Freitag, 19. September 2008
Women In Uniform
Iron Maiden

Kaum gebloggt, ist schon wieder 'ne Woche vorbei. Dabei hatte ich so gute Vorsätze. Von den kleinen Erlebnissen im Alltag wollte ich erzählen. Wie ich beispielsweise in Uniform bei Ikea war und erkennen musste, dass man nicht "eben schnell mal bei Ikea" vorbeigeht und schon gar nicht in Uniform und vor dem Dienst. Auch dann nicht, wenn man meint, man hätte noch genügend Zeit. Auch dann nicht, wenn man genau weiß, was man braucht. Ikea ist nämlich ein Laden wie ein schwarzes Loch. Man wird angezogen und unweigerlich verschluckt. Dann irrt man bei der verzweifelten Suche nach dem Ausgang durch die Abteilungen und wenn man wieder draußen ist, befindet man sich in einer anderen Zeitzone. Zumindest aber in einem Paralleluniversum.

Dieses schwarze Loch befindet sich in München ganz in der Nähe des Flughafens. Dazu muss man wissen, dass der Flughafen in einem ehemaligen Moorgebiet liegt (den Kalauer von wegen versumpfen bei Ikea spare ich mir an dieser Stelle). Es bietet sich also an, vor oder nach dem Dienst noch schnell nach Brunkrissla, Thisted und Ektorb zu suchen, im Vorbeigehen Lenda, Lisbet und weitere Kleinigkeiten mitzunehmen, um an der Kasse dann auf eine horrende Summe auf dem Display zu starren. Kann man machen, muss man aber nicht machen. Vor allem nicht in Uniform.

Das Thema 'in Uniform in der Öffentlichkeit außerhalb meines Arbeitsplatzes bewegen' ist ein ganz eigenes. Am Revers meines Sakkos steht nämlich nicht nur mein Name, sondern auch ein unsichtbares Schild mit der Aufschrift Auskunft. Kollegen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Dienst fahren, können davon ein Lied singen. Wann fährt der nächste Zug nach Hinterdupfing? Wo muss ich umsteigen nach Schildburga? Was kostet eine Fahrkarte nach Irgendwo? Wo ist die nächste Toilette? Bei Ikea dann nur marginale Unterschiede in der Fragestellung: Wo gibt es Regale? Kann man diese Haken mit einem anderen System kombinieren? Wo kann ich das umtauschen? Wie komme ich am schnellsten zum Ausgang? Meine Antwort auf die letzte Frage lautete: "Das würde ich auch gerne wissen. Bitte sagen Sie mir Bescheid, sobald Sie was Neues herausgefunden haben."

Mir ist bewußt, dass so eine Uniform etwas Offizielles darstellt und somit die Hemmschwelle sinkt, sich an diese Person zu wenden. Selbst wenn zwischen Uniform und Umgebung kein erkennbarer Bezug besteht, fragt es sich leichter. Ob nun Politesse, Bahnangestellter oder Flugpersonal, man traut ihnen einfach mehr Wissen zu als einem in Anzug oder Strickjacke. Und ich darf nicht mal unfreundlich sein. Das fiele dann nämlich negativ auf meine Firma zurück. Ausserdem läßt es sich ohne Namensschild viel leichter unfreundlich sein.

Deswegen wird so ein Gang in Uniform außerhalb des Flugzeuges für mich regelmäßig zum Spießrutenlauf. Trifft man gelegentlich andere Uniformierte, dann findet eine Art Fraternisierung statt. Man muss sich das wie beim Motorradfahren vorstellen: Motorradfahrer grüßen sich beim Vorbeifahren gegenseitig mit Handsignal. Nur die Vespafahrer werden geschnitten. So nickt ein Uniformträger dem anderen wissend zu, es sei denn, es handelt sich um Straßenkehrer oder Müllabfuhr. In Straßenkontrollen werde ich uniformiert schon mal durchgewunken und Absperrungen sind auch nur noch reine Attrappe. Schließlich kann so eine Uniform auch ihre Vorzüge haben. Und wenn ich jemanden privat kennenlerne, ist der Spruch: "Hey, hast du 'nen Fetisch? Ich hab' nämlich 'ne Uniform" immer noch für einen Lacher gut.

