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Mittwoch, 25. Oktober 2006
Why don't you stop me when I talk about Shanghai
frau klugscheisser, 15:10h
Zwanzig Minuten stehe ich an der Straße, bevor eines der vorbeifahrenden Taxis anhält, und es fahren nicht wenige vorbei. Entweder bin ich zu doof oder die Chinesen haben einen Trick, ein Geheimzeichen, das ich nicht kenne. Immerhin scheinen mir schon die Schriftzeichen sehr rätselhaft und geheim auszusehen. Ich dachte, die seien nur gedruckt erhältlich, bis ich mit eigenen Augen einen Hotelangestellten mein Fahrtziel mit Kugelschreiber zu Strichhaufen auf Papier verwandeln sah. Unter Schreibschrift verstehe ich ja im Allgemeinen was anderes, etwas weiches, fließendes und nicht kopulierende Strichmännchen [Chinese Letters are the new Rorschachtest]. Kein Wunder, dass die Bevölkerung Chinas explodiert. Während ich also am Straßenrand stehe und über das Geheimnis der Taxibeschaffung nachdenke, beobachte ich herannahende Eingeborene, die mit Leichtigkeit jedes freie Taxi zum Halten bringen. Sie laufen ein Stück in die Straße, wedeln mit ausgestrecktem Arm oder übernehmen einen herannahenden Wagen von aussteigenden Fahrgästen. Will ich diese Vorgehensweise imitieren, werde ich sofort mit zwei Problemen konfrontiert. Zum einen scheint es immer eine Person zu geben, die ein Taxi bereits vor mir erspähte und schneller am Wagen ist, als ich es bin, und zum anderen muss man suizidal veranlagt sein, um die schützende Erhebung - genannt Bürgersteig - zu verlassen. Dabei sieht das bei den Chinesen so lässig aus. Keiner rennt, sobald sich ein Taxi nähert, keiner streitet sich mit anderen um ein freies Gefährt. Ich werde also den Teufel tun und meinen Schritt beschleunigen. Sobald man in China den Gehweg verlässt, begibt man sich in Sphären, in denen das Darwin´sche Gesetz vom Überleben des Stärkeren gilt. Gegen Autos hat ein Passant meist wenig Chancen. Eine weitere Tatsache ist für das Überleben auf freier Straße wichtig zu wissen. Es gibt nämlich in China zwei Gruppen von Verkehrsteilnehmern, für die Ampelsignale nicht gelten: Fahrräder und Taxis. Sobald die Fußgängerampel auf grün schaltet, glaubt der Europäer irrtümlich an freie Wege. In China kann ein Blick zur Seite wenn nicht gar Leben retten, so doch zumindest einen Herzinfarkt verhindern. Auch Zebrastreifen sind in China nicht viel mehr als ein nettes Straßengraffiti im Streifendesign. Straßenverkehr ist in China generell chaotisch. Es wird viel gehupt und die Spuren gewechselt, vorausgesetzt der Verkehr hat sich nicht wie üblich in eine zähe Masse verwandelt. Nur die Portugiesen fahren chaotischer, wobei jene nur glauben, ihr Fahrzeug zu beherrschen.
In der schützenden Blechhülle eines ergatterten Taxis lasse ich die letzte halbe Stunde Revue passieren. Nach den ersten Fehlschlägen setzte ich mich erst mal auf die Stufen eines Gebäudes, um eine Zigarette zu rauchen, wurde von drei Bettlern um Geld gebeten und von einigen Straßenhändlern auf ihre Waren aufmerksam gemacht. Das Land scheint von gefälschten Produkten zu existieren. Mich interessieren die nachgemachten Handtaschen und Uhren nicht. Wer sich echte nicht leisten kann, manifestiert in meinen Augen nur seine ganze Ärmlichkeit mit dem Tragen von nachgeahmten Markenprodukten. Ausserdem haben sogenannte Fakeartikel erhebliche Nachteile. Sportfunktionsbekleidung etwa funktioniert nicht wie gewünscht. Dennoch rennen Einkäufer der westlichen Hemisphäre den Marktschreiern sprichwörtlich die Buden ein und zahlen für chinesische Verhältnisse überzogene Preise. Es gibt auch originäre Produkte, wie zum Beispiel Pashminaschals, für die man nicht mehr als umgerechnet einen Euro zahlt. Nach vier Schals habe ich aufgegeben, denn was nützt ein warmer Hals, wenn die Füße kalt sind. Überhaupt nervt mich dieses ewige Feilschen. Ich will ein Produkt mit einem realen Preis ausgezeichnet sehen, über den ich dann abwägen kann und nicht ständig das Gefühl haben, das hätte ich billiger bekommen können. So was kann mir den Schlaf rauben. Zum Glück gibt es Taxameter für den Fahrpreis. Um die Fünf-Euro-Marke zu sprengen, muss man schon die Stadtgrenze hinter sich lassen. Oder für Stunden in einem der unsäglichen Staus stehen. Heute geht alles glatt, soweit ich das von der Hinterbank beurteilen kann, denn ich vermeide den Blick nach vorne. Der Beifahrersitz ist, wie gesagt, nichts für Menschen mit schwachen Nerven. Interessant finde ich, dass der Fahrer hinter einer Plastikummantelung sitzt. Man fürchtet nicht die reale Bedrohung von draußen, sondern die durch den Fahrgast. Dass die Chinesen gerne um sich spucken, keine Taschentücher verwenden und auch sonst körperlichen Vorgängen freien Lauf lassen, weiß jedes Kind. Auch dass dieses Verhalten zum guten Ton gehört. In Zeiten von SARS und Grippeviren leuchtet mir diese hypothetische Vorsichtsmaßnahme ein.
