Samstag, 19. August 2006
Just one dance


Gestern ist er 70 geworden und ich 33 Jahre zu spät dran.
Geht mir weg mit Williams.
Congrats, Robbie!

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Don´t let me be misunderstood
Die Tütenfrage hat man mir beantwortet. Alles muss sorgfältig verpackt sein, um den Anschein von Sauberkeit und Hygiene zu wahren. Nicht einmal von amerikanischen Sauberkeitsfanatikern ist japanische Mysophobie zu toppen. In Tüten abgepackte Scheiße verhindert zumindest die Berührung mit selbiger [sic]. Trotz aller Widersprüche beginne ich, die Japaner zu mögen. Sie wissen, wie sehr uns ihr Verhalten befremdet und sind durchaus in der Lage, über sich zu lachen. Ich erinnere mich gerne an eine japanische Kollegin, mit der ich einst arbeitete. Hinter jeder für Passagiere nicht einsichtigen Ecke riefen wir uns Suntory Whiskey! zu, um sofort in hysterisches Gelächter auszubrechen. Zuvor hatte ich sie gefragt, was denn der Regisseur Bill Murray alias Bob Harris langatmig geschildert hat, das die Übersetzerin auf die Worte more passionate reduzierte. Im Übrigen sind Japaner sehr wohl in der Lage ein R auszusprechen. Lip my stockings, eine Plattitüde der Drehbuchautorin. Allerdings habe auch ich meine liebe Not, gewisse Worte zu verstehen. Ein gepresst deklariertes To-Ma-To bedeutet, der Gast möchte gerne Tomatensaft. Damit ist der Fundus an deutlich Gesprochenem auch schon erschöpft. Eine klare Unterscheidung zwischen Ko-hi (coffee) und Ko-cha (tea) dringt kaum noch durch das Flughintergrundrauschen bis an mein Ohr. Nachfragen ist nicht, denn gutes Servicepersonal weiß, was der Japaner wünscht. Zudem gilt die Faustregel: stelle nie eine Frage, die den Asiaten zur Negierung zwingt. Er wird niemals ablehnen. Also halte ich beide Kannen in die Luft. Dabei bilde ich zwischen meinen Augenbrauen ein sichtbares Fragezeichen und warte geduldig, bis man mit Fingern auf das gewünschte Getränk zeigt. Nach jedem Japanflug spüre ich einen Zuwachs an Gesichts- und Armmuskulatur.

Manchmal sieht sich ein Japaner gezwungen, dem Europäer Ablehnung zu signalisieren. Hierzu nickt er mit dem Kopf und wedelt mit der Hand vor seinem Gesicht herum. Zuvor hat er nur langsam genickt, was soviel wie nein danke bedeutet. Es liegt mir nichts ferner, als einen Japaner zum Gesichtsverlust zu nötigen, doch leider weiß ich nicht, was entschuldigung, ich bin blond auf japanisch heißt. Im Grunde wollen sie gerne blond sein, meine japanischen Kolleginnen. Dabei ist ihr Haar beneidenswert stark und schwarz glänzend. Ich habe ihnen zu erklären versucht, dass Blondsein einer inneren Haltung bedarf, doch bezweifle ich, mich verständlich ausgedrückt zu haben. Die Message kommt sehr oft anders an, als ihre Intention ursprünglich war. Davon können die männlichen Leser sicher ein Lied singen. Mir war diese Form Mißverständlichkeit bisher fremd. Erst heute habe ich mal wieder eine Kollegin fälschlicherweise angeraunzt, weil ich glaubte, sie würde meine Arbeitsanweisung mißachten. Das passiert ab und zu. Was ihnen nicht passt, wird einfach ignoriert oder umgedeutet, bis es passt. Dabei hat sie nur ihrer Kollegin erklärt, was ich auf europäisch formulierte. Gelebte Hierarchie, selbst innerhalb einer Gruppe Gleichgestellter. Man unterscheidet zwischen europäischen und japanischen Kollegen. Obwohl ich ihre Vorgesetzte bin, zählt letztlich die Aussage der dienstältesten Japanerin. Mit der muss ich mich gut stellen, um gehört zu werden. Anstrengender Arbeitsalltag. Und auch spannend.

Ich ertappe mich, wie sich meine Gestik und Intonation anpasst. Geneigte Körperhaltung zu langgezogenen Ahs verwandeln mich in eine schlechte Imitation. Gerne würde ich den Gästen das Glas wie gelernt mit beiden Händen reichen, doch eine brauche ich, um mich wegen der Turbulenzen festzuhalten. So trage ich zu ihrer Erheiterung bei. Im Sitz lässt sich gut lachen, während ich stehend um Balance ringe und gleichzeitig die Flüssigkeit in ihrem vorbestimmten Behältnis zu halten versuche. Schwerkraft wird relativ. Noch nie habe ich mich so leicht gefühlt wie bei unvermuteten Luftlöchern. So könnten selbst Pirouetten gelingen, mit denen ich sonst meine Schwierigkeiten habe. Ausprobieren will ich es dennoch nicht. Selbst als Europäer sollte man gelegentlich sein Gesicht wahren. Bald bin ich wieder zuhause, dann darf ich nach Herzenslust hüpfen und rotieren. Auf festem Boden und ohne Kleckerrisiko.

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