Donnerstag, 14. November 2019
Feels like Christmas
frau klugscheisser, 16:35h
Verfrühter Titel, geradezu zukunftsweisend.
Es ist inzwischen schon empfindlich kalt, und vielleicht liegt das nur an mir, das Empfindliche bei Kälte. Ich mag sie genausowenig wie ich Hitze mag. Extreme liegen mir nur bei Stimmungsschwankungen und Chips, von denen ich nie genug bekomme. Weil ich mich nicht sonderlich gut bewegen kann, sitze ich drinnen und der Kreislauf kommt nur schwer in Gang - vorwiegend wenn ich wegen überkochender Suppe zum Herd sprinte - naja langsames Sprinten, quasi Kriechen. Die Heizung läuft seit kurzem auf Hochtouren. Ich hasse kalte Duschen, mich im Kalten umziehen und gehe manchmal sogar mit voller Montur ins Bett, nur um später in der Nacht die Schichten im Schweißausbruch abzuschälen.
Der Herbst hat meines Erachtens nur eine Funktion: er bereitet uns schonend auf niedrige Wintertemperaturen vor, ganz philosophisch betrachtet vielleicht auf noch mehr. Der Wechsel, das Vergehen, Vorbereitung auf die Starre. Früher habe ich mich mit aller Macht gegen das Ende des Sommers gestemmt, habe die Reste der Leichtigkeit gesucht und die letzten Sonnenstrahlen eingefangen, um sie als Erinnerung zu konservieren. Schon mal versucht, sich die Hitze des Sommers vorzustellen, während man friert? Genau, funktioniert nicht. Heute weiß ich nicht nur, dass sich nichts imaginär festhalten lässt, ich erlebe das Loslassen viel direkter.
Lebensphasen werden oft mit Jahreszeiten verglichen. Der Herbst des Lebens, noch nicht ganz kalt aber bereits verblüht, auf einen möglicherweise langen Winter vorbereitend. Wenn mir noch 30 Jahre bis zur völligen Erstarrung bleiben, liege ich mit meinem körperlichen Abbau schon ganz weit vorne. Dass der Körper nicht mehr so reibungslos und selbstverständlich funktioniert, ist eine maßgebliche Komponente des Älterwerdens. Akzeptieren, Abfinden und Kompensieren lernen wir mit jeder schmerzlichen Erfahrung. Der Kopf kann aber immer noch verdrängen. Die ultimative Lernerfahrung geschieht durch physische Einschränkung, da geht nämlich kein Weg dran vorbei.
Wenn der Widerstand gegen Unvermeidliches geringer wird, sind es die unangenehmen Begleiterscheinungen auch. Keine Kämpfe mehr, nur noch gelegentliches Schulterzucken. Aha, so ist das also mit dem Älterwerden, mit dem Versagen in Gewohntem und mit dem neu Sortieren. Das mache ich übrigens andauernd. Erst sortiere ich meine Schränke und dann mein Innerstes. Vieles fliegt raus, was ich nicht mehr brauche, manches wird neu gefaltet und gelegentlich gibt es Neuanschaffungen. Ich habe mir jetzt ein bisschen Gleichmut besorgt und dafür die Tristesse in die Tonne getreten. Wo ich Akzeptanz für schnelleren Zugriff staue, ist noch nicht entschieden. Ausserdem suche ich noch nach einem günstigen Angebot für Geduld. Da darf's auch ein bisschen mehr sein.
Sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu sein, wird uns von schlauen Sprüchen um die Ohren geklatscht. Wir sind den ganzen Tag ungeheuer effizient und carpen das letzte Restchen aus dem Diem. Seltsamerweise bleibt die Vorstellung vom eigenen Tod dennoch so lange ein imaginäres Konstrukt, bis er uns auf die ein oder andere Weise keinen Ausweg mehr lässt. Die steigende Wahrscheinlichkeit zwingt uns ganz natürlich zur Auseinandersetzung. Befindlichkeiten werden plötzlich obsolet, weil die Krone der Schöpfung nicht mehr der Mensch an sich, sondern sein Ende ist. So weit sind wir aber noch nicht. Sind wir nicht?