Ich zahle und steige vor dem Hotel aus. Das Taxi ist innerhalb von Sekunden bereits wieder im Einsatz. Wie sie das machen, die Chinesen, ist mir zwar immer noch ein Rätsel, interessiert mich aber erst wieder brennend, wenn ich dort im nächsten Platzregen ohne Schirm am Straßenrand stehe. Und eine gute Nachricht aus China habe ich auch noch zu vermelden: der umgefallene Sack Reis steht wieder.
In der schützenden Blechhülle eines ergatterten Taxis lasse ich die letzte halbe Stunde Revue passieren. Nach den ersten Fehlschlägen setzte ich mich erst mal auf die Stufen eines Gebäudes, um eine Zigarette zu rauchen, wurde von drei Bettlern um Geld gebeten und von einigen Straßenhändlern auf ihre Waren aufmerksam gemacht. Das Land scheint von gefälschten Produkten zu existieren. Mich interessieren die nachgemachten Handtaschen und Uhren nicht. Wer sich echte nicht leisten kann, manifestiert in meinen Augen nur seine ganze Ärmlichkeit mit dem Tragen von nachgeahmten Markenprodukten. Ausserdem haben sogenannte Fakeartikel erhebliche Nachteile. Sportfunktionsbekleidung etwa funktioniert nicht wie gewünscht. Dennoch rennen Einkäufer der westlichen Hemisphäre den Marktschreiern sprichwörtlich die Buden ein und zahlen für chinesische Verhältnisse überzogene Preise. Es gibt auch originäre Produkte, wie zum Beispiel Pashminaschals, für die man nicht mehr als umgerechnet einen Euro zahlt. Nach vier Schals habe ich aufgegeben, denn was nützt ein warmer Hals, wenn die Füße kalt sind. Überhaupt nervt mich dieses ewige Feilschen. Ich will ein Produkt mit einem realen Preis ausgezeichnet sehen, über den ich dann abwägen kann und nicht ständig das Gefühl haben, das hätte ich billiger bekommen können. So was kann mir den Schlaf rauben. Zum Glück gibt es Taxameter für den Fahrpreis. Um die Fünf-Euro-Marke zu sprengen, muss man schon die Stadtgrenze hinter sich lassen. Oder für Stunden in einem der unsäglichen Staus stehen. Heute geht alles glatt, soweit ich das von der Hinterbank beurteilen kann, denn ich vermeide den Blick nach vorne. Der Beifahrersitz ist, wie gesagt, nichts für Menschen mit schwachen Nerven. Interessant finde ich, dass der Fahrer hinter einer Plastikummantelung sitzt. Man fürchtet nicht die reale Bedrohung von draußen, sondern die durch den Fahrgast. Dass die Chinesen gerne um sich spucken, keine Taschentücher verwenden und auch sonst körperlichen Vorgängen freien Lauf lassen, weiß jedes Kind. Auch dass dieses Verhalten zum guten Ton gehört. In Zeiten von SARS und Grippeviren leuchtet mir diese hypothetische Vorsichtsmaßnahme ein.
Ich zahle und steige vor dem Hotel aus. Das Taxi ist innerhalb von Sekunden bereits wieder im Einsatz. Wie sie das machen, die Chinesen, ist mir zwar immer noch ein Rätsel, interessiert mich aber erst wieder brennend, wenn ich dort im nächsten Platzregen ohne Schirm am Straßenrand stehe. Und eine gute Nachricht aus China habe ich auch noch zu vermelden: der umgefallene Sack Reis steht wieder.
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