Dienstag, 3. Oktober 2006
You are beautiful (when you dance)
Es ist nicht verwunderlich, dass mich das Thema Schlankheitswahn derzeit beschäftigt, obwohl ich doch behaupte, im Allgemeinen mit mir auf dem Wege der Besserung zu sein. Seit ich wieder tanze, werde ich automatisch mit meinem Aussehen konfrontiert. Einige Aussagen, auf die ich hierzu in letzter Zeit stieß und die mich nicht unberührt ließen, stammen aus dem professionellen Bereich:

Wir mussten ins Klassenzimmer über eine Waage gehen. Ich war immer die Schwerste und Größte. Deswegen durfte ich nie Pas de Deux tanzen.
Ehem. Schülerin der Folkwangschule Essen

ich bin wegen den brüsten weg vom balett. die haben angefangen zu wachsen und eine primaballerina mit großen brüsten gibts nicht.
Ehem. Schülerin einer russischen Ballettschule, der in der Pubertät eine Hormonbehandlung nahegelegt wurde

...mir passt kaum noch was. Warum das so ist, habe ich dann erst so richtig beim anprobieren begriffen. Größe 34. Shit! Und in Ballettmaßstäben betrachtet bin ich bei weitem noch recht wohl genährt.

Lesenswerte Artikel der Autorin und ehemaligen Tänzerin Maja Langsdorff über Eßstörungen und "nur Muskeln, Haut und Knochen" (im unteren Teil der Seite).

Ja, ich kenne die Argumente. Ballett muss leicht aussehen, den männlichen Tänzern ist nicht zuzumuten, eine schwere Partnerin zu stemmen etc.
Und trotzdem gibt es sie, die "normalgewichtigen" weiblichen Tänzerinnen. Ein Beispiel ist die 1943 geborene amerikanische Modern Tänzerin Judith Jamison. Es gibt noch unzählige andere Beispiele.

Zum ersten Mal kam ich mit 17 Jahren in Berührung mit klassischem Ballett. Ich ging zum Steptanzunterricht in eine Ballettschule. Damals glaubte ich, mein Körper sei nicht tanzkompatibel - zu dick, zu große Brüste, zu großer Hintern. Vor unserer fand die Stunde der Erwachsenen statt. Eine sehr begabte Tänzerin hinterließ bei mir einen bleibenden Eindruck. Nicht nur tanzte sie unglaublich ausdrucksstark, sie war anscheinend schon in jungen Jahren mit einem unverwüstlichen Selbstbewusstsein gesegnet. Ihr Äusseres war alles andere als balletttauglich, was sie letztlich auch an einer professionellen Karriere hinderte, nicht aber am Tanzen. Ihr Hüft- und Brustumfang war in etwa das dreifache von meinem bei einer geschätzten Körpergröße von 1.50m. Als zierlich wäre sie sicherlich nicht zu beschreiben gewesen. Dennoch blieb sie als Vorbild all die Jahre in meinem Gedächtnis haften, wenn mir mein Spiegelbild in Trikot und engen Hosen mißfiel.

In letzter Zeit habe ich viele Dünne tanzen sehen, deren Bewegungen stakselig wirken. Ich habe Dicke gesehen, die beim Tanzen mehr auszudrücken im Stande sind, als eine ganze Ballettkompanie. Ich habe auch das Gegenteil gesehen: Dicke, die kein Körpergefühl zu haben scheinen und Dünne, die sich wunderbar bewegen. Und wieder komme ich zu dem Schluß, dass Körpergewicht kein maßgebliches Kriterium für Ausdrucksfähigkeit zu sein scheint, ja nicht einmal für Beweglichkeit. Was uns behindert, sind die vorgefertigten Meinungen in unseren eigenen Köpfen, ob selbst produziert oder übernommen.

... comment

 
"Männer haben einen Körper, Frauen sind ihr Körper." Klasse Beobachtung der Langsdorff. Und Tänzer sind im Grunde alle Frauen.

... link  


... comment