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Mittwoch, 6. August 2008
Just a little lovin'
Wie der Mek so überrascht in meiner kleinen Wohnung stand und herumdruckste, weil sie so überraschend klein sei, und wie er dann in der Gaststätte Schupfnudeln bestellte, während er mir von den handgefertigten Nudeln seiner Mama vorschwärmte und dabei noch nie was von Spätzleschabern gehört hat, und wie seine Augen in jeder Kurve um den Friedensengel und das Maximilianeum ein klein wenig größer wurden und sein Griff um den Türgriff ein klein wenig fester, und wie er bei jedem Zwischenstopp fragte, wo denn jetzt Südtirol läge und anschließend ganz überzeugt in Richtung Allgäu zeigte, und wie er meinen Erklärungen zu den Sehenswürdigkeiten lauschte und mit der Annahme, das wäre dann sicherlich ein Regierungsgebäude, in die Presche sprang, wenn ich ratlos mit den Schultern zuckte, und wie er schließlich die Ruhmeshalle als den tempelartigen Bau wiedererkannte, auf dessen Stufen er einst erwachte, und wie er mir glaubhaft versicherte, er würde wiederkommen, wenn er sich auf dem Weg zwischen Penthouse in Berlin und Ferienvilla in Italien befände und dann natürlich nur, wenn ich auch da wäre, und wie er schließlich zum Eingang des Hauptbahnhofes eilte, dem Gebäude, das er in München am besten kannte und in dem er schon so oft war und sich nicht mehr umsah, weil es schon nach Mitternacht war und er ja vernünftig werden wollte, da habe ich mich ein bisschen in ihn verliebt, den Mek. Aber nur ein kleines bisschen. Ich will ihn ja nicht verlegen machen.

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Montag, 4. August 2008
When I'm sixty-four
Untrügliches Zeichen für körperlichen Verfall:
wenn man sich auszieht, vorsichtshalber den BH aber noch anbehält, weil man noch Zähneputzen will. Gibt es eigentlich beheizbare Waschbeckenränder im Altersheim?

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Montag, 30. Juni 2008
Dream on
Aerosmith

Weil zur EM ja jetzt das letzte Wort gesprochen alles gesagt ist, können wir wieder zur Tagesordnung übergehen. Tagesordnung, das heißt mit einer Hand einen Liter Eiscreme in den Mund schaufeln, während die andere eine Maus sinnlos durch das weltweite Netz steuert. Wenn's der Körper halt braucht. In Sichtweite liegen die Trainingsklamotten. Ich versuche krampfhaft nicht in die Richtung zu schauen, weil ich sonst unbewußt den Bauch einziehe. Schon mal nach dem Genuß von einem Liter Eiscreme den Bauch eingezogen? Mir wird jedes Mal übel dabei. Muß psychosomatisch sein.


Morgen geht's wieder los. Koffer packen, ins Auto hieven, zum Flughafen, zwölf Stunden in einer Kunststoffröhre mit geschätzten tausend Menschen dieselbe Luft atmen, die Füße nicht mehr spüren, die Hitze beim Verlassen des künstlich gekühlten dafür umso mehr, um die Funktionstüchtigkeit der Klebebänder in der Strumpfabschlußborte wenigstens bis zum Erreichen des Hotelbusses beten, sich schließlich völlig ferngesteuert durch gleißendes Licht schleppen, während der Körper felsenfest von Nacht überzeugt ist, damit er irgendwann kapituliert, wenn's dort dunkel wird, sich vor dem Einschlafen eine Notiz auf den Nachttisch legen, wie man heißt, wo man sich befindet und warum, falls man einmal mehr orientierungslos aufwacht.

