Mittwoch, 2. August 2006
Keine Zeit
Seit einer Woche läuft meine Rufbereitschaft. Bis jetzt hatte ich Glück, weil man mich nur einmal mit einer 2 Tagestour behelligte. Meine neue Spaßbeschäftigung beansprucht fast jeden Tag in der Woche. Dienstag und Donnerstag ist mein Sambahüftschwunggott dran, Mittwoch und Freitag bis Sonntag der Knackarschitalovortänzer. Nur montags laufen keine interessanten Kurse. Anfragen von Freunden für ein geselliges Abendbier werden entsprechend eingeteilt. Nur die Firma hat keinerlei Verständnis für meine Leidenschaft. Jetzt wollen die mich allen Ernstes morgen nach Kairo schicken. An einem DONNERSTAG! Mein Einwand, ich müsse da meine Beine mehr modern-jazz-fusion-technisch als serviceorientiert durch die Gegend schwingen, stieß auf taube Ohren. Ich können ja ein paarmal öfter als sonst vor dem Getränkewagen in die Knie gehen, das trainiere auch. Erst dachte ich noch schön, dann biste am Freitag wieder daheim und kannst wenigstens am Wochenende schmachten tanzen. Pustekuchen, ich hab das große Los gezogen. Drei Tage im dreckigen, stinkigen Kairo. Diesmal Donnerstag kein göttlicher Hüftschwung und Freitag bis Sonntag Kaftane statt Knackarsch vor der Nase. Ich hab vielleicht einen Hals!

Als nächstes hab ich mir mal auf der Karte angeschaut, wie weit Kairo von Beirut entfernt ist. Liegt in ziemlich sicherer Entfernung bezüglich verirrter Kurzstreckenraketen. Hätte auch schlimmer kommen können. Tel Aviv zum Beispiel ist derzeit ein nicht sonderlich beliebtes Ziel beim Kabinenpersonal. Ja, wir fliegen da noch hin, zwar nicht mehr mit Übernachtung aber wir landen dort. Würde mich nicht wundern, wenn Beirut bald wieder im Streckenplan auftaucht. Krisengebiete werden nämlich so lange angeflogen, bis der Luftraum von offizieller Seite für den zivilen Flugverkehr dicht gemacht wird. Wir bekommen Informationsmaterial zum korrekten Verhalten bei Erdbeben, zur korrekten Titulierung von kirchlichen und politischen Repräsentanten, das Faltblatt für korrektes Überqueren eines Minenfeldes und der Titulierung eines Heckenschützen ist mir jedoch noch nicht untergekommen. Da besteht eindeutig Handlungsbedarf. Tut mir leid, wenn das alles nicht sonderlich witzig ist. Mir ist ehrlich gesagt auch nicht nach Lachen zumute. Klar könnte es mich jeden Tag treffen. Deswegen muss ich aber die Gefahr noch lange nicht herausfordern. Die Zeiten, in denen ich dreispurige Straßen mit geschlossenen Augen und nur nach Gehör überquert habe, nachts um halb drei im Central Park unbedingt spazieren gehen musste und mir nichts spannenderes häte vorstellen können, als in einen Banküberfall zu geraten, sind längst vorbei. Deswegen brauche ich jetzt auch keine Einsatzleitung, die das für mich übernimmt. Dies alles wurde mir jetzt erst wieder so richtig bewußt, obwohl Kairo nicht zu den Krisengebieten zählt. Was eine potentielle Gefahr betrifft sind wir hier ganz schön verwöhnt.

Jetzt aber Schluss mit trüben Gedanken. Wenn ich ehrlich bin, ist es doch so: sollte mir etwas zustoßen, wäre das Schlimmste für mich, dass ich es möglicherweise nicht mehr bloggen könnte.

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