Montag, 20. November 2006
Who cares (7)
Den ganzen Tag erfolglos versuchen wach zu werden, nur um dann nachts nicht schlafen zu können.

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Mittwoch, 5. Juli 2006
Sport sells
Das is ja mal´n Ding. Da hatte ein Herr Stefan Kuzmany in der taz dieselbe Idee wie ich, nämlich aus den zwei kleinen Italienern elf zu machen. Merkwürdig, dass zwei Zeilen daraus tupfengleich sind:
Eine Reise in den Norden Ist für andre schick und fein
Doch elf kleine Italiener Werden bald zu Hause sein


Ist bestimmt Zufall, denn seine Zeilen singen sich bei Weitem nicht so geschmeidig wie meine.

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Montag, 12. Juni 2006
Good night vienna
Sie war nicht die Erste aber die erste Wienerin, die mich für eine Landsmännin hielt. Das gibt mir zu denken. Hat am Ende Wienerisch bayerisch-schwäbische Wurzeln?

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Donnerstag, 8. Juni 2006
Bosom buddies
Da war erst dieser Wunsch, dieses Verlangen, dieses Haben-wollen. Lange gärte es in mir, ließ mich träumen und beobachten, lauern und auf der Hut sein. Als ich ihn das erste Mal sah, schlich ich um ihn herum, wie eine läufige Hündin. Tag und Nacht dachte ich an ihn, wochen- nein monatelang. So sehr ich mich auch bemühte, er ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Es war nicht so, dass er abweisend war. Im Gegenteil, er lud mich zu sich ein. Ich widerstand, jedoch nicht lange. Immer öfter fuhr ich an diesem Haus vorbei, in dem er weilte, und traute mich doch nicht, es zu betreten. Ich wusste instinktiv, die Gefahr, dort nicht mehr ohne Verluste herauszukommen, war groß. Und immer wieder zog er mich magisch an. Ich wollte in seiner Nähe sein.

Seine Verführungskünste ließen mich schließlich schwach werden. Vorsichtig öffnete ich die Türe, trat in das abgedunkelte Innere und er präsentierte mir seine ganze Pracht, wie einst Evas Apfel. Ich war gefangen in der Höhle des Löwen. Kein Entkommen, Widerstand zwecklos. Als ich den Stoff seiner Kleidung langsam durch meine Finger gleiten ließ, wusste ich, dass es weh tun würde. Sehr, sehr weh. In diesem Moment war mir alles gleichgültig, schließlich lebte ich nur einmal und hatte endlich den Mut, etwas zu tun, wovor ich immer zurückgeschreckt war. Ich riss mir die Kleider vom Leib, stand fast nackt vor einem Spiegel und schlüpfte in dieses sagenhafte Kostüm, das er für mich bereit hielt. Er war spezialisiert auf eine bestimmte Art Verkleidung. Das war seine Daseinsberechtigung, seine Lust und mein Verderben. Als ich die unzähligen kleinen Häkchen letztlich schloss, strahlte er. Ich hatte ihn zum Leben erweckt, seine Offerte mit meiner Fleischeslust gefüllt. Und wie es gefüllt war, das gute Stück. Er mochte keine dürren Androgynen. Seine Kostümierungen waren wie geschaffen für die Fülligeren, deren Lust dadurch betont und andere betört würden. Mein üppiger Busen quoll aus der Aussparung über dem Ausschnitt. Den Brustkorb schnürend, bis zur Taille verengt, hob es das hervor, was als Tribut der Sinnlichkeit zu betonen war. Es war wie für mich geschaffen. Liebe ist in Verbindung mit Lust ein gefährliches Wort, doch ich verliebte mich auf der Stelle.

Als ich ihn verließ, war ich um eine Erfahrungen reicher. Ich wusste, ich durfte nie wieder zurückkehren. Das war die Bedingung, die ich mir selbst auferlegte, bevor ich zu ihm ging. Heute weiß ich, dass es noch einmal sein muss. Ein einziges Mal muss ich noch zu ihm zurückkehren, dem Laden, um das geänderte Dirndl abzuholen.

Wer geht mit mir auf den diesjährigen Kocherlball?
Nicht nur Herren sind hier gefragt.

Nachtrag: es ist ein original Tiroler Dirndl (rotes Oberteil, schwarzer Rock, kein Schnickschnack). Das wird vielleicht den Herrn Mequito interessieren.

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Mittwoch, 17. Mai 2006
Ils n´ont pas d´idée
Vieil océan,
ta forme harmonieusement sphérique,
qui réjouit la face grave
de la géométrie,
ne me rappelle que trop les petits yeux de
l'homme, pareils à
ceux du sanglier pour la petitesse, et à
ceux des oiseaux de nuit pour la perfection
circulaire du contour. Cependant,
I'homme s'est cru beau dans tous les siècles.
Moi, je suppose plutôt
que l'homme ne croit à sa beauté
que par amour-propre; mais,
qu'il n'est pas beau réellement et qu'il s'en doute;
car, pourquoi regarde-t-il la figure
de son semblable, avec tant de mépris ?
Je te salue, vieil océan!


Les chants de Maldoror, Lautréamont

Kann jemand, der sich so viele Gedanken um das Wesen des Menschseins macht, die Menschen verachten? Spätpubertäre Ergüsse, übersteigerte Pathetik? Noch bin ich zu keiner endgültigen Meinung über die Gesänge des Maldoror und ihren Verfasser gelangt.