Ich mag meinen Job. Echt jetzt. Auf den Rückflug freue ich mich beispielsweise immer wie ein kleines Kind. Nur die Vorbereitung schiebe ich heute den ganzen Tag schon vor mir her. Sechs Fragen zum Notfall soll ich mir ausdenken, die ich morgen den Kollegen im Briefing stelle. Sechs lächerliche Fragen, über die ich den ganzen Tag schon nachdenke. Sind sie zu schwer, will anschließend keiner mehr mit mir reden. Sind sie zu leicht, gibt's keinen Lerneffekt. Jeder Lehrer kann meinen Gewissenskonflikt nachfühlen. Dabei wollte ich so nie werden. Oberlehrerhaft und dick. Mein Koffer liegt ebenfalls noch so da, wie ich ihn nach der Rückkehr aus Chicago hinterließ. Die Trainingsklamotten ganz obenauf.

Ich sollte wirklich vernünftiger essen. Und wenn ich zurückkomme, wird endlich geputzt. Der ganze Ruß und Blütenstaub an den Fenstern muss jetzt langsam mal weg, die Böden kann ich auch mal wieder naß wischen und die Küchenablage klebt schon seit einer Woche. Ob wohl noch ein kleines Stück Schokolade da ist?

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Montag, 16. Juni 2008
Time to get ill
Frage: was haben Sportler und alte Leute gemeinsam?
Antwort: sie reden viel über ihre körperlichen Unzulänglichkeiten.

Es bleibt mir aber auch nichts erspart. Erst die Schulter, dann die Achillessehne, jetzt das Sprunggelenk, ganz zu schweigen von diversen langwierigen Zerrungen. Und nicht eines nach dem anderen, dass man ein jedes mit gebührender Aufmerksamkeit, Wärmepflaster und Tapeband bedenken könnte. Nein, es kommt immer gleichzeitig überlappend, sodaß man sich irgendwann nicht mehr bewegen kann. Das Paradoxe an der Situation ist, ich mache dann doch weiter. Also irgendwas zwischen Paralympics und Schwangerschaftsgymnastik mit zusammengebissenen Zähnen. Einfach weil es viel anstrengender ist, wieder ganz von vorne zu beginnen, als ein wenig Schmerzen auszuhalten.

Jetzt gleich ein Termin beim Arzt. Das ist ganz wichtig, um sich die Schmerzen attestieren zu lassen. Man braucht ja immer was zum Vorzeigen hierzulande. In älteren Bevölkerungsschichten hat sich das schon rumgesprochen, zumindest bei denen, die ich im Zehneurowartezimmer treffe. Da wird über Diagnosen und Therapien gesprochen wie andernorts über das Wetter. Überweisungsscheine sind Wertpapiere und das Wort 'Heilungschancen' ist sowas wie der DAX der Kranken. Je besser ersteres, umso schlechter die Bewertung, denn der Lohn der Krankheit ist Mitleid. Je mehr Gejammer desto mehr Zuspruch. Die ganz Gewieften lassen sich diverse Krankheitsbilder bis ins kleinste Symptom beschreiben, um sie schließlich zu übernehmen. Zusatzqualifizierung nennt sich das. Doch das wahre Drama spielt sich hinter verschlossener Behandlungszimmertüre ab. So Mancher erlebte dort einen rapiden Kurseinbruch.

Schau'n wir mal, wie hoch ich mich derzeit handeln lassen kann. Zwischen all den Herzinfarkten und Arthrosen mache ich keinen Stich, das ist klar. Aber ein wenig verbale Streicheleinheiten wäre schon ein Anfang. Und dass mir ja keiner kommt mit 'selber schuld'! Das ist nämlich mein Spruch.

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Samstag, 7. Juni 2008
I scream, you scream
Manche Dinge lassen sich erst erledigen, wenn vorher die Eiscreme aus dem Kühlfach komplett vernichtet ist. Sollte nach der Milch die Eisproduktion eingeschränkt werden, wird das vermutlich nachhaltige Auswirkungen auf die Wirtschaft im Allgemeinen haben. Und es geht nicht nur mir so. In dutzenden Filmen essen Frauen kübelweise Eiscreme, während sie auf Anrufe ihrer zukünftigen Expartner warten. Auch Männer erliegen in diesem Zusammenhang gelegentlich einer Art Massenbewegung. Bitte schauen Sie hierzu unbedingt diesen kleinen Filmausschnitt.

