Samstag, 24. Mai 2008
I shot the Sheriff, but I swear it was in self-defense
München ist so eine Sauberstadt. Wo in Berlin an jeder Ecke ein Penner steht, steht in München höchstens ein Zeitungskasten, der von mindestens zwei Rentnern aus dem gegenüberliegenden dritten Stock durchgehend beobachtet wird. Auf Münchens Straßen fahren mehr Polizei- als Postautos.

All dies hat jedoch die beiden U-Bahn-Schläger nicht daran gehindert, im Februar einen Passanten zu vermöbeln. Jetzt bin ich kein Mensch, der deswegen in U-Bahnstationen oder auf der Straße Angst hätte. Ich habe keine Angst, in der Dämmerung alleine zu laufen. Nirgends auf der Welt. Und schon gar nicht in München. Aber ich kenne dieses ungute Gefühl, wenn sich Besoffene torkelnd nähern oder Halbstarke laut profilieren. Um die mache ich - wenn möglich - einen etwas weiteren Bogen.

Freitags muss ich gegen halb elf abends gelegentlich auf meine U-Bahn warten, die mich aus einem sozial niedrigeren Milieu in eine bessere Gegend bringt. Und so begab es sich vor zwei Wochen, dass mich ein stark angetrunkener Mann in riechbar ungepflegtem Zustand aus kurzer Distanz bepöbelte. Ich entschied in diesem Falle, dem Störer keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken und stattdessen durch ihn hindurchzusehen, hoffend, er würde nach einer Weile das Interesse an meiner Person verlieren. Dem war jedoch erst so, als ich meine U-Bahn bestieg.

Gestern nun dasselbe Spiel. Doch diesmal entschied ich mich für aktive Gegenwehr. Als sich der alkoholisierte Mensch mir hinterrücks näherte und in einem Abstand von wenigen Zentimetern stehen blieb, drehte ich mich um und sagte sehr laut, er solle mich in Ruhe lassen. Der Typ schien völlig überrascht von meiner Reaktion und entschied sich spontan für zwei Schritt Abstand, den er auch im weiteren Verlauf jeweils nach hinten suchte, sobald ich mich in seine Richtung bewegte, was ihn allerdings nicht daran hinderte, mich lautstark mit diversen Schimpfwörtern zu bedenken.

Bezeichnenderweise drehten sich zwar andere Wartende neugierig in Richtung des Geschehens, auf tatkräftige Unterstützung hätte ich im Falle einer Eskalation jedoch sicher vergeblich gehofft. Und jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich nicht doch diverse Selbstverteidigungstechniken lernen sollte oder lieber weiterhin auf meine verbale Überzeugungskraft vertrauen - immerhin erstaunte mich meine Reaktion und ihre Wirkung selbst ein wenig. Wer hat Ähnliches erlebt? Sind Selbstverteidigungskurse sinnvoll? Erfahrungsberichte und Empfehlungen zum Thema werden in den Kommentaren erbeten.

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Ich muss zugeben, dass ich mit meinen fast zwei Metern Körperlänge und einem Kampfgewicht von grösser 100 Kilogramm kaum in solche Situationen komme. Bin auch froh darüber, denn ehrlich gesagt bin ich für handfeste Auseinandersetzungen zu feige.

Ich flüchte lieber ........

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Angeblich ist der größte Nutzen eines Selbstverteidungskurses ja der, dass man dann selbstbewusster durch die Gegend geht. Und da du ja eh schon kaum Angst hast, wie du sagst... Andererseits will man ja wenn es hart auf hart kommt, auch nicht denken denken: "Hätte ich nur..."

Und, nff, groß und schwer zu sein, nützt einem auch nicht immer was, wie ich, groß und schwer, feststellen musste, als am Hamburger Hauptbahnhof der Penner auf mich losging. Gott sei Dank war es hellichter Tag und in der Nähe sowieso immer ein Mannschaftswagen von der Polizei geparkt.

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Wie ging die Geschichte mit dem Penner ab/aus? Erzähl doch mal.

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Ich hat meinen Koffer weggekickt, ich habe ihn angebrüllt, er hat zurückgebrüllt, da habe ich gedacht, lieber deeskalieren und habe einen moderateren Tonfall angesprochen und bin schließlich weggegangen. Gefahr bestand aber sowieso nicht, weil es am helligen Tag war und in der Nähe viele Passanten (obwohl: ob die geholfen hätten?).

