Drittbikinis und Schwimmanzügen für unter den Neoprenanzug und von Sommerschuhen, geschweige denn Badelatschen. Dieses Zeug kauft man sich nicht doppelt, das besitzt man genau einmal und verzichtet dann halt in dieser einen Woche Urlaub schweren Herzens drauf. In den folgenden zwei Tagen fallen immer wieder Bemerkungen zwischen Frau Herzbruch und mir, was sich da so alles in dem in München stehenden Koffer befindet. Sie bohrt gelegentlich auch mit kleinen Bemerkungen über fehlende Zahnseide und anderem in meiner Wunde, und auch Ona bemerkt, dass die am Flughafen Düsseldorf gekauften Schuhe nicht seinem Geschmack entsprechen. Aber hey, die waren im Sonderangebot und ich brauchte welche, weshalb ich die unprobiert innerhalb von fünf Minuten kaufte, während Familie Herzbruch den Platz in der Schlange vor der Security sicherte und mich an der Kasse anrief, damit ich nach Bezahlung dort hinsprinte, um dann von einem Polizisten gebodyblocked und zum wieder hinten Anstellen gezwungen werde, wo ich auf den Rest der Reisegruppe treffe. Macht nix, es geht schneller als vermutet.

Nicht so schnell geht allerdings die Wartezeit am Gate auf den verspäteten Abflug vorbei. Erst als ich misstrauisch werde und mal einen Blick auf den Monitor werfe, dann sehr hektisch alle einsammle und im Sprint an das andere Ende des B Bereiches laufe, weil das Abfluggate gewechselt hat und unser Flug bereits aufgerufen ist, da ist wieder Spannung im Spiel. Wie so Anfänger. Nach der Landung vermisse ich die Tüte mit der neu gekauften Kleidung auch erst im Bus zum Terminal, was alle abgeholten Gäste etwa eine Stunde Verzögerung, ein sehr verkürztes Abendessen und mich einen vorgetäuschten Nervenzusammenbruch kostet. Ja, die Tüte befand sich im Gepäckfach ganz hinten, weshalb ich sie als körperlich eher kleine Person übersah. Und bei der Gepäckvermittlung weiß man zwar über Funk von der Tüte, hat jedoch keine freien Mitarbeitenden, die sie zum Ankunftsbereich bringen können. Die Clubbeauftragte drängt auf Abfahrt des Reisebusses mit den restilchen 40 Gästen. Ich wiederum will mich gerne am Abend noch umziehen und kein Geld für ein separates Taxi an's andere Ende der Insel ausgeben - ich will mir davon noch Sportkleidung finanzieren, denn das Sportprogramm war schließlich so abgesprochen. Es folgt ein klassischer Walk of shame durch den Reisebus, im Hintergrund die Entschuldigung der Verantwortlichen via Mikrofon. Diese mich durchbohrenden Blicke sind Garant für die Einhaltung der Abstandsregelung in den folgenden sieben Tagen - wir erinnern uns: Frau Herzbruch wollte im Club ja keine Freundschaften schließen. Alles richtig gemacht.

Ab diesem Zeitpunkt wird alles besser. Ich kaufe Kleidung, ein paar andere Kleinigkeiten und bin danach mit den wenigen eigenen und ein paar von Frau Herzbruch geliehenen Sachen sehr zufrieden. Nur gelegentlich fällt mir ein, was ich hätte dabeihaben können. Das erwähne ich, lache kurz und erfreue mich entweder am Buffet oder der Aussicht auf's Meer. Meinen Bikini hatte ich nämlich im Handgepäck, genau wie eine kurze Hose, eine sehr edle Bluse und meinen Schmuck. You don't get the Handgepäcksprofi out of the Flugbegleiterin.
Und so war das mit unserer Anreise. Eine echte Übung in Bescheidenheit und Hingabe an die Situation.