Zum ersten Mal kam ich mit diesem Buch während meines Studiums in Berührung. Da war dieser Gitarrenstudent, merkwürdig verhalten, ein wenig verwahrlost, schwarze Ränder unter den Nägeln, die Haare strähnig im Gesicht, redete nie viel, doch wenn er etwas sagte, machten mich seine Worte neugierig. Wir belegten ähnliche Seminare, trafen uns gelegentlich in der Mensa und plauderten ein wenig. Dann verlor ich ihn wieder aus den Augen.

Einige Zeit später half er mir, den Zeichentrickfilm eines Freundes zu vertonen. Er hatte das volle Vertrauen des Fachdozenten, mit dem ich telefoniert hatte, und somit einen Schlüssel zum Tonstudio für elektronische Musik. Wir arbeiteten drei Tage an einer Tonspur von drei Minuten. Als der Film endlich fertig war, wollte ich ihn gemeinsam mit ihm ansehen. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Ich fragte bei seinem Professor nach, doch der wusste von nichts. Er habe ihn ebenfalls schon einige Zeit nicht mehr gesehen. Ich bat ihn um eine Telefonnummer, die er mir gab. Als ich dort anrief, nahm er irgendwann nach langem Läuten den Hörer ab. Wir plauderten eine Weile und verabredeten uns für den kommenden Tag. Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl. Am nächsten Tag sollte er mit der S-Bahn kommen. Ich würde ihn am Bahnsteig abholen. Die S-Bahn kam ohne ihn. Auch in der nächsten saß er nicht. In der Prähandyära fuhr ich nach Hause, um bei ihm anzurufen. Er behauptete, die Bahn verpasst zu haben. Ich schlug die nächste S-Bahn vor, mit der Ahnung, dass er auch die nicht nehmen würde. Am Bahnsteig wurde die Ahnung zur Gewissheit. Ich rief wieder an, ergebnislos. Einige Stunden später nahm er den Hörer ab. Alles was ich sagte war: "Ich komme jetzt vorbei. Wage es nicht, mir die Türe nicht zu öffnen!" Dann fuhr ich los. Es war bereits später Abend. Er öffnete tatsächlich. In seinem Zimmer wüstes Durcheinander, auf dem Plattenteller drehte Joni Mitchell vor sich hin. Er saß auf dem Boden, vor ihm das Buch. Ob ich es kenne? Ich verneinte. Das Buch sei so etwas wie seine persönliche Bibel. Wenn ich ihn verstehen wolle, müsse ich es lesen. Dann las er mir die achte Strophe des ersten Gesanges vollständig vor. Alles was ich begriff, war, dass ich ihn da rausholen musste. Ich schnappte meine Sachen, befahl ihm, sich anzuziehen und mir zu folgen. Wir fuhren los.
Ich schlief auf dem Boden. Meine Schlafcouch überließ ich ihm. Am nächsten Morgen saß er auf dem Boden in Zimmermitte, genau wie ich ihn am Vorabend in seinem Zimmer vorgefunden hatte. Er zitterte stark. Das machte mir Angst. Ich schrie ihn an, er solle zu zittern aufhören. Meine Erbarmungslosigkeit verfehlte nicht ihre Wirkung. Die Flasche Martini aus meinem Kühlschrank, die dort seit einem halben Jahr unberührt gestanden hatte, war genauso leer wie mein Geldbeutel. Letzteres bemerkte ich erst später. Ich fuhr ihn heim und sagte ihm, er könne mich jederzeit anrufen.

Es verging einige Zeit, bis ich ihn wiedersah. Sein Prof erzählte mir, er sei in einer psychiatrischen Klinik. Er sagte noch etwas von sehr intelligent, fast schon genial und deswegen nicht lebensfähig. Begriffen habe ich erst viel später was er damit meinte. In der Klinik besuchte ich ihn. Wir redeten ein wenig. Als ich ging, war das ein Abschied für immer.

Jedes Mal, wenn mir die Maldororgesänge in die Hände fallen, muss ich an diesen komischen Kerl denken. Was macht Menschen so kaputt? Sind es die Umstände/Umwelt oder die Unfähigkeit, für die Umstände Verantwortung zu übernehmen und sie zu beeinflussen?

Erster Gesang, vierte Strophe:

Es gibt Leute, die schreiben, um durch edle Eigenschaften des Herzens, die sie erfinden oder auch wirklich haben, menschlichen Beifall zu suchen. Mir aber dient mein Genie, die Wonnen der Grausamkeit zu schildern! Keine vergänglichen, gekünstelten Wonnen, sondern solche, die mit dem Menschen begonnen haben und die mit ihm enden. Kann sich gemäß der geheimen Beschlüsse der Vorsehung nicht das Genie der Grausamkeit verbinden? oder kann man nicht Genie haben, weil man grausam ist? Den Beweis wird man in meinen Worten finden; es steht euch frei, mir zu lauschen, wenn ihr wollt … Pardon, mir schien, als hätten sich auf meinem Kopf die Haare gesträubt; aber das hat nichts zu sagen, denn es ist mir sehr leicht gelungen, sie mit der Hand in ihre vorherige Lage zurückzubringen. Er, der hier singt, behauptet nicht, daß seine Kavatinen etwas Unbekanntes seien; im Gegenteil, er ist es zufrieden, daß die vermessenen und bösen Gedanken seines Helden in allen Menschen sind.

von hier

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