Im Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, kam an Sommertagen immer der Eismann in einem umgebauten VW Bus. Wenn seine Glocke von Weitem klingelte, rannten wir nach Hause, um das nötige Kleingeld zu holen. Eine Kugel auf dem runden Kekshörnchen durfte es sein. Damals gab es keine ausgefallenen Sorten. Schokolade, Vanille, Zitrone, vielleicht noch Nuss oder Erdbeere, das war die Auswahl. Die Entscheidung zwischen Zitrone und Schokolade fiel mir schwer. Fast immer entschied ich mich dann für Zitrone, denn Schokolade mochte ich noch lieber, wenn ich meine Zähne in die Festform hineingraben konnte. Nach einer Kugel Zitrone fühlte ich mich erfrischt, und obwohl meine Oma behauptete, ich hätte danach sicher Durst, verweigerte ich ein Getränk. Die Zitrone klebte so schön im Mundwinkel und an Händen, man konnte noch Stunden danach Geschmacksreminiszenzen irgendwo am Körper entdecken.

Ob man sich nun die Knie aufgeschürft oder einen Zahn verloren hatte, der Eismann machte alles schnell vergessen. Ein Pflaster und ein Eis trösteten über fast alles hinweg. Manchmal wünschte ich, es funktionierte heute noch genauso. Heute esse ich sehr viel Eis, doch die einzige Wirkung ist ein Spannen um die Körpermitte. Aber schmecken tut's noch genauso gut. Der Eismann aber ist vermutlich Rationalisierungsmaßnahmen zum Opfer gefallen.

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Montag, 2. Juni 2008
Easy Meat
Beim Wichteln zu Weihnachten letztes Jahr diverse Bücher verschenkt. Die Beschenkte zieht ein Cocktailmixbuch. Sie lamentiert, sie trinke keinen Alkohol, worauf der Nebensitzer sein Geschenk - das Buch 'Fleisch ist mein Gemüse' - großzügig zum Tausch anbietet. Darauf sie: "Aber ich bin Vegetarierin!" *)

Vor vielen Jahren hatte eine Bekannte den Hund von Nachbarn in ihrer Obhut. Am ersten Abend bekam der Hund eine Scheibe Wurst, für die er sich fast überschlug. Als die Nachbarn ihren Hund abholten, berichtete sie von diesem Ereignis. "Aber unser Hund ist Vegetarier", behaupteten die Besitzer. Sie selbst waren allerdings Fleischspeisen nicht abgeneigt.

Freund Oweh berichtet kürzlich von seinem Disput mit einer Veganerin:
Oweh: "...ihre Schuhe sind folglich von Tieren, die freiwillig Selbstmord begangen haben."
Ich: "Lemmingleder?"

Unter diesen Umständen bekommt der Ausspruch 'Dumme Nuss' eine völlig neue Bedeutung.

*)Dementi: Es ist nicht so, dass ich was gegen Vegetarier hätte. Im Gegenteil, jeder soll so leben, wie er es gerne möchte, soll das essen, was er moralisch und geschmacklich vertreten kann und überhaupt gibt es durchaus leckere Alternativen zur täglichen Fleischfresserei, von denen ich mich selbst größtenteils ernähre.

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Samstag, 24. Mai 2008
I shot the Sheriff, but I swear it was in self-defense
München ist so eine Sauberstadt. Wo in Berlin an jeder Ecke ein Penner steht, steht in München höchstens ein Zeitungskasten, der von mindestens zwei Rentnern aus dem gegenüberliegenden dritten Stock durchgehend beobachtet wird. Auf Münchens Straßen fahren mehr Polizei- als Postautos.