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Samstag, 25. Juni 2022
Surrender 1
Wir sitzen am Flughafen Düsseldorf. Die Reisegruppe bestehend aus Beebie Ona (175cm), Frau Herzbruch und mir, ist nach allen Unwägbarkeiten sehr entspannt und urlaubsbereit. Zuvor ist aber so einiges passiert. Da mir dieses Jahr in Anbetracht der Tatsache, dass inzwischen alles verreisen möchte, was zwei Jahre lang nicht vor die Wohnungstüre gegangen ist, die Standbyreisevariante zu unsicher schien, hatte ich bereits Anfang des Jahres für uns drei Flüge fest gebucht. Einmal mit alles, d.h. nicht nur Spätaufsteherfrühstück und Nachmittagsbuffet, schlechter Tischwein und pappsüße Cocktails inclusive, sondern auch Abholung und Bringdienst zum Flughafen. Das bin ich nicht gewöhnt, weil ich meist bei der Frage nach genauer Ankunftszeit schon scheitere. So ging ich bis gestern Morgen noch davon aus, dass der größte Aufreger langes Anstehen an der Sicherheitskontrolle sei. Weit gefehlt, denn ich habe die Situation am Flughafen München stark unterschätzt. Ich meine, hey, Düsseldorf und Chaos, klar, Berlin? Katastrophal. Aber München ist doch bayerisch-prozessoptimiert.

Als ich am Drop-off meinen Koffer abgeben will - eingecheckt habe ich natürlich bereits am Vorabend - informiert mich das System, dass mein Flug annuliert sei. Ich also ohne nachzudenken schnell umgebucht - dass das W-Lan am Flughafen nicht funktioniert, ärgert mich zwar, wundert mich aber nicht weiter - und durch die Security zum Gate im Laufschritt. Ich möchte den vorigen Flug noch kriegen, denn der nächste wird sicher voll. Der Flug ist bereits geschlossen. Die Ansagen machen mich stutzig. Man fordert gestrandete Passagiere auf, selbständig umzubuchen, sich Hotelzimmer zu suchen und innerdeutsch auf die Bahn umzusteigen. Ich würde diese Option ebenfall wählen, mein Koffer ist aber weg, ohne den ich ungern nach Düsseldorf und von dort am nächsten Tag in den Urlaub fliegen würde. Auf Nachfrage erfahre ich, dass ich den nur am selben Tag wieder zu sehen bekomme, wenn sich darin lebensnotwendige Medikamente befinden. Ich warte also ab. Draussen gehen Gewitter mit Starkregen nieder. Ich denke, bevor ich jetzt fünf Stunden mein Sitzfleisch strapaziere, kann ich auch am Serviceschalter Getränke und Snacks verteilen.

Die Schlange der Wartenden schlängelt sich mehrere hundert Meter. Ich schlängle mich dran vorbei zu einem Mitarbeiter hinter den Scheiben. Die Polizei ist übrigens hier überall präsent. Nach einer gewissen Zeit in der Menge weiß ich auch warum. Der Verantworliche findet toll, dass ich meine Unterstützung anbiete. Ich tue das nicht uneigennützig, denn ich erhoffe mir damit gesteigerte Chancen auf einen Sitzplatz in einer der Düsseldorfmaschinen. Und so kommt es, dass ich plötzlich einen Kabinentrolley voller Snacks und Getränke durch das Terminal schiebe, dabei mit verzweifelten, aggressiven oder auch fatalistisch fröhlichen Passagieren aus aller Lande spreche und dabei meine neue Wildlederjacke einmal komplett durchschwitze. Nach zwei Stunden informiere ich mich über meinen Flug, der in der Zwischenzeit ebenfalls gestrichen wurde. Darüber informiere ich wiederum Frau Herzbruch, die mit Ona gemeinsam in Düsseldorf alternativpläne ausarbeitet und mitfiebert.

Ich weiß inzwischen auch nicht mehr, was ich sonst machen soll. Also gehe ich zurück zu meinen Bodenfreunden, wo ich wenigstens was machen kann, das mich ablenkt. Eine Kollegin fragt, wo ich denn hin wolle und ob sie da jemanden am Gate informieren könne, damit ich auch wirklich mit komme. Ich bin sehr dankbar und mache mich nach einer weiteren Stunde auf den Weg zum Gate. Da stehen erwartungsgemäß sehr viele Leute, die alle mit der letzten möglichen Maschine nach Düsseldorf wollen. Ich kann mich nicht umbuchen, das Internet ist instabil. Folglich mache ich das einzige, was mir jetzt noch helfen kann. Ich gehe vom anderen Ende des Terminals zurück zum mittigen Servicecenter, klage mein Leid und finde ein offenes Ohr. Karina bucht mich an ihrem Computer eine Ebene höher um und ruft mich an, als ich sehr hektisch zurücklaufe, um diesen Flug nicht zu verpassen. Sie bringt mit ein ausgedrucktes Ticket an meinen Standort. Damit darf ich in's Flugzeug, die Türe geht zu, wir wollen los, doch nichts bewegt sich. Es ist kurz vor Nachtflugverbot und somit höchste Eisenbahn. Der Kapitän informiert die Passagiere, dass unser Slot schlecht ist und wir vielleicht doch nicht fliegen. Ich bin noch zuversichtlich. Schließlich starten wir. Als wir in Düsseldorf ankommen, gibt es niemanden, der sich um eine Treppe oder das Ausladen des Gepäcks kümmert. Später stellt sich heraus, dass der einzige Loader nur ein paar wenige Gepäckstücke auszuladen hat, weil die meisten in München geblieben sind. Auch mein Koffer ist nicht dabei. Nur soviel sei verraten: er taucht auch am nächsten Tag - dem Abflugtag nach Fuerteventura - nicht auf. Wir sind dennoch zuversichtlich, dass dieser Urlaub legendär werden wird.

