Freitag, 16. März 2007
We're history (where were you?)
Seltsam, wie wir unser tägliches Einerlei an äußeren Ereignissen festmachen, als ob die Routine viel zu schnell im Vergessen versinken lässt. Vielleicht geschieht in diesen Zeiten einfach zu wenig, das uns in Atem hält. Vielleicht sind wir ein träges Pack von Wohlfühlsüchtigen geworden, deren Verdrängungsmauer so hoch geworden ist, dass nur noch wenig durchsickert. Wo warst Du als die Mauer fiel, wo, am 11.9.? Wo warst Du, als Kurt Cobain starb und wo beim Tod von Prinzessin Diana?

Gestern sah ich The Queen. Der Film selbst ist anderswo schon besser besprochen worden als ich es jemals könnte [und ja, Helen Mirren hat den Oscar dafür wahrlich verdient]. Wo warst du als Prinzessin Diana starb? Die Welt stand nicht nur auf der kleinen Insel für einen Augenblick still. Menschen trauerten um jemanden, der ihnen noch nie persönlich begegnet war, als hätten sie eine nahe Freundin oder gar Schwester verloren. Möglicherweise waren es sogar dieselben Menschen, die schon bei Cobains Todesnachricht eine Träne vergossen, obwohl beide Anhängerschaften unterschiedlicher nicht hätten sein können. Das Dianaphänomen mit Hysterie und fehlenden Leitbildern zu erklären wäre nicht ausreichend. Vor allem waren es wohl die Umstände ihres Todes, sowie ihre Fehlbarkeit in Kombination mit einer exponierten Position, die sie schon zu Lebzeiten zur Identifikationsfigur der breiten Masse werden ließ und schließlich zu exaltierter Trauer führten.

Wo war ich denn als Diana starb? Die Antwort ist ernüchternd, wenngleich nachvollziehbar: ich war im Bett. Allein. Zumindest das hatte ich zum damaligen Zeitpunkt mit der Queen und einigen mehr gemeinsam. Es war vier Uhr morgens - selbst am Wochenende nachtschlafende Zeit - als die offizielle Nachricht verkündet wurde. Mich erreichte die Nachricht erst einige Stunden später durch den Anruf meines damalig besten Freundes."Diana ist gestorben", waren seine ersten Worte noch vor etwaigen Grußformeln. Erst verstand ich nicht recht. Wir wohnten nebeneinander und teilten auch sonst recht viel aus unserem Leben. Er war eine rheinische Frohnatur mit einem gewissen Hang zur Dramatik, Künstler halt. Wenn jemand gestorben war, wieso rief er mich an, anstatt an der Türe zu klingeln? Langsam begriff ich, dass es nicht um seinen Vater - liebevoll der Alte genannt - ging und auch nicht um eine seiner zahllosen Liebschaften, sondern um die Princess of Wales, weswegen ich im ersten Moment seine Aufregung nicht verstand. Ich schaltete den Fernseher ein. Liveberichterstattung in Kombination mit Bildern von einem zerknautschten Auto und der lebendigen Prinzessin. "Oh wie traurig" dachte ich und das war's dann auch schon. Insgeheim freute ich mich ein wenig, dass die kommenden Tage Retrospektiven auf das Leben Dianas zu erwarten wären, die ich allesamt verfolgte. Schließlich konnte ich mich noch zu gut an die bombastischen Hochzeitsbilder erinnern. Damals verbrachte ich die Ferien in Amerika.

Nicht gefaßt war ich auf die allgemeine Reaktion. Wäre ich Engländer oder zumindest dort während der Ereignisse zugegen gewesen, möglicherweise hätte ich anders reagiert. So aber schien mir das Verhalten des Volkes befremdend. Nur wenige Wochen später starb Mutter Teresa. Da schien bereits eine allgemeine Trauererschöpfung einzusetzen. Man hatte sich für Lady Di ausgepowert, hatte alles gegeben, was an Tränen vorrätig war. Für Mutter Teresa reichte es nur noch zu stummer Betroffenheit. Heute erinnert sich keiner mehr daran. Eine alte Frau, deren Ende abzusehen war wie auch das von Queen Mom. Ich halte mich nicht für einen gefühlsarmen Menschen - und die, die mich persönlich kennen dürfen mich gerne korrigieren - aber ich spüre mehr Mitgefühl für ein fünfjähriges Mädchen, das ich kennenlernte und das gerade seine Mutter verloren hat, als ich Trauer um eine Frau empfinde, die mir nur aus den Medien bekannt ist. Dennoch kann ich mich an den Tag erinnern, als wäre er gestern gewesen. Anscheinend geschieht zu wenig in meinem Leben.