All dies hat jedoch die beiden U-Bahn-Schläger nicht daran gehindert, im Februar einen Passanten zu vermöbeln. Jetzt bin ich kein Mensch, der deswegen in U-Bahnstationen oder auf der Straße Angst hätte. Ich habe keine Angst, in der Dämmerung alleine zu laufen. Nirgends auf der Welt. Und schon gar nicht in München. Aber ich kenne dieses ungute Gefühl, wenn sich Besoffene torkelnd nähern oder Halbstarke laut profilieren. Um die mache ich - wenn möglich - einen etwas weiteren Bogen.

Freitags muss ich gegen halb elf abends gelegentlich auf meine U-Bahn warten, die mich aus einem sozial niedrigeren Milieu in eine bessere Gegend bringt. Und so begab es sich vor zwei Wochen, dass mich ein stark angetrunkener Mann in riechbar ungepflegtem Zustand aus kurzer Distanz bepöbelte. Ich entschied in diesem Falle, dem Störer keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken und stattdessen durch ihn hindurchzusehen, hoffend, er würde nach einer Weile das Interesse an meiner Person verlieren. Dem war jedoch erst so, als ich meine U-Bahn bestieg.

Gestern nun dasselbe Spiel. Doch diesmal entschied ich mich für aktive Gegenwehr. Als sich der alkoholisierte Mensch mir hinterrücks näherte und in einem Abstand von wenigen Zentimetern stehen blieb, drehte ich mich um und sagte sehr laut, er solle mich in Ruhe lassen. Der Typ schien völlig überrascht von meiner Reaktion und entschied sich spontan für zwei Schritt Abstand, den er auch im weiteren Verlauf jeweils nach hinten suchte, sobald ich mich in seine Richtung bewegte, was ihn allerdings nicht daran hinderte, mich lautstark mit diversen Schimpfwörtern zu bedenken.

Bezeichnenderweise drehten sich zwar andere Wartende neugierig in Richtung des Geschehens, auf tatkräftige Unterstützung hätte ich im Falle einer Eskalation jedoch sicher vergeblich gehofft. Und jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich nicht doch diverse Selbstverteidigungstechniken lernen sollte oder lieber weiterhin auf meine verbale Überzeugungskraft vertrauen - immerhin erstaunte mich meine Reaktion und ihre Wirkung selbst ein wenig. Wer hat Ähnliches erlebt? Sind Selbstverteidigungskurse sinnvoll? Erfahrungsberichte und Empfehlungen zum Thema werden in den Kommentaren erbeten.

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Sonntag, 18. Mai 2008
Feel sorry for myself
In Bayern wünscht man einer anderen Person, für die man nicht sonderlich viel Sympathie hegt, gelegentlich so bedeutende Dinge wie Durchfall und kein Klopapier. Gestern muss mich jemand mit derlei Wünschen bedacht haben. Zwar wurde das Klopapier nicht knapp - da habe ich wohlweislich einen besonders großen Vorrat im Haus, da man nie sicher sein kann, wann einen der nächste Wunsch trifft - dennoch ist das Prozedere an sich nervtötend, vor allem wenn es sich um nachtschlafende Zeit handelt,

Sie kennen dieses Gefühl, wenn sich der Magen derart verkrampft, dass dem Inhalt nicht viel anderes bleibt, als den ursprünglich eingeschlagenen Weg umgekehrt zurückzulegen? Es gab einen Moment heute Nacht, in dem ich dachte, jetzt müsse der Alien aber langsam durchbrechen und vorsorglich schon mal die Bauchdecke desinfizierte und mit grünen Tüchern abdeckte. In solchen Momenten denke ich darüber nach, wer sich das ausgedacht hat mit den grünen OP-Tüchern und ob statt forstgrün, spinatgrün oder graugrün auch moosgrün geht, zumal ja nicht jeder Arzt der Typ ist, der grün tragen kann. Grün oder blau geht für den Frühlingstyp. Bei den Bleichnasen könnte ich mir eher zartes apricot oder warme Erdtöne vorstellen.