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Freitag, 24. Juni 2022
Passenger
Es ist wieder soweit, ich verreise mit Frau Herzbruch. Dieses Mal nehmen wir Baby Ona mit, der ja inzwischen überhaupt kein Baby, sondern bereits Puberti ist. Und weil ich selbst gerade Pubertät 2.0 mache, passt das ganz hervorragend. Ich stelle mir das ungefähr so vor: gegen sieben morgens, wenn Frau Herzbruch noch sehr tief schläft und das auch noch ein paar Stunden so ungestört wie möglich fortführen möchte, schnappe ich meine Sportsachen, hole Ona aus den Federn, denke mir ein paar Übungen aus und schicke ihn ungefähr dreimal durch den Zirkel. Ich selbst mache natürlich auch etwa zwei Drittel der Übungen mit, beim Rest muss ich anfeuern und korrigieren. Diese Idee entstand mit der Wahl des Urlaubsortes. Die Vorgaben waren Meer und Buffet. Das war relativ einfach zu erfüllen. Zum obigen Vorschlag meinte Frau Herzbruch damals nur trocken: "Ich sag's mal so, während ich hier bereits die zweite Tasse Kaffee trinke, schläft Ona noch tief und fest."

Jetzt ist aber alles anders. Seit nicht nur die Körperhöhe, sondern auch die Hormonkonzentration enorm steigt, macht Ona in Selbstoptimierung und ist durchaus offen für Frühsport. Mein Plan geht also auf. Einziges Hindernis wird das Erreichen des Flugzeuges sein. Am Wochenende beginnen die Ferien in NRW, es gibt kein Personal am Flughafen und im Flieger selbst wird's auch knapp. Wir sind aber zuversichtlich, weil auch hierfür ein Plan besteht und der geht so: Vorabendcheckin von Koffern und dann am nächsten Tag schätzungsweise sechs Stunden vor Abflug an der Sicherheitskontrolle anstehen. Das bedeutet im Klartext Aufstehen um fünf und anstehen ab sieben. Wir sind ja zu dritt, da mache ich mit Ona schon mal einen Airportzirkel, während Frau Herzbruch die Lücke in der Schlange freihält. Andersrum bleibe ich dort stehen, wenn sie sich einen Kaffee holen oder wegbringen möchte. Wer noch das Prozedere zum Erwerb begehrter Konzertkarten in Vorinternetzeiten kennt, für den kommt dabei fast sowas wie nostalgische Festivalstimmung auf. Und dann ist da noch die Vorfreude auf Meer und Buffet. Wir sind drei Delayed Gratification Verfechter, wir kriegen das hin. Ganz bestimmt. Ausser ich kriege einen Nervenzusammenbruch beim Mithörenmüssen dummer Konversationen von Umstehenden, Frau Herzbruch zerlegt verbal das Sicherheitspersonal oder Ona wächst in der Schlange aus seiner Kleidung. Dann fliegen wir nicht nach Fuerte, sondern fahren mit dem Zug an die Ostsee. Tickets haben wir. Die bringen uns zumindest weg vom Flughafen DUS.

Übrigens möchte ich folgendes von aus dem internationalen Kollegium unbekannter Hand geschriebene Kleinod an Beschreibung derzeitiger Reisezustände nicht vorenthalten:

Just some good advice for those who plan to travel this summer:
Flying this summer is ROUGH!!! I feel like as a Flight Attendant I should attempt to share some tips to get you through airline travel for the foreseeable future.

1. Things are not good..... if its less than 7 hours - DRIVE! I'm not kidding. There is nothing enjoyable about flying right now. On any airline. If you must fly, keep reading.