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Das kenne ich ganz gut. Da wir ein Schulzentrum haben mit fast 2000 Jugendlichen, kann man nicht alle, die hier rumhüpfen, kennen.
Und so spreche ich einfach an, direkt, offen, freundlich und auch relativ laut und dominant. Ich nehme an, dass man so auch ein Flugzeug räumen könnte.
Jedenfalls hat mir das schon viel geholfen.Ein nächtliches Erlebnis in einer Jugendherberge mit zwei eingedrungenen Rockern und mir im Morgenmantel, ist zu meinen Gunsten ausgegangen.Selbstverteidigung hätte mir da nichts genutzt. Der Überraschungseffekt wirkt viel stärker.
Natürlich muss man auch der Intuition folgen. Wenn sie warnt, dass etwas zu gefährlich wird, muss man es lassen.
Der Herr, der in der Münchner U-Bahn zusammengeschlagen wurde, war vor der Pensionierung Realschullehrer und es gewohnt, Jugendliche anzusprechen. Anscheinend hat er diese beiden falsch eingeschätzt und gedacht, das sei eben das übliche pubertäre Gehabe und Gepöbel.
Ein Kollege, dessen Bruder Polizist ist, hat ein paar üble Griffe drauf. Der packt auch Randalierer an. Ich glaube, die lasse ich mir mal zeigen, jetzt wo Sie mich drauf bringen.

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Dass mich Diplomatie und Redegewandtheit gemischt mit einer Prise Hobbypsychologie bis jetzt aus fast jeder heiklen Situation nahezu unbeschadet hervorgehen hat lassen, würde ich nicht Sicherheit, sondern eher Glück nennen. Wenn's dann wirklich hart auf hart kommt, wünschte ich mir eine gute Wadenmuskulatur oder einen geschickten Trick (den Houdini kann ich leider nicht).

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Ich habe auch noch nie zu den Frauen gehört, die sich im Dunkeln nicht mehr alleine auf die Straße trauen, und habe dennoch vor vielen Jahren mal einen Selbstverteidungskurs besucht und durchaus hilfreich gefunden. Körperlich musste ich mich seither noch mit niemandem auseinandersetzen, würde mich aber, obwohl der Kurs schon einige Jahre her ist, noch gut dazu in der Lage fühlen. (Seither denke ich oft bei Situation, in denen ich früher so ein diffuses ungutes Gefühl hatte: "Pass bloß auf, du hast keine Ahnung, dass ich dich ernsthaft verletzen könnte")
Die Kurs-Leiterin war eine Wendo-Trainerin und wir haben nicht nur handfeste Verteidungsmöglichkeiten gelernt, sondern uns auch über verbale Strategien ausgetauscht.
Interessant fand ich zum Beispiel, dass wohl vielen tätlichen Angriffen kleinere Grenzüberschreitungen vorangehen wie das von Ihnen beschriebene zu dicht auf die Pelle rücken. Und da ist es dann schon sinnvoll rechtzeitig einzuschreiten und die Dinge beim Namen zu nennen, weil es deutlich macht, dass man kein gutes Opfer ist. Ich glaube, dass wichtigste was ich von diesem Kurs mitgenommen habe, ist, dass es wirklich Sinn macht sich zu wehren, egal ob mit Worten oder Taten.

=== Ende der Werbeveranstaltung ===

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Mir wurden einige "Griffe" im Rahmen meiner beruflichen Ausbildung nahegebracht. Die würde ich allerdings nicht außerhalb meines Arbeitsfeldes anwenden wollen, zumal im Flieger unter Kollegen ein völlig anderes Milieu vorliegt.

Eine Bekannte hat in einer bedrohlichen Situation Pfefferspray eingesetzt und wurde daraufhin wegen Körperverletzung angezeigt. Das kann ich mir bei den Griffen, die Sie ansprechen, auch vorstellen. Nice to know aber bitte niemals in der Praxis. Oder doch?

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Präventiv zuschlagen könnte sicher Probleme geben, aber ich hätte keine Bedenken, mich zur Wehr zu setzen. Und wenn es wirklich zu einer Anzeige käme, muss man ja nicht unbedingt sagen: "Das ist ein fieser Trick, den ich in einem Kurs gelernt habe" sondern kann sich mit einem "Ich habe wild um mich geschlagen" aus der Affäre ziehen.