Mein persönlicher Alien hielt mich noch Stunden auf Trab. Mit der Dunkelheit wich endlich auch der Schüttelfrost. Einen kurzen Augenblick überlegte ich, ob ich wohl das Elfuhrtraining noch schaffen würde, was sich als hinfällig herausstellte, da sich just mein Kreislauf weigerte, im Kreis zu laufen und mich stattdessen auf dem Badvorleger geplättet zurückließ. Auch das Einuhrtraining musste schließlich ohne mich von Statten gehen, da die Knie sich nicht auf Befehl, sondern eher permanent zu beugen schienen. Inzwischen ist alles wieder einigermaßen stabil, die Wahrnehmung ungetrübt und mein Magen leer. Jetzt gehe ich mal den Alien in den Abgründen meiner Wohnung suchen.

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Montag, 12. Mai 2008
Don't panic
Coldplay

Was mich von den meisten Menschen unterscheidet, ist die Tatsache, dass ich mir ziemlich sicher über den Tag bin, an dem ich sterben werde. Der Tag an dem ich sterbe, wird ein Feiertag sein.

Sonntage sind nur halbwegs schlimm. Meinetwegen darf ein Sonntag auch mit einem Feiertag zusammentreffen. Was auf keinen Fall geht, sind Sonntage gefolgt von Feiertagen. Oder eine Feiertagsserie. Weihnachten beispielsweise ist so ein Fall, obwohl man da noch mit der Barmherzigkeit seiner Mitmenschen rechnen kann. Die schlimmsten Feiertage des Jahres sind Ostern und Pfingsten. OsterMONTAG! PfingstMONTAG! Geht gar nicht, braucht kein Mensch.

An diesen Tagen arbeite ich meistens freiwillig und besonders gerne, denn damit ist meine Grundversorgung gewährleistet. Bin ich wider erwarten zuhause, muss ich mich beizeiten selbst darum kümmern. Also wird Freitag eingekauft, weil man sich als halbwegs normaler Mensch samstags nicht freiwillig in einen Supermarkt begibt, es sei denn, man steht auf Grenzerfahrungen. Freitag Abend, spätestens aber Samstag nachmittag ist fast alles Naschwerk verzehrt. Samstagnacht greife ich auf der Suche nach Süßigkeiten verzweifelt in den Obstkorb, was zum Ergebnis einen leeren selbigen am Sonntagmorgen und ordentliche Blähungen in der Nacht hat. Was die Schnitzel-Salat-Orgien angeht, die beginnen bereits Samstag zum Frühstück, Schnitzel wegen dem Eiweiß und Salat geht ja immer. Beim letzten Schnitzel ist es auch schon Sonntagabend, obwohl als drei vollständige Menüs vorherberechnet. Und die Champignons müssen sowieso weg, genau wie die Tomaten, die man so prima zwischendurch mit Mozzarella wegen der Hitze und Sie wissen schon.

Montags sitze ich vor einem leeren Kühlschrank, das Suppenreservoir ist seit dem letzten Montagsfeiertag (OsterMONTAG, wir erinnern uns?) noch nicht wieder gefüllt und die letzten Dosen spätestens Mittag geplündert. Überhaupt wird man an solchen Tagen unglaublich kreativ. Die Dose geschälte Tomaten, die so lange auf ihre eigentliche Bestimmung wartete, um dann doch nicht mit den italienischen Nudeln zusammengeführt zu werden, sondern sich einen Topf mit Speckwürfeln und Kartoffelstückchen teilt. Die Maiskörner, die in einer Pfanne neben kleingehackten Pepperoni unter zwei Scheiben Restkäse darben.

Wenn dann der letzte Basilikum gerodet, die letzte Suppentüte verrührt und der letzte Speck gebraten, stelle ich fest, dass man von Geld heute nichts mehr kaufen kann. Gegen vier habe ich wieder Hunger. Mehrmals laufe ich in die Küche, öffne Türen von Schränken - namentlich solchen die kühlen - und schließe sie frustriert wieder. Jetzt beginnt die Ablenkungsphase. Das Leben besteht ja schließlich nicht nur aus essen. Ich stelle fest, dass mein CD-Rom Laufwerk nicht richtig funktioniert. Wäre heute kein Feiertag, könnte ich mal eben in einen Computerladen und ein neues kaufen. So aber muss ich mich geschlagen geben. Heute also keine DVD. Lesen geht auch nicht, denn in Büchern essen Menschen meistens irgendwann irgendetwas. Außerdem bin ich zu schwach, um dreihundert Seiten zu stemmen.