Der schönste Satz des Filmes kommt übrigens von Frau Blair. "Is this a mother thing?" fragt sie Tony, als dieser vehement die Monarchie und insbesondere die Queen gegen ihre Angriffe verteidigt. Fast möchte man meinen, die dahinterliegende Aussage träfe nicht nur auf ihn zu.

Diana, her death and life
First official statement from Blair
Tribute from The Queen

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Wer will sich denn schon mit Mutter Teresa identifizieren? Die hatte ja keine Liebesaffären. Die hatte nur diese allumfassende Liebe...

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Immerhin hatte Mutter Teresa vermutlich die größte Publicity ihres Lebens beim Zusammentreffen mit Di.

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An den Di-Day
kann ich hauptsächlich deswegen noch erinnern, weil es der 70. Geburtstag meiner Mutter war. Mein älterer Bruder hatte die News im Autoradio gehört und ziemlich beiläufig an der Kaffeetafel weitergegeben, aber das war an diesem Nachmittag dann kein Thema mehr.

Abends ging der mediale Overkill allmählich los, und mein Berufsinstinkt als Medienberichterstatter sagte mir, da geht noch was, das wird groß, da bleibste mal dran. Ich hatte die erste Septemberwoche eh frei genommen und konnte mir daher die Kante geben: Sondersendungen, Brennpunkte, you-name-it, volles Programm inklusive der Beerdigung. Interessante Erfahrung, denn während mich das alles zunächst extrem kalt ließ, zeigte das Dauerbombardement mit Bildern von trauernden Menschen und den immer weiter anwachsenden Blumenbergen vor dem Buckingham Palast mit der Zeit dann doch Wirkung bei mir. Im Endeffekt war ich dann doch Teil der weltweiten Trauergemeinde.

Aber was schrieben Sie da weiter oben? Kurt Cobain ist tot? Mir war auch, als hätte ich da mal was gehört. Aber fragen Sie mich nicht, wo ich war - ohne zumindest ohne das Datum zu nennen...

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Interessante Schilderung. Und am Ende ist immer die Presse schuld.
[Sie wissen aber schon, dass die Mauer nicht mehr steht, gell?]

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Den Fall der Mauer
auch nur entfernt mit dem freiwilligen Ableben eines notorisch überschätzten und ausgepowerten Sangeskünstlers gleichzusetzen scheint mir doch leicht unverhältnismäßig. Welcher Generation auch immer der Herr C. seine Stimme geliehen haben mag, es war nicht meine.

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Ab und an bin ich gerne ein wenig gehässig politisch unkorrekt. Was den Nirvanasänger angeht, kenne ich sowohl Geschichte als auch Musik nur vom Hörensagen.
Beim Mauerfall war mein erster Gedanke jedenfalls: "Um Gottes Willen, wo bringen wir nur die ganzen Menschen unter, die jetzt in den Westen wollen?"

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C. hab ich immerhin mal die Musik gehört.
Mauerfall war ich 6 Jahre alt...
Bei Lady Di war ich in Urlaub auf Kreta. Schon ein Thema, aber da wir keinen Fernseher hatten und auf die anwesenden Bild-Leser als Informationsquelle angewiesen waren, eher mäßig interessiert.
Aber machst du dein Leben wirklich an diesen Dingen fest? Wenn ich mich in der Zeit zurückdenke, orientiere ich mich an familieren Ereignissen, Beziehungen, und eben "beruflichen Stationen" (bisher Schule ;) und Studium), UMzug u.ä. ...nicht mal der 11. September war wichtig...

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DiDay
Ich erinnere mich gut an den Untergang von Lady Di.
Ein riesen Bericht im Spiegel. Den hab ich gelesen und
nach der großen Entzauberung in einem Leserbrief an
das Blatt unter anderem geschríeben :

War das alles ???

Damit stand ich dann in der nächsten Ausgabe groß auf Seite 2 im Spiegel. ( oder war es Seite 3 )
Wollte ich aufheben den Spiegel ,weil ich da auf Seite 3 stehe.
Hab Ihn dann doch weggeschmissen.

Gruß Pit von diefreundedsl

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