Dienstag, 2. September 2008
We sail tonight for Singapore (3)


Was gibt es in einer Stadt zu tun, die vor Luxus und Hightec nur so strotzt? Eine Stadt, die radikal vom Altbaucharme gesäubert wurde und in der Chinatown eher wie eine schwäbische Kleinstadt anmutet als ein asiatischer Schmelztiegel. In einer Stadt, in der es keine dunklen Häuserecken und schmutzigen Straßenkinder, keine Bettler und kein natürliches Wachstum gibt, gleitet das Interesse schnell vom Profanen hinüber zum Sakralen.
Und Gebetshäuser gibt es derlei viele, wenn manche auch eher an ein Toyota-Autohaus erinnern, als an eine heilige Stätte.



Gott ist bekanntlich überregional, was wiederum die buddhistischen Tempel in Little India und die Hindugebetsstätten in Chinatown erklärt. Auch gegen Moscheen neben Kirchen hat keiner was einzuwenden. Man sucht sich einfach aus dem breiten Angebotsspektrum das richtige aus und bedient sich des individuellen Segens.

So auch ich an diesem einen Sonntag in Singapur. Ich suche zunächst den Tempel der tausend Lichter. Stattdessen treffe ich eine riesige Plastikbuddhastatue an, die von Ikeateelichtern umrahmt wird. Woher ich weiß, dass die Teelichter von Ikea sein müssen? Sie brennen nicht ordentlich. Natürlich bin ich enttäuscht. Das habe ich mir imposanter vorgestellt. Etwa so, wie den liegenden Buddha in Bangkok oder zumindest beeindruckender. Ich flüchte in einen kleinen Tempel gegenüber, wo gerade vier Mönche die Messe vorbereiten.



Während sie ihre Klangschalen und Schlaghölzer zurechtrücken, stelle ich mich kurzerhand dazu. Die Mönche beginnen ihr endloses Mantra zu rezitieren, während ich mich darauf konzentriere, möglichst zum richtigen Zeitpunkt zu knien oder mich zu verneigen, stets den Chinesen neben mir imitierend - den einzigen weiteren Gottesdienstbesucher, mit dem ich mir ein kleines Kniebänkchen teile. Ich habe Angst, mich daneben zu benehmen, vor einem Faux-pas oder gar mit meiner reinen Existenz dem Ereignis etwas von seiner Heiligkeit zu nehmen, bis plötzlich aus der Hosentasche des Nachbarn lautstark asiatische Melodien erklingen. Auf dem Pfad der Gleichgültigkeit hat dieser Herr bereits einen weiten Weg zurückgelegt, jedenfalls ignoriert er das Geträllere und starrt noch ein wenig angestrengter als zuvor in sein Gebetbuch.


das da oben sind modernere Mönche mit Notenständer...

Als die Mönche gefolgt von meinem chinesischen Gebetsnachbarn polonaiseartig den Altar umrunden, stelle ich mich seitlich an die Wand. Erst als der Obermönch mich mit den Worten 'you can follow' einlädt, folge ich der Prozession Runde um Runde durch die heilige Halle. Ein merkwürdiges Bild muss das für die drei, vier Touristen abgeben, die gerade den Tempel betreten. Einer zückt gar eine Kamera. Nächstes Mal wähle ich auch das orangefarbene Kleid. Am Ende fühle ich mich sehr gesegnet und auch die Füße schmerzen nicht mehr, weil ich jetzt schwebe. Sogar an den Schmerz vom knien kann man sich gewöhnen, was sicher jeder gute Katholik bestätigen wird.



Danach besichtige ich ein paar Hindutempel ganz in der Nähe. Mal abgesehen davon, dass man hier seine Schuhe ausziehen muss, die Böden aber von Dreck überzogen sind und für Fotos prophylaktisch am Eingang eine Gebühr zu entrichten ist, mögen meine indischen Freunde auch keine andersartigen Gottesdienstbesucher. So steht es auf einem Schild an der Absperrung vor dem Altarraum zu lesen. Somit haben sie mich als potentielles Schäflein auf Krishnas großer Weide verloren. Und das in einer Zeit, in der jede Vereinigung um Mitgliedszahlen kämpft. Aber das einzige was Indien reichlich besitzt, sind Kinder und Kühe.



Fazit meines ersten Aufenthaltes in der Stadt:
Singapur kann man angucken, muss es aber nicht. Nur ich, ich muss die Tage wieder hin. So Buddha will und Kali unser Flugzeug heil läßt.

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