Sich an den Kleinigkeiten erfreuen bedeutet doch auch, nichts Großes mehr zu erwarten, erwarten zu können. Hätte ich das schon früher gekonnt, wäre ich nicht ständig so deprimiert gewesen. Überhaupt die Melancholie, die werthergleich gefeierte, sie macht nur Spaß, wenn danach auch wieder was bombastisch Tolles kommt. Bleibt der Wechsel aus, kriecht Resignation durch die Knochen. Und die ist nur schwer zu ertragen. Man ruft sich gegenseitig Durchhalteparolen zu, um den Alltag zu besänftigen. Wird schon wieder. Und wenn nicht? fragt der Kopf.
Hier endet nicht nur mein kleiner Ausflug in die Endlichkeit, sondern auch der Text. Ich weiß doch auch nicht. So ein Thema hat verständlicherweise keine Pointe, allerhöchstens einen Zirkelschluss. Wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende, so sagt man. Deshalb feiern wir Weihnachten wohl am Ende des Jahres und nicht am Anfang. Mal ehrlich, kein Fest (abgesehen von Silvester) wird mit so gemischten Gefühlen erwartet wie dieses. Dabei komprimiert sich lediglich alles, was das ganze Jahr über eh latent da war. Alles vorhersehbar, alles wiederkehrend, alles vergänglich. Und vom Wetter her könnte es dieses Jahr ziemlich kalt werden.
Es ist inzwischen schon empfindlich kalt, und vielleicht liegt das nur an mir, das Empfindliche bei Kälte. Ich mag sie genausowenig wie ich Hitze mag. Extreme liegen mir nur bei Stimmungsschwankungen und Chips, von denen ich nie genug bekomme. Weil ich mich nicht sonderlich gut bewegen kann, sitze ich drinnen und der Kreislauf kommt nur schwer in Gang - vorwiegend wenn ich wegen überkochender Suppe zum Herd sprinte - naja langsames Sprinten, quasi Kriechen. Die Heizung läuft seit kurzem auf Hochtouren. Ich hasse kalte Duschen, mich im Kalten umziehen und gehe manchmal sogar mit voller Montur ins Bett, nur um später in der Nacht die Schichten im Schweißausbruch abzuschälen.
Der Herbst hat meines Erachtens nur eine Funktion: er bereitet uns schonend auf niedrige Wintertemperaturen vor, ganz philosophisch betrachtet vielleicht auf noch mehr. Der Wechsel, das Vergehen, Vorbereitung auf die Starre. Früher habe ich mich mit aller Macht gegen das Ende des Sommers gestemmt, habe die Reste der Leichtigkeit gesucht und die letzten Sonnenstrahlen eingefangen, um sie als Erinnerung zu konservieren. Schon mal versucht, sich die Hitze des Sommers vorzustellen, während man friert? Genau, funktioniert nicht. Heute weiß ich nicht nur, dass sich nichts imaginär festhalten lässt, ich erlebe das Loslassen viel direkter.
Lebensphasen werden oft mit Jahreszeiten verglichen. Der Herbst des Lebens, noch nicht ganz kalt aber bereits verblüht, auf einen möglicherweise langen Winter vorbereitend. Wenn mir noch 30 Jahre bis zur völligen Erstarrung bleiben, liege ich mit meinem körperlichen Abbau schon ganz weit vorne. Dass der Körper nicht mehr so reibungslos und selbstverständlich funktioniert, ist eine maßgebliche Komponente des Älterwerdens. Akzeptieren, Abfinden und Kompensieren lernen wir mit jeder schmerzlichen Erfahrung. Der Kopf kann aber immer noch verdrängen. Die ultimative Lernerfahrung geschieht durch physische Einschränkung, da geht nämlich kein Weg dran vorbei.