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hm.

blöd. besonders, dass keine hilfe von gaffern zu erwarten ist. soweit meine erfahrung in der sauberstadt monaco.

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Ich habe vor Jahren an einem sogenannten "Selbstbehauptungskurs" teilgenommen, der damals von der Kripo angeboten wurde. Der Kurs enthielt nur ganz grundsätzliche Kampfsportelemente und konzentrierte sich mehr auf Körperhaltung, Ausdruck und Verhaltensweisen.

Ich kann das gar nicht genug empfehlen, auch wenn mir vorher "auf der Straße" nie unwohl war. Trotzdem wurde mir parallel zu einer höheren Aufmerksamkeit (nicht im Sinne von Angst sondern eher in dem Sinn, den Beginn einer Grenzüberschreitung festzustellen) eine größere Sicherheit im Umgang mit Situationen wie der beschriebenen vermittelt, auch z.B. im Umgang mit Belästigungen anderer oder um Aufmerksamkeit bei den "Zuschauern" zu erregen.

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Das klingt interessant. Möchten Sie noch ein wenig mehr aus dem Nähkästchen plaudern? Was wird denn da beispielsweise bei Belästigungen empfohlen?

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Das Wichtigste war, ganz grob gesagt, die Scheu davor abzulegen, unhöflich zu sein oder aufzufallen. Zu sagen, was nicht passt und sich Öffentlichkeit zu verschaffen, Umstehende ganz direkt und unmissverständlich ("Sie mit der roten Jacke...") anzusprechen, nicht auf Hilfe zu warten sondern sie einzufordern.

In Ihrem Fall haben Sie sich schon so verhalten, wie es dort empfohlen worden wäre. Zusätzlich hätten Sie - wenn Sie sich noch unsicher gefühlt haben - zu den Mitwartenden gehen und sie ansprechen können: ob sie das gerade beobachtet haben, dass sie sich unwohl fühlen und deshalb gerne mit ihnen zusammen warten würden.

Für "einsame Situationen", also wenn man z.B. allein die Straße entlang geht und das Gefühl hat, verfolgt zu werden, gab es den Tipp, zu "randalieren". Laut zu singen, vor sich hin zu fluchen, mal gegen ein paar Gegenstände zu treten, komisch herumzuspringen - sich einfach unüblich zu verhalten. Den allerwenigsten macht es Spaß, randalierende Frauen zu belästigen. Man mag lieber ein leichtes Opfer.

Allgemein gehörte noch dazu, für sich zu sorgen. Auch wichtig: Die eigenen Grenzen erst einmal anzuerkennen und sich nicht selbst als hysterisch abzustempeln. Auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen. Lieber einmal zu oft die hohen Schuhe vorsorglich ausgezogen zu haben (zum Draufhauen und Wegrennen) als einmal zu wenig.

Am Ende des Kurses wurde man dann sogar noch durch ein verlassenes Gebäude geschickt und überfallen. Mit Videoaufzeichnung, anschließender Anzeigenaufnahme/Täterbeschreibung und allem drum und dran. Das war - so seltsam das klingen mag - eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

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Wir hatten in diesem Kurs auch einige Belästigungs-Situationen durchgespielt, die Frauen bereits erlebt hatten, und einige Tipps bekommen. Ich fand zum Beispiel den Hinweis ganz sinnvoll, auf unangenehme Anmache nicht mit einem diffusen "Bitte lassen Sie das" zu reagieren, was dann Raum lässt für Ausflüchte wie "Wieso, ich mach' doch gar nix", die die eigene Wahrnehmung wieder in Frage stellen. Sondern stattdessen ganz konkret das Verhalten benennen, was einen stört. Z.B. bei extremem Anpressen im vollen Bus zu sagen "Hören Sie auf, ihren Penis an mich zu drücken".
Fast jede Frau kennt auch das unangenehme Gefühl, nachts alleine durch die Stadt zu gehen und längere Zeit Schritte hinter sich zu hören. Da fand ich die Idee gut, sich einfach umzudrehen und zu sagen "Bitte gehen Sie mal vor."

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