2. Download and use the app of the airline you are flying. You can do everything on it - get your boarding pass, track your bags, see your incoming plane, and change a flight. It sure beats waiting in the long line to talk to an agent! Trust me - Usually these apps will tell you a flight is cancelled before the crew even knows!

3. Fly MUCH earlier than you need to - a whole day early if its important!! This week I saw many people miss important things like weddings, funerals, cruises, international connections, and graduations. The tears were very real, for very real reasons, and there was nothing I could do! If you have to be somewhere, spend the extra money, go a day early. Have a glass of wine and stay in a hotel, enjoy your night not being stressed while everyone else misses their events.

4. ALWAYS fly the first flight in the morning so you have all day to be rebooked if the shit hits the fan. Yes, that means it might be a 3:00 alarm, but morning flights don't cancel nearly as often.

5. This is not unique to this year, but keep in mind summer is thunderstorm season. A single storm can shut down a whole airport. We can't fly through them. Storms usually build as the day gets later. Book early flights!

6. Schedule long layovers - Your 1 hour layover is NOT enough anymore. 30 minutes, not a chance. 3 hours minimum.

7. What you see on the news is an understatement. We are short staffed and overworked. Not just pilots and flight attendants, but also ground crews. Without ground crews there is no one to park the planes, drive jetways, get your bags on/off planes, or scan boarding passes. This causes many delays that snowball throughout the day. Sometimes HOURS.(Another reason morning flights are best!)

8. When flight crews get delayed we time out. We can NOT fly longer than 16 hours. Its illegal. So it doesn't matter if you have a wedding to get to, when we are done we are done. The way things are now, there are no back up crews, so when this happens your flight cancels. (Now you are starting to see why those morning flights are best!)

9. Avoid connecting in Newark, London, Dublin, Amsterdam, Frankfurt and Munich. It is literal hell. You have a 50/50 chance your flight will cancel or missing your connection. They have been cancelling flights at their starting points just to keep the planes out of Newark because there just aren't enough people to manage the planes, so the gates stay full. Also the restaurants are expensive, it is not a great place to be stuck.

10. Be nice. As stated above, we are overworked and tired. We will not help you if you are mean. No one cares that you are going to miss your cruise if you are an asshole. So even if we can help, we will save our help for someone nice. Tensions are high. Our patience is gone. If you make us mad - you will not be flying on our planes. We will leave you behind without a second thought, and laugh about you later.

11. Being drunk on an airplane is a federal offense, so don't overdo it. If you drink too much at the bar waiting for your delayed flight you risk not being allowed to fly at all. We are too tired to deal with your drunk ass when we have legitimate issues to deal with.

12. Get trip insurance if you have a lot of money invested. I hate the whole idea of this, but I also hate the idea of losing money. Example: I was working a flight yesterday that waited over an hour for a gate. A family of 8 missed their flight to Rome. The only flight of the day. They were going to a cruise which they would now miss. They were all crying, there was nothing I could do. (Also a reason to fly a day early!)

13. Flights are FULL. If you buy the cheap seats you will not be able to sit with your family. It says so when you purchase your ticket!! Flight Attendants aren't there to rearrange the whole plane just so you can sit with your family because you tried to save $100 on a third party website.

14. Speaking of third party websites and saving money..... Like I said flights are FULL. If a flight is oversold, and no one volunteers to give up their seats, who do you think is the first to be bumped? You guessed it, the family that saved a few $$ by using sites like Expedia, Kayak, Hotwire etc.

15. Pack smart. Don't be "That guy" Don't hold up boarding because you have your extenders open till they are busting and you can't figure out how to make it fit in the overhead. (Passengers are stressed too, they can be aggressive when boarding a delayed flight)

16. Take showers, brush your teeth, leave the perfume off, don't eat stinky food (caesar salad and tuna fish I'm talking to you!), and bring headphones. Trust me. These things sound basic, but add to stress on crowded planes. If you are stuck on the tarmac for 3 hours after a 4 hour flight, you will thank me for this.

17. Bring a sweater if you tend to be cold. So tired of half naked girls asking me to turn the heat up. NO. Wear clothes!! Side note: If you dress like this and ask for heat,someone may not accommodate you

18. Thats not water on the bathroom floor. For the love of God wear shoes to the bathroom!

19. Don't tell a Flight Attendant they look tired. We are and we know. You may cause us to ugly cry right there in galley.

20. Happy Travels!

* copied from another smart f/a!

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