Wenn der Widerstand gegen Unvermeidliches geringer wird, sind es die unangenehmen Begleiterscheinungen auch. Keine Kämpfe mehr, nur noch gelegentliches Schulterzucken. Aha, so ist das also mit dem Älterwerden, mit dem Versagen in Gewohntem und mit dem neu Sortieren. Das mache ich übrigens andauernd. Erst sortiere ich meine Schränke und dann mein Innerstes. Vieles fliegt raus, was ich nicht mehr brauche, manches wird neu gefaltet und gelegentlich gibt es Neuanschaffungen. Ich habe mir jetzt ein bisschen Gleichmut besorgt und dafür die Tristesse in die Tonne getreten. Wo ich Akzeptanz für schnelleren Zugriff staue, ist noch nicht entschieden. Ausserdem suche ich noch nach einem günstigen Angebot für Geduld. Da darf's auch ein bisschen mehr sein.
Sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu sein, wird uns von schlauen Sprüchen um die Ohren geklatscht. Wir sind den ganzen Tag ungeheuer effizient und carpen das letzte Restchen aus dem Diem. Seltsamerweise bleibt die Vorstellung vom eigenen Tod dennoch so lange ein imaginäres Konstrukt, bis er uns auf die ein oder andere Weise keinen Ausweg mehr lässt. Die steigende Wahrscheinlichkeit zwingt uns ganz natürlich zur Auseinandersetzung. Befindlichkeiten werden plötzlich obsolet, weil die Krone der Schöpfung nicht mehr der Mensch an sich, sondern sein Ende ist. So weit sind wir aber noch nicht. Sind wir nicht?
Sich an den Kleinigkeiten erfreuen bedeutet doch auch, nichts Großes mehr zu erwarten, erwarten zu können. Hätte ich das schon früher gekonnt, wäre ich nicht ständig so deprimiert gewesen. Überhaupt die Melancholie, die werthergleich gefeierte, sie macht nur Spaß, wenn danach auch wieder was bombastisch Tolles kommt. Bleibt der Wechsel aus, kriecht Resignation durch die Knochen. Und die ist nur schwer zu ertragen. Man ruft sich gegenseitig Durchhalteparolen zu, um den Alltag zu besänftigen. Wird schon wieder. Und wenn nicht? fragt der Kopf.
Hier endet nicht nur mein kleiner Ausflug in die Endlichkeit, sondern auch der Text. Ich weiß doch auch nicht. So ein Thema hat verständlicherweise keine Pointe, allerhöchstens einen Zirkelschluss. Wenn es nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende, so sagt man. Deshalb feiern wir Weihnachten wohl am Ende des Jahres und nicht am Anfang. Mal ehrlich, kein Fest (abgesehen von Silvester) wird mit so gemischten Gefühlen erwartet wie dieses. Dabei komprimiert sich lediglich alles, was das ganze Jahr über eh latent da war. Alles vorhersehbar, alles wiederkehrend, alles vergänglich. Und vom Wetter her könnte es dieses Jahr ziemlich kalt werden.
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herrrau,
15. November 2019, 18:32
Herbst, Winter, Frühling
Ja, der Herbst bereitet einen auf den Winter vor, wo es dann spannend wird: Wird die Sonne wiederkommen? Es gibt ja viele Mythen dazu. Spoiler, puh: Ist noch jedesmal wiedergekommen.
Herbst ist okay. Kalt nicht so.
Herbst ist okay. Kalt nicht so.
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frau klugscheisser,
16. November 2019, 03:30
Das mit den Mythen stimmt, obwohl mir so spontan gerade keine einfallen mag. Magst Du eine erzählen, die Dir gefällt?
Was mir in den Sinn kommt, ist die Wucht des russischen Frühlings und seine Vertonung durch Strawinsky. Sowas funktioniert nur in Opposition zu einem krass dunklen und kalten Winter.
Was mir in den Sinn kommt, ist die Wucht des russischen Frühlings und seine Vertonung durch Strawinsky. Sowas funktioniert nur in Opposition zu einem krass dunklen und kalten Winter.
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mark793,
16. November 2019, 10:25
DIe Geschichte vom Gottessohn, der stirbt und nach drei Tagen aufersteht, ist ein solarer Mythos, den die Christen von Sol Invictus übernommen haben und der eigentlich die Wintersonnenwende beschreibt: Nach der Sonnenwende bewegt sich die Sonnenbahn drei Tage lang nicht weiter südwärts, steht also scheinbar still, bevor dann die Tage wieder länger werden.
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