Spätestens hier werden meine Leser aus Berlin, Hamburg und Düsseldorf ungläubig den Kopf schütteln. In diesen Städten gibt es nämlich an jeder Ecke was zu essen. In München ist das anders. München ist katholisch. Alles, was man hier an katholischen Feiertagen in öffentlichen Gebäuden zu essen bekommt, sind Oblaten - jeder nur eine - und davon ist noch keiner satt geworden. Es gibt hier diese hippen Cafés, in denen man den ganzen Tag brunchen kann. BRUN-CHEN, nicht brunften (ist aber irgendwie dasselbe). Da sitzt man dann eingeklemmt zwischen Kinderhochsitzen und Laptops vor zwei Scheiben Serranoschinken für fünffuffzig aber Zucker gibt's nur ein mickriges Tüterl zum Kaffee, weil man muss auf seine Figur achten. Geht mir weg mit dem scheiß, da bringen mich keine zehn Pferde hin. Dönerbuden? Fehlanzeige. Bei schönem Wetter geht noch Biergarten.

Ich am Nachmittag auf mein Fahrrad. Erst quietscht es nur ziemlich bedenklich. Ach ja, die Kette, die wollte ich vor einiger Zeit mal schmieren. Dann geht plötzlich nix mehr. Biergarten auch nicht. Bleibt noch Flughafen oder Tanke. Seit drei Tagen steht mein Auto auf einem strategisch günstigen Parkplatz vor der Türe. Den gebe ich erst wieder mit einem großen Koffer beladen auf. Und weil es nichts blöderes gibt, als zu Fuß zur Tanke - was im Übrigen nur von zu Fuß zum Hauptbahnhof getoppt wird - ist diese Möglichkeit gestorben. Der Mensch kann drei Tage ohne feste Nahrung überleben, da werde ich doch wohl lächerliche 16 Stunden durchstehen. Immerhin wäre es meiner Figur zuträglich. Jetzt wo der Sommer beginnt und die Kleider weniger werden, sollte sich die Körpermitte möglichst nicht umgekehrt proportional verhalten. Somit sind jegliche Alternativen ebenfalls hinfällig. Hunger habe ich trotzdem.

Gegen Abend steigt langsam Panik in mir auf. Ich esse Tic-Tac. Meine Freunde sind entweder im Urlaub oder nicht erreichbar. In meinen täglichen Blogs steht seit drei Tagen nichts neues. Ich fühle mich, als wäre die Welt untergegangen und hätte mich vergessen mitzunehmen. Ich esse einen Kaugummi. Der CD Spieler spielt nicht mehr. So ganz ohne Musik wird mir schmerzlich bewußt, wie leise das Telefon nicht läutet. Ich esse ein Hustenbonbon. Die Fenster sollten auch mal wieder geputzt werden. Irgendjemand grillt im Hof. Ich esse ein Aspirin. Nur noch drei Stunden, dann kann ich ins Bett. Das Kissen muss morgen zur Reinigung. Während ich Decke und Laken neu überziehe, überlege ich, was ich am nächsten Tag alles einkaufe. Noch bevor die Liste geschrieben ist, esse ich den Stift.

In wenigen Stunden habe ich es geschafft. Jetzt ist langsam auch mal gut mit Feiertagen. Gefeiert wird bei mir vor allem, wenn sie vorbei sind. Das ist wie Erwachen aus dem Koma. Am nächsten Tag ist alles wieder normal, die Läden sind geöffnet, die Freunde erreichbar. Und alles ist, als wäre es nie anders gewesen. Einzig dieser dunkle Schatten unter den Augen bezeugt meine persönliche Läuterung. Es könnte sich aber auch um Wimperntusche vom Vortag